Porcupine Tree (Live in Schwetzingen 2023) Fotostrecke starten

Porcupine Tree (Live in Schwetzingen 2023) © Rudi Brand

Die Musik von Porcupine Tree bietet viel, fordert aber auch aufgrund des komplexen Sounds und der ständigen Wechsel der Spielarten viel vom Publikum. Wer sich darauf einlässt, erlebt großen Genuss und eine durchdringende Kraft.

In Schwetzingen spielen Porcupine Tree das letzte Konzert der aktuellen Reunion-Tour. Die Zuschauer sind bereit, blicken gleichzeitig noch entspannt in den Himmel. Die Wolken reißen auf, die Sonne lugt hindurch. 

Wild und hypnotisch

Porcupine Tree legen gleich mit dem ersten Song "Blackest Eyes" ein starkes Opening hin. Das rockige Gitarrengewitter wird immer wieder durchbrochen, wenn Steven Wilson mit seiner hypnotischen Stimme die Emotionen schwingen lässt.

Mit kleinem Augenzwinkern kündigt er für "Harridan" den "invisible funky bass player" an. Der traurige Hintergrund ist, dass Bass-Gitarrist Nate Navarro aus familiären Gründen die Tour vorzeitig abbrechen musste. Daher wird sein Part vom Band zugespielt. Der Atmosphäre schadet es nur minimal. Der dynamisch, sphärische Sound wird immer wieder von kleinen, explosionsartigen Ausbrüchen der Instrumente angeheizt. 

Das Video dazu endet mit einem gehängten Körper an einem Mast, der am staubigen Straßenrand in der Einsamkeit steht. Die Flut der Bilder passt zum anspruchsvollen musikalischen Ritt mit seinen permanenten Wechseln im Tempo und bei der Lautstärke. 

Tiefgründig

Die fesselnde, emotionale Ballade "Of The New Day" bricht aus in einen Sturm der heulenden Gitarren, wobei der tiefgründige Pathos des Songs zu keiner Zeit verloren geht. Es folgen zwei Songs aus dem Album "Deadwing".

Selten live gespielt in den letzten 18 Jahren strahlt "Mellotron Scratch" mit seinen schrägen Klangbildern eine faszinierende Tiefe aus. Die komplexen Soundstrukturen, die scheinbar voller Gegensätze stecken, liefern eine ausdrucksstarke Balance von Gesang und Soundelementen.

Ebenso stark ist das kraftvoll, energetische "Open Car". Das Publikum wird von der hämmernden Wucht von Schlagzeuger Gavin Harrison mitgerissen. Gleichzeitig peitschen Steven Wilson und Gitarrist Randy McStine im Doppel ihre Riffs durch den Song. 

Erinnerung

Mit "Dignity" zeigt die Band erneut ihre Bereitschaft, den inneren Schmerz nach außen zu kehren. Auf der Videowand sehen die Zuschauer in schwarz und weiß einsame, oft obdachlose Menschen auf der Straße. Steven Wilson taucht zu sehr ruhigen Tönen stimmlich tief in die Emotionen seines Publikums ein. Aber auch dieser Song endet wieder mit einem gefeierten Gitarrengewitter.

Bei so vielen Emotionen blickt Steven Wilson kurz zurück auf seine musikalischen Anfänge in Deutschland. Er erinnert an sein erstes Konzert in München vor 30 Zuschauern. Seitdem gab es viele Shows und die zahlreichen Tour-Shirts vergangener Jahre, die von so manchem Zuschauer in Schwetzingen getragen werden, zeigen den langen Weg bis heute.

Kunstwerk

Eine echte Mitsinghymne ist das rhythmische "The Sound Of Muzak". Das Publikum lässt sich vom Schlagzeuger antreiben. Sie singen, feiern und klatschen laut mit. Deutlich intensiver ist dann "Last Chance To Evacuate Planet Earth Before It Is Recycled". Neben der Live-Musik dominert ein mitlaufendes Sprech-Video den Song.

Dieses Videokunstwerk zeigt den Teil einer Rede des Führers der Sekte Heaven's Gate. Der auch als Do bekannte Marshall Herff Applewhite trieb seine Anhänger 1997 in einen kollektiven Selbstmord. Die sicher nicht leichte Kost erntet durch ihre musikalische Strahlkraft dennoch viel Applaus.

Zum Abschluss des ersten Sets spielt eine einsame Gitarre die Melodie von "Chimera's Wreck". Fein gezupft dreht der Sound zum hypnotischen Gesang immer mehr auf. Gesang und Musik steigern sich parallel immer weiter, der Energielevel steigt und am Ende gibt es lauten Applaus des Publikums.

Im Dauerregen

Die Pause hat der Himmel genutzt und pünktlich zum Beginn des zweiten Sets prasselt heftiger Regen auf die Zuschauer nieder. Allerdings passt das Wetter perfekt zur Stimmung, denn wie sich der Himmel öffnet, so öffnet "Herd Culling" den Blick in die Finsternis.

Es ist ein ständiges Wechselspiel aus einmal sanfter und doch kraftvoller Musik, die einsame Hügel und Sonnenuntergänge am Hang auf dem Video zeigen. Zieht die Musik an, wird es dunkelrot und ein schwarzer Wolf mit feuerroten Augen durchstreift das Land. So faszinierend, so kraftvoll und ausdrucksstark.

Für das episch lange "Anesthetize" verspricht Steven Wilson seinen hart aushaltenden Fans, dass sie nach diesem über 15 Minuten langen Song noch wesentlich nasser sein werden. Exakt das passiert. Das hält die Zuschauer aber nicht davon ab, mit Pommesgabeln und wehenden Haaren zu springen und zu tanzen.

Andere Töne

Nach so viel intensiver Kraft ist "I Drive The Hearse" so ganz anders. Steven Wilson spielt eine Akustik-Gitarre und singt ganz ruhig eine intensive Ballade, die von Randy McStine an der Lead-Gitarre mit kleinen Einlagen gewürzt wird.

Das wilde und viel beklatschte "Sleep Together" bildet den Abschluss des zweiten Sets. Mit seiner hypnotischen Kraft und der kaum zu stoppenden Energie fesselt es das Publikum. Dem doppelten Keyboard und Synthiesound von Steven Wilson und Richard Barbieri bei "Collapse The Light Into Earth" folgt das absolute Highlight des Konzerts.

Der gewaltige Sound von "Halo" ist ein Ausbruch an Energie, der das Publikum total ausrasten lässt. Sie springen, wippen und tanzen voller Energie und Leidenschaft. Das Finale ist mit "Trains" der Song, der laut Steven Wilson einer Hit-Single am ehesten nahe kommt. Die eindringliche Melodie und der Gitarrensound von Steven Wilson, erneut an der Akustik-Gitarre, runden das Konzert perfekt ab.

Setlist

Set 1: Blackest Eyes / Harridan / Of The New Day / Mellotron Scratch / Open Car / Dignity / The Sound Of Muzak / Last Chance To Evacuate Planet Earth Before It Is Recycled / Chimera's Wreck

Set 2: Herd Culling / Anesthetize / I Drive The Hearse / Sleep Together // Collapse The Light Into Earth / Halo / Trains

Alles zu den Themen:

porcupine tree musik im park