Kaleo (2017)

Kaleo (2017) © Warner Music Group

Den Freitag beim SWR3 New Pop Festival 2017 eröffnet Wincent Weiss und sorgt für Kreischalarm bei den Teenies. Nach einem eher durchschnittlichen Konzert von Anne-Marie sorgen JP Cooper und anschließend Kaleo für zwei grandiose Highlightkonzerte.

Schon bei den ersten Songs von Wincent Weiss gehen die jungen Fans im Teeniealter seine Lieder enthusiastisch mit. Bei "Mittendrin" singen sie den Refrain, bei "Unter meiner Haut" wird der Rhythmus mitgeklatscht. Stimmungsvolle Akustik-Balladen mit Keyboard und Cello bei "Regenbogen", die vom Publikum mit Handylichtern illuminiert werden, gehören ebenso zum Repertoire wie die Einlagen des Keyboarders, der englisch singend stimmlich den Hauptact sogar übertrumpft. 

Dafür glänzt Wincent Weiss mit sehr viel Charme und Selbstironie. Sein Medley aus deutschen Größen wie Cro, Mark Forster und Max Giesinger enthält auch eine nicht ganz ernste Rap-Einlage und eine Highspeed-Version von "Geiles Leben" von Glasperlenspiel.

Die ganze Band ist durchaus unterhaltsam. Am Ende kommen die Hits "Musik sein" und "Feuerwerk", die natürlich auch lauthals mitgesungen und mitgefilmt werden. Ein launiges Teeniekonzert mit gutem Spaßfaktor, aber ohne die ganz großen musikalischen Highlights.

Anne-Marie erst am Ende stark

Die erste halbe Stunde des Konzerts von Anne-Marie plätschert so ein wenig dahin. Der Applaus bleibt trotz trotz treibender Elektrobeats und jeder Menge Band-Power eher mäßig. Vielleicht auch ein wenig von der Aufregung der TV-Aufzeichnung beeinflusst, wirkt die Show eher konzentriert abgespult als entspannt und locker.  Zudem klingen die ersten Songs alle relativ ähnlich ohne den großen Wiedererkennungswert.

So entsteht kaum emotionale Bindung zum Publikum. Erst mit "Either Way" scheint sich diese Anspannung zu lösen und die Stimmung wird allmählich besser. Das ist aber auch kein Wunder, denn der Song beruht auf einer Zusammenarbeit mit dem bekannten House-Duo Snakeships, die ebenso für andere Stars wie The Weeknd produzieren.

Zu wenige gute Songs

Auch die Hits, die beim Publikum dann endlich für gute Stimmung sorgen, stammen meist aus fremder Feder. Der Ohrwurm "Rockabye" ist von Clean Bandit, die 2014 live beim SWR3 New Pop Festival ein Hammerkonzert gespielt haben und ihre Fähigkeiten als Hitmaschine längst bewiesen haben. Hier geht das Publikum richtig ab.

Das setzt sich nahtlos fort bei "Ciao Adios". Die Zuschauer auf den Rängen stehen und feiern diesen Hit, der mitproduziert wurde von Mason Levy, der an vielen Projekten von Maroon 5 und Justin Bieber beteiligt ist. So bleibt der Eindruck von Anne-Marie als einer Sängerin mit guter Stimme, die aber noch zu wenig gutes Songmaterial hat. 

JP Cooper spielt großartig auf

Songwriter und Sänger JP Cooper liefert im randvollen Theater dann eine Show, die das komplette Gegenteil zum vorherigen Konzert von Anne-Marie ist. Jeder Song ist ein Ohrenschmeichler, ein perfektes individuelles Songwriting. Schon beim Opening gehen die Zuschauer komplett ab. Die Gitarren liefern die Akzente für die ausgefeilten Melodien und auch der zweite Song "Closer" klingt perfekt mit der samtweichen Stimme von JP Cooper, die sich so schön an die Melodie anschmiegt. Dabei ist das Konzert keineswegs eine Balladentour. JP Cooper steigt auch auf die treibenden Rhythmen und groovigen Beats ein und zeigt kleine Tanzeinlagen wie bei "She's On My Mind", während die Zuschauer mitwippen. 

Die wunderbar getragene Melodie von "Colour Me In Gold" hält die Zuschauer wie in einem Schwebezustand. Als Kontrast gibt es wieder Dancebeats bei "Perfect Strangers", den JP Cooper gemeinsam mit Jonas Blue aufgenommen hat. Hier setzen die Gitarren wieder die Akzente und am Ende ballern die Beats des Schlagzeugers los. Die neue Single "September Song" mit ihrer eingängigen Melodie läuft schon jetzt im Radio rauf und runter. Die Zuschauer feiern den Song von Anfang an mit, klatschen bis zum Ende durch. Ebenso geht das Publikum bei "Passport Home" mit, angetrieben von den akzentuierten Gitarrenriffs.

Nach diesem Song geht JP Cooper von der Bühne, kommt aber direkt zurück, weil die Zuschauer stürmisch eine Zugabe fordern. Die vom Keyboard untermalte Akustik-Ballade "In The Silence" ist getragen von seiner Samtstimme nochmal eine echter Gänsehautmoment. Es ist das erste von zwei absoluten Highlightkonzerten, das zweite folgt direkt im Anschluss.

Kaleo hauchen dem Blues-Rock Leben ein

Der schon von vielen Kritikern totgesagte Blues-Rock erlebt seit einigen Jahren eine Frischzellenkur. Angeführt von Stars der Szene wie Joe Bonamassa zeigen Kaleo mit ihrer modernen Mischung aus Blues, Rock und Country, dass der Blues-Rock äußerst lebendig ist. Der kantige Blues-Rock mit seinen scharfen Gitarrenriffs wird von einer dunkel röhrenden Stimme untermalt. Auch die feineren Gitarrenklänge von "Broken Bones" mit den aufheulenden Riffs lassen das Publikum mitgehen.

Das steigert sich nochmal durch die Power des Uptempo Rocks, der dann von einigen entspannteren Songs abgelöst wird. Nun wechselt der Stil eher zum lockeren Blues-Rock mit zahlreichen Elementen aus der Country-Musik. Mit Mundharmonika und Country-Gitarren bewaffnet zeigen Kaleo eine beeindruckende Musikalität. Nach drei Songs wird die Gangart wieder härter und rockiger.

Schnellfeuergitarren

Die kurzen Stops der Gitarren, die bei "No Good" immer wieder neu ansetzen, heizen das Publikum mächtig auf. Das Publikum ist begeistert, schreit und pfeift nach Kräften. Kaleo tanzen und springen, geben immer mehr Vollgas. Dann ertönen die Klänge von "Way Down We Go". Die Zuschauer gehen ab und singen mit, angefeuert von Kaleo, die live bei diesem Song noch mehr Power reinlegen als in der Radio-Version. Vor allem die Stimme von Sänger Jökull Júlíusson pusht hier auf einem ganz hohen Level.

So angeheizt geht es mit weiteren Speedriffs hinein in die stürmisch geforderte Zugabe, die mit "Rock'n'Roller" die nächste Schnellfeuereinlage an Gitarrenriffs liefert. Das Publikum ist restlos begeistert und wollen Kaleo nicht gehen lassen, aber nun ist es vorbei. Schade, aber es gibt ja noch Tag 3 beim SWR3 New Pop Festival 2017.