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Danzig (live beim Wacken Open Air, 2018) © Natalie Laube

Trotz schwächelndem Start und durchwachsenem Sound weiß die Jubiläumsshow von Danzig in Wiesbaden zu überzeugen - nicht zuletzt dank der zahlreichen Klassiker der ersten vier Alben, die die Band im Schlachthof leidenschaftlich präsentiert.

Was musste der gute Mann schon alles erdulden. Wegen seiner 1,60 m Körpergröße gepaart mit seiner Muskelmasse wahlweise als Düsterzwerg, Schinkengott oder Schlimmeres tituliert, wegen einiger – sagen wir‘s mal vorsichtig – eher durchwachsenen Danzig-Releases von der Fachpresse zerrissen, zuletzt gar zum Gespött der Internet-Community gemacht, die sich an Katzenfutterkauf-Fotos erheitert oder eigene Meme-Seiten auf Facebook erstellt.

Scheues Wesen

Kein Wunder, dass Glenn Danzig inzwischen etwas gegen Fotoaufnahmen hat. Einen besonders aufdringlichen Fan hat er deswegen sogar schon einmal recht rabiat in die Schranken verwiesen.

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass bereits die Securities am Schlachthof-Eingang darauf hinweisen, dass das Fotografieren heute strengstens verboten ist. Entsprechende Hinweisschilder weisen im Inneren erneut darauf hin. Nun ja, da ist man also gezwungen, das Handy stecken zu lassen und sich ganz dem Moment zu widmen. Eigentlich auch ganz sinnvoll.

Vorfreude wächst

Den Anfang machen an dem Donnerstagabend Stoned Jesus, und was die Ukrainer da bereits zu früher Stunde rausblasen, kann sich durchaus hören lassen. Ihor Sydorenkos Gesang erinnert stellenweise sehr an den des Headliners. Dazu gibt’s schwere, bluesgeschwängerte Riffs, doomig-groovende Passagen und dafür wiederum jede Menge Zwischenapplaus aus der schon jetzt mehr als gut gefüllten Halle.

Die Stimmung am Ende des Sets ist sogar so gut, dass das anschließende recht lange Warten auf die Hauptprotagonisten des Abends nicht schwerfällt. Die Vorfreude hängt in der ausverkauften Halle unter dem ikonischen Schädelbanner spürbar in der Luft. Unter diesem erschien vor 30 Jahren auch das schlicht "Danzig" betitelte Debut.

Zitterpartie

Doch was dann kommt, weckt erst mal Skepsis: Nach dem durchwachsenen "SkinCarver", das dem Mann am Mischpult wohl noch als Line-Check-Experiment dient, folgen zunächst zwei Songs vom aktuellen Album "Black Laden Crown", die leider auch etwas seelenlos und im schwammigen Soundgewand daherkommen. Da ist definitiv Luft nach oben.

Dem Großteil der Fans in den ersten Reihen scheint das wiederum herzlich egal, frenetisch wird mitgegrölt, die Menge zuckt und brodelt – immer mal wieder beleuchtet von den Taschenlampen der Securities, die ihren Job als Foto-Verhinderer sehr ernst zu nehmen scheinen.

Aufatmen

Dann: Ein kollektives Aufatmen bei der Die-Hard-Fraktion. Alles nur Warm-Up. Mit Twist of Cain beginnt der schwarze Reigen erst so richtig, und ab da lautet die Devise konsequent „I bis IV“ – also Songs von den Alben, mit denen die Solokarriere des ehemaligen Misfits- und Samhain-Frontmanns eigentlich startete, allesamt Meilensteine in der inzwischen 30-jährigen Bandgeschichte.

Atemlos

Die wiederum ist natürlich nicht ganz spurlos am Meister vorbeigegangen. Wer also erwartet hat, dass Glenn Danzig stimmlich noch an alte Tage anknüpfen kann, sieht sich vielleicht enttäuscht darüber, dass nicht mehr jeder Ton so sitzt, wie er eigentlich sollte. Aber der Mann war eben schon immer mehr Punk als Metaller, mehr Entertainer als Perfektionist. Inzwischen ist er immerhin auch 63 – ein Alter also, in dem andere es schon deutlich ruhiger angehen lassen.

Eigentlich ist das auch alles gar nicht so wichtig. Danzig-Fans sind schließlich äußerst textsicher, so dass das Publikum über weite Teile einfach den Gesangsjob übernimmt, wenn der Maestro mal wieder von spontaner Atemlosigkeit geplagt wird. Wenn man dazu die Dimension der Schlachthofhalle und den durchgehend durchwachsenen Sound ausblendet, hat das Ganze durchaus einen punkigen, fast schon intimen Charakter.

Hits am Fließband

Prong-Gitarrist und Langzeit-Danzig-Kollaborateur Tommy Victor schafft es zudem – trotz seines wesentlich metallischeren Sounds – die ursprünglich minimalistisch-bluesigen Riffs der Songs gebührend brachial in die Gehörgänge zu hämmern. "Am I Demon", "Under Her Black Wings", "Tired Of Being Alive" und "How The Gods Kill" – Klassiker reiht sich an Klassiker.

Zeit zum Durchatmen bleibt kaum, und im konstant bestehenden Moshpit fließt der Schweiß in Strömen. Oh, what a Dirty Black Summer! Spätestens als dann zum großen Finale die ersten Akkorde der Mutter aller Danzig-Hymnen durch die Halle dröhnen, fühlt sich wohl jeder der Anwesenden bemüßigt, dem Sänger unter die Arme zu greifen: "Mother, tell your children not to walk my way…"

A long way back from Hell

Der Zugabeblock beginnt mit "She Rides" und am Schluss gibt’s noch einen Song vom Zweitling "Lucifuge": "It’s a Long way back from Hell". Ja, 30 Jahre sind tatsächlich eine lange Zeit und das Konzert des Abends ist wohl auf eine gewisse Art repräsentativ für die Karriere des Protagonisten: Viele Höhen, einige Tiefen, etwas Eigenbrötlerei und jede Menge Leidenschaft. Daumen hoch, Glenn! Mutter wäre stolz.

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