Phon (live auf dem la pampa Festival-Samstag 2010)

Phon (live auf dem la pampa Festival-Samstag 2010) © Susanne Hasse

Die Pampa, unendliche Weiten voll grasiger, einsamer und trockener Steppe im Südosten Südamerikas. Ein Inbegriff für öde und trostlose Gebiete, wo sich Fuchs und Hase, soweit sie nicht schon ihre Koffer gepackt haben und ausgewandert sind, einander gute Nacht sagen. Aber halt, das ist nur die halbe Wahrheit! Seit nunmehr drei Jahren ist sie darüber hinaus auch in Deutschland, und da vor allem im Osten des Landes zu einer festen Größe geworden.

{image}"Guten Morgen la pampa! Zeit zum Aufstehen!" tönte es pünktlich um 9 Uhr von der Seebühne zum Zeltplatz hinüber. Hands Up Exitement hatten dort Stellung bezogen und waren bereit, die ersten noch sichtlich benommen Pampanauten in den nächsten vier Stunden durch den Morgen zu geleiten. Bis das Festivalgelände seine Pforten öffnete war noch Zeit, und eines wurde immer deutlicher: Extrem-Chillen ist ein Sport, der einem alles abverlangt, gerade bei Rekordwerten von knapp unter 40°C, und das la pampa Festival ist am Samstag Weltmeister darin geworden. Mit Sebastian Cleemanns alias Petula alias Teil des Musikerkollektivs SDNMT und seinen musikalischen Übungen zur Revitalisierung von Körper und Seele und den darauffolgenden Indigo Tree wurde die Seebühne aber zunehmend von einer Chillout-Lounge zur Wake-Up-Stage, auch wenn der Großteil der Besucher dem Treiben dann doch eher von der Seeseite aus in Begleitung diverser Schwimmtiere frönte.

{image}Alle Arten und Unterarten von Badetieren hatten das gesamte Wochenende über sowieso Hochkonjunktur und schienen, neben allerlei Krabbel- und Kriechtieren und Pampanauten natürlich, zur dominierenden Spezies zu werden. Geschniegelt und gebügelt konnte es im Anschluss vor die Mainstage gehen, wo durch den anreisebedingten Ausfall der russischen Schweinemaschine schon die regioactive.de-Gewinnerband P:hon (die von der regioactive.de-Community auf die pampa-Bühne gewählt wurden) die ersten Gäste begrüßte. Dank pfiffig konstruierter Bewässerungskonstruktion vor der Bühne konnten die Dresdner Newcomer trotz anhaltender Hitze ihren Auftritt vor nahezu vollem Platz absolvieren. Im Gesamten eine Show und Post-Rock-Variante, die keinen Vergleich scheuen musste und mit bestem Sound und einfallsreichen Songstrukturen die Pampa zu begeistern wusste.

{image}Mit einer an den vergangenen Morgen erinnernden chilligen Show – das Publikum saß kollektiv vor der Bühne – setzten Katze aus Berlin der strahlenden Sonne von oben sonnigen Indie-Pop von unten entgegen. Vielen Pampanauten wurde es aber unterdes doch zu tropisch, weshalb sie das kühle Nass des Hagenwerder Freibades dem exzessiven Musikgenuss vorzogen. Das änderte sich aber spätestens bei Yucca, Nürnbergs biggest Exportschlager since Albrecht Dürer. Mit ihrer unverkennbaren Indie-Elektro-Mischung und vollem Körpereinsatz zogen sie auch den letzten feuchten Pampanauten aus dem See und vor die Mainstage. Das erste Highlight des Tages, aber das nächste folgte auf den Fuß.

Und damit hätte sicher niemand gerechnet, konnte ja auch keiner, schließlich sind DVA aus Tschechien in unseren Breitengraden leider noch nicht so bekannt, wie sie es sein sollten. Aber was war das bitte für eine Show? Das Duo aus Hradec Králové verzauberte die Pampa mit elektronisch experimentellen Klängen, erzeugt durch Gitarre, Loops, Saxophon, Klarinette, Megaphon, Melodika und einer umwerfenden Stimme. Bezeichnenderweise nennt es sich laut Selbstauskunft dann: Tango, Cabaret, Circus, Popsongs, Kitchen-Beatbox oder Freakfolk. Ein echtes Happening könnte man es aber auch einfach nennen.

{image}Weiter ging es mit einem Kontrastprogramm, nämlich mit dem Härtesten was die Pampa zu bieten hatte. Trip Fontaine, mit ihrem Sound irgendwo zwischen Indie-, Math- und Punkrock angesiedelt, bereiteten kompromisslos das Feld für den Abend und übergaben im Anschluss an ihre Show die in Stimmung geratenen Pampanauten an die Herren von SDNMT. Nach erwartet starken Auftritten von Giardini di Mirò, Italiens instrumentalen Postrockhelden und Hundreds aus Hamburg erklommen die nächsten Headliner im Line-Up die Bühne. Get Well Soon aus Berlin hüllten die versammelte Masse mit ihren symphonischen Kompositionen und ihrer düster-mystisch-euphorischen Stimmung ein, bei sternenklarer Nacht ein wirkliches Open-Air-Erlebnis.

{image}Der bewegungs-, schweiß- und partytechnische Höhepunkt des diesjährigen la pampa Festivals wurde beim darauffolgenden Auftritt von Bratze erreicht. Seit 2008 mit im Boot, brachte das Duo von der Küste das Zelt bis kurz vor den totalen Zusammenbruch. Man hatte es wohl vorher geahnt und das Begleitheft zum Festival mit den Worten "Bitte lasst die Bühne ganz!" quittiert. Viel hat nicht gefehlt, möchte man dem entgegnen. Als Schlussakkord auf dem Festivalgelände gaben sich dann noch die dänischen Indiepop-Goldstücke von Alcoholic Faith Mission die Ehre und entließen nach opulentem Happyend auch die letzten Pampanauten glücklich in die Nacht auf die Zeltplätze und an den See, um auch den nächstfolgenden Morgen gebührend zu empfangen. Durch die Dunkelheit geschaukelt wurden sie dabei unter anderem von ZEBU!, obwohl geschaukelt das Ganze doch etwas verharmlost. Steve und Ted sind Pampanauten der ersten Stunde und jedes Jahr wieder ein Garant für außerirdische Performance mit allem was der Hobbykeller so hergibt. Durch die nahezu aufgebrauchte Restnacht ging es dann mit Frischgemixtem von den Plattentellern, bis die Sonne wieder hoch am Himmel stand.

{image}Die erste Abreisewelle am Sonntagmorgen riss doch arge Löcher in den dichten Zeltteppich rund um den See, aber es waren immer noch genug, um auch den letzten Tag noch feierlich zu begehen. Für alle Dagebliebenen gab es nämlich auf der Seebühne noch Shows von Fuji Kureta aus der Türkei, dem Kammerflimmer Kollektiv aus Karlsruhe und den quasi zur la pampa Familie gehörigen The Friendliness Is Going Happy.

Das la pampa Festival 2010 war heiß und das in jeder Hinsicht. Der engagierte Einsatz der vielen ehrenamtlich tätigen Helfer und Organisatoren hat sich wirklich gelohnt, denn es wurde eine Veranstaltung aus dem Boden der sprichwörtlichen Pampa gestampft, die sich nicht wie andere ihrer Zunft immer mehr dem Mainstream annähert, sondern eine authentische Plattform sowohl für etablierte Acts, als auch für Newcomer geworden ist und mit viel Herz, Innovation und Ideenreichtum ihren Besuchern ein unvergessliches und umfassendes Erlebnis bietet. Bleibt nur noch die Vorfreude auf 2011.

Hier könnt ihr den ersten Teil unseres Festivalberichtes lesen.