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Angus & Julia Stone (live in Wiesbaden 2017) © Saron Duchardt

Die beiden australischen Geschwister laden am Sonntag Abend im Schlachthof in Wiesbaden zum gemeinsamen Entspannen auf Byron Bay-Wellen ein. Gerne nimmt der ausverkaufte Schlachthof die Einladung an um sich von "Snow", dem aktuellen Album der Stones, entführen zu lassen.

Angus & Julia Stone sind erwachsen geworden. Bei ihrem Konzert im Schlachthof Wiesbaden geben sie sich routiniert und professioneller, bleiben aber trotzdem autentisch – und sorgen so für einen entspannten Abend zum Abschalten. 

Mit der Tür ins Haus 

Die Reduzierung "Keine Offenbarung, aber dennoch sehr schön anzuhören" steht symptomatisch für den Abend im ausverkauften Schlachthof und somit auch für den Opening-Act Isaac Gracie. Der junge Brite erfindet zwar nichts neu, erreicht das Publikum dennoch mit seinem Gespür für starke Melodien und mit seiner ausdrucksstarken, reifen Stimme.

Im Widerspruch zur bluesigen, vernuschelten Attitüde des Musikers mit den leicht fettigen langen Haaren steht allerdings die zwar unaufdringlich eingespielte, aber dennoch zu glatte Playback-Unterstützung der dreiköpfigen Band vom Band. Da wäre weniger wohl mehr gewesen. Dennoch kann man hoffen, dass in Zukunft mehr von dem gelegentlich mit Jeff Buckley verglichenen Sänger und Songwriter zu hören ist.

Ein Teil davon sein

Bei einem Angus & Julia Stone-Konzert gelten eigene Regeln. Das Duo eröffnet nicht mit einem Hit oder einer Single, um dem Publikum sofort zu beweisen, dass es die richtige Entscheidung war, für diesen Abend eine Karte zu kaufen. Bei einem Angus & Julia Stone Konzert geht es um den Vibe, um das Eintauchen in ihre eigene Klangwelt und den damit verbundenen Lifestyle.

Schon erwischt: innerhalb von zehn Sekunden ist es der sechsköpfigen Band gelungen, per Kopfsprung in diese zeitlose, sphärische und immer rhythmisch pulsierende Welt einzutauchen, von der die beiden Hauptcharaktere des Abends zunächst nicht mehr als ein Puzzleteil zu sein scheinen. 

Australischer Schnee

Beginnend mit "Baudelaire", "Make It Out Alive" und "Chateau" stehen zunächst Songs ihres neuen Albums "Snow" im Mittelpunkt. Das erstmals von den Geschwistern selbst produzierte Album führt zwar den charakteristischen Sound der beiden fort, es zeigt sich aber schnell, dass die Songs für Konzerte oft nicht greifbar genug sind.

Die ohnehin den Publikumskontakt meidenden Geschwister verschwimmen mit den Songs auf der Bühne und wirken teilweise komplett in ihrer eigenen Welt. Mit älteren Songs wie "Heart Beats Slow" oder "Wherever You Are" scheinen sie dann doch in Wiesbaden anzukommen und den Raum immer mehr mit ihrer Präsenz zu erfüllen. 

Unter einem guten Stern

Bewacht von einem beeindruckend großen Totempfahl mit Adlerkopf und schützend ausgebreitenden Flügeln trägt der typische Angus & Julia Stone-Train-Beat das Publikum in eine bessere Welt, in der Menschen sich respektvoll begegnen, in der man einander zuhört und in der Zeit ist für Mundharmonikasoli und Blumenstraußpflücken. 

Der stimmige Byron Bay-Style durchzieht von den Outfits über die Wahl der Gitarrengurte bis hin zum Sonnenuntergang hinter dem Totempfahl das gesamte Bühnenbild. Und während bei intimeren Folksongs die Konzentration allein auf dem Duo liegt, perfektioniert der Sternenhimmel bei emotionalen Momenten wie dem Countrysong "Nothing Else" das Gesamtbild.

Aufwachmomente

Musikalisch überzeugen neben den beiden Multiinstrumentalisten Angus und Julia auch die anderen Mitglieder der eingespielten Band, die nicht nur eine vielseitige Klangwelt konstruieren, sondern auch stimmlich die perfekte Klangfarbe zu dem sanften, zerbrechlichen Gesang der Stones beisteuern. 

Innovativ zeigen sie sich auch in ihren Arrangements, die von drei Bässen über sphärische Trompetensoli und Drum-Machine-Einsätze  bis hin zu Banjo Einlagen mit Sitarsound reichen. Diese musikalischen Ausbrüche aus dem durchgehend fließenden Sound bilden absolute Highlights des Abends.

So fällt beispielsweise der schon ältere Song "Private Lawns" aus der Reihe, der neben den orientalisch anmutenden Klängen des Banjos im Einklang mit Julias sinnlichem Gesang und Tanz auch rhythmisch für Abwechslung sorgt. 

"Ik habe ein Lied fur euk"

Den unbestreitbaren Höhepunkt des Abends bildet jedoch Julias gefühlvolle Interpretation des Lindenberg-Liedes "Durch schwere Zeiten". Mit einer langen Ansage auf Deutsch entdeckt sie die Macht ihres mädchenhaften Charmes wieder und schafft so eine herzliche Nähe zum Publikum.

Während davor manch einer das süße, schüchterne Genuschel der Geschwister zwischen den Liedern für Show und einstudiertes Sympathiepunktesammeln gehalten haben könnte, gewinnt durch diesen Song das Gefühl der Authentizität die Oberhand. 

Weils so schön ist

Jetzt wo alle miteinander warm geworden sind, wird es erst richtig schön. Es wird miteinander gesungen, es werden Geschichten erzählt und in der Zugabe sogar Publikumswünsche angenommen und improvisiert. Wenn das Wort "Entschleunigung" doch noch salonfähig wäre...

Während im Hintergrund die Sonne im Meer versinkt und die Gedanken mit den Teils nur gehauchten Melodien der Geschwister davon fliegen, erwischt sich wohl der ein oder andere bei dem Wunsch: "Angus und Julia Stone müsste man sein..."

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