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Impressionen von der re:publica 2018 in Berlin © Jan Zappner/re:publica

Der Internet-Kongress re:publica in Berlin erfuhr 2018 seine 12. Auflage. Das diesjährige Motto lautete "POP" – ein Begriff, der nicht besser hätte gewählt werden können, da er trotz seiner Kürze die Vielfalt und Tragweite der Veranstaltung transportiert. Wir fassen die re:publica 2018 anhand der unterschiedlichen Lesarten ihres Mottos zusammen.

POP für "Let’s POP the bubbles"

Eine der wichtigsten Zielsetzungen der re:publica besteht darin, Filterblasen platzen zu lassen und einen Austausch innerhalb der Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Dabei geht es nicht nur darum, die Besucher mit unterschiedlichen Themen zu konfrontieren, die sie im alltäglichen digitalen Dasein nicht in dieser Breite erfahren, sondern insbesondere auch darum, eine Plattform zu schaffen, auf der alle relevanten Akteure der digitalen Gesellschaft zusammenfinden, um sich auszutauschen.

Auf 19 Bühnen finden Workshops, Vorträge und Diskussionen mit rund 600 internationalen Sprechern aus über 60 Ländern satt, was ein in Summe einen Programmzeitraum von 500 Stunden abdeckt. Von Youtubern, Instagram-Influencern über Online-Journalisten, Netzaktivisten, Daten-Analysten und Blockchain-Spezialisten bis hin zu Nachrichten-Promis der Öffentlich-Rechtlichen tummelt sich in der STATION Berlin alles, was Rang und Namen hat und/oder im letzten Jahr mit digitalen Themen in Verbindung gebracht wurde.

Auf der Liste der Speaker und Teilnehmer steht daher ein Entertainer und Satiriker wie Jan Böhmermann ebenso wie die Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar und Harald Lesch, Nachrichtenleute wie Dunja Hayali und Thomas Bellut ebenso wie die Akteure der ersten Stunde, darunter Sascha Lobo und Markus Beckedahl.

Kein Wunder, dass Whistleblower wie Chelsea Manning in dieser Gesellschaft einen ganz besonderen Status genießen und frenetisch gefeiert werden – sind sie es doch, die unter erheblichen Risiken die ganz großen Filterblasen zum Platzen bringen und somit dem Begriff "POPstar" eine ganz neue Bedeutung verleihen.

POP wie POPulär

Punk war gestern – es lebe der POP. Die re:publica hat ihr punkig-loboeskes Image längst nicht abgelegt, jedoch salonfähig gemacht. Der Iro ist nicht mehr nur ein politisches Statement, sondern ebenso eine Marke. Auf das Kongressprogramm übertragen bedeutet dies, dass neben den gesellschaftspolitischen Internet-Diskursen auch immer ökonomische Aspekte thematisiert werden. 

Da sich die rasant voranschreitende Digitalisierung unserer gesamten Gesellschaft auf nahezu alle Bereiche unserer Realität auswirkt, lässt sich ein Kongressformat wie jenes der re:publica nicht nur auf einzelne Nischen reduzieren.

Vor diesem Hintergrund ergibt es durchaus Sinn, dass die Media Convention Berlin seit 2014 parallel in derselben Location stattfindet. Deren Programm lässt sich nahtlos an die re:publica andocken und trägt sicherlich auch zur wachsenden Popularität des Events bei. Laut Angaben der Organisatoren waren dieses Jahr im Durchlauf stolze 19.500 Besucher auf dem Gelände.

POP wie POPulismus

Diese Lesart des diesjährigen Mottos wird den Besuchern spätestens mit Sascha Lobos eindringlicher Rede klar. Mit einem deutlichen Appell richtet er sich an die sozial-liberale Zivilgesellschaft, um deren Akteure zu mehr Engagement im Kampf gegen populistische Strömungen zu mobilisieren.

Das Internet als Transportmittel für Hassbotschaften und manipulative Fehlinformationen ist durch den Siegeszug der Sozialen Netzwerke sowie deren Anteil am politischen Erfolg so mancher Populisten ein nahezu omnipräsentes Thema, das in zahlreichen Sessions und Vorträgen aufgegriffen wird.

Das passierte auch in der Podiumsdiskussion "Reconquista Internet", zu der Jan Böhmermann per Videoleinwand zugeschaltet war, um gemeinsam mit Rayk Anders und Patrick Stegemann über ihre Recherchen zum rechtsextremen Troll-Server "Reconquista Germanica" zu diskutieren und ihre Gegenoffensive "Reconquista Internet" vorzustellen. Dieses gemeinsame Agendasetting zog in Windeseile fast 50.000 Unterstützer an.

POP wie Power Of the People

Das Netz wurde einst als das Medium gefeiert, das freiheitlich-demokratische Werte wie zum Beispiel Meinungsvielfalt und Transparenz nachhaltig unterstützt. In den vergangenen Jahren ließ sich jedoch feststellen, dass über das Internet durchaus auch anti-demokratische Kräfte gestärkt, Nutzerdaten missbraucht und Meinungsbildung manipuliert werden kann.

Dieser Entwicklung wird auf der re:publica in zahlreichen Veranstaltungen Rechnung getragen. Das erkennbare Ziel dabei ist Aufklären, mit Mythen aufräumen und die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, das positive Potenzial des Internets wieder zurück in die Hände der sozial-liberalen Zivilgesellschaft zu legen.

Dies kann nur gelingen, wenn Filterblasen platzen – hier schließt sich der Circle of POP –  und ein vertrauensfördernder Austausch zwischen allen Akteuren aus den Bereichen Medien, Politik, Plattformbetreiber, Werbebranche etc. stattfindet. Genau aus diesem Grund ist ein Kongress wie die re:publica auch so außerordentlich wichtig.

Internationalisierung der re:publica

Bleibt zu hoffen, dass die Community rund um die re:publica nicht selbst in einer überdimensionalen, immer größer werdenden Blase sitzt, sondern den Geist der Veranstaltung möglichst laut in alle Bereiche unserer Gesellschaft trägt. Da die Digitalisierung keine Landesgrenzen kennt, suchen die Veranstalter stets nach neuen internationalen Standorten, an denen der Spirit der re:publica frische Wurzeln schlagen kann.

Nachdem bisher bereits Dublin und Thessaloniki auf die re:publica-Karte gesetzt wurden, kamen 2018 noch Ghana und die USA hinzu. Die Veranstaltung in den USA wird im Rahmen des "Deutschlandjahrs USA" stattfinden und in Partnerschaft mit dem Reeperbahnfestival und dem next media accellerator geplant.

Aus der einst 700 Blogger großen Grass-Roots-Bewegung heraus hat sich also ein Netzwerk mit internationaler Bedeutung entwickelt. Es wäre jedoch wünschenswert, dass sich zukünftig noch mehr politische Mandatsträger und Verantwortliche aus weiteren zivilgesellschaftlichen Bereichen einfinden, um sich den Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft öffentlich und auf Augenhöhe dem Publikum der re:publica zu stellen – so dass auch die letzten Blasen noch platzen.

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