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Zoe Wees (live beim SWR3 New Pop Festival 2021) © Erik Winkes

Nach vielen Monaten ohne Live-Musik war die Sehnsucht nach Konzerten beim SWR3 New Pop Festival 2021 in Baden-Baden spürbar. Alle Künstler wurden mächtig gefeiert.

Vieles ist neu beim SWR3 New Pop Festival 2021 in Baden-Baden. Bei allen Konzerten, auch im Außenbereich der Open-Air Bühne Kurgarten, herrscht durchgehend Maskenpflicht.

Alle, die vor Ort arbeiten oder einfach die Musik genießen wollen, müssen die Kontrollen zur Überprüfung von Test-, Genesenen- oder Impfstatus über sich ergehen lassen. Daher befinden zwischen den Geschäften auf dem Weg hoch zum Kurhaus diesmal größtenteils keine Gewinnspiel- und Freizeitzonen. Stattdessen dienen die weißen Zelte als Kontrollpunkte.

Neue Open Air-Bühne

Die größte Herausforderung für die Veranstalter bestand darin, eine Ersatzlocation für das Theater zu finden, das in normalen Jahren ein optisches Highlight bildet, aber unter Corona-Bedingungen schlichtweg zu klein ist.

So haben die Organisatoren den Platz zwischen Kurhaus und Trinkhalle in eine Open-Air-Location verwandelt. Die Bühne steht mit dem Rücken zum Vorplatz am Kurhaus, davor befinden sich nicht weniger als 58 Sitzreihen.

Dank trockenem und warmem Wetter entsteht so eine sehenswerte Location, die vor allem am Abend mit der Illuminierung der Laternen punkten kann.

Super Stimmung trotz Distanz

Während es im Festspielhaus bis auf die Stehplätze vor der Bühne und die größeren Abstände zwischen den Sitzplätzen kaum gravierende Veränderungen gibt, ist die größte Auffälligkeit rund um das Kurhaus zu finden.

Außen fehlen neben den Aktionsständen vor allem der große Monitor mit den Live-Streams der Konzerte, die große Bar und die Interviewbühne. Innen im Kurhaus ist der komplette Innenraum bestuhlt, wo sich sonst Körper an Körper im Stehplatzbereich drängeln.

Davon lässt sich das Publikum jedoch nicht negativ beeinflussen und schafft es trotz der Änderungen, aus den Konzerten gefeierte Partys zu machen.

Tom Gregory mit viel Energie

Als Tom Gregory die Bühne im Kurhaus betritt. entfesselt sein mitreißendes Intro trotz Masken, Abstand und festen Sitzplätzen sofort riesige Energie, die sich in den vergangenen 18 Monaten aufgestaut hat. Die eingängigen Melodien und der tanzbare Popsound machen es Tom Gregory leicht, dass Publikum permanent am Limit und in Bewegung zu halten.

Seine immer wieder aufblitzende Stimmgewalt, gepaart mit den rockigen Gitarrenriffs seiner Band, jagen das Publikum bis zum großen Finale. Als schließlich die Melodie von "Never Let Me Down" erklingt, ist trotz Masken im ganzen Kurhaus der Gesang des Publikums zu hören. 

Sigrid mit Startschwierigkeiten

Diesen Energielevel hätte die norwegische Sängerin Sigrid sicher auch gern von Anfang an erreicht. Aber sie tut sich zunächst schwer, das Publikum in der Breite mit ihrem melodischen Popgesang emotional abzuholen.

Erst mit dem akustisch gesungenen "Home To You". bei dem sie selbst am Piano live spielt, schafft sie die emotionale Nähe und Nahbarkeit, die sie mit dem Publikum verbindet. Endlich steigert sich die Begeisterung, um dann mit den letzten Songs "Mirror" und "Strangers" doch noch ein gutes Niveau zu erreichen.

Tanzen mit Alvaro Soler

Die große Party wird dann im Festspielhaus mit Alvaro Soler gefeiert. Gefühlt holen viele Zuschauer in diesem Moment den kompletten Sommer in einer Stunde nach. Mit spanischer Leichtigkeit und energetischem Rhythmus heißt es zu Beginn nur: Tanzen, Tanzen, Tanzen.

Obwohl sich Alvaro Soler teilweise der Stimmung der letzten Monate mit einigen ruhigen Momenten anpasst, sind es doch die schnellen Up-Tempo Songs, die das Konzert dominieren. Nach der großen Tanzparty mit "La Cintura" und "Sofia" gibt es noch eine akustische Zugabe. 

Riesenapplaus für Dotan

Am Freitag beginnt das SWR3 New Pop Festival mit dem Auftritt von Dotan. Der niederländische Multiinstrumentalist überrascht mit einer großen Bandbreite an kraftvollen, sphärischen Klängen. Er spielt Gitarre und zu seinem neuen Song "Satellites" auch Keyboard.

Der opulente Sound untermalt die Dramatik der Musik, die wie gemacht ist als Filmmusik für große Abenteuer oder Liebesgeschichten. Der mächtige Bass und die durchdringende Stimme von Dotan bei "Mercy" erzeugen Gänsehaut. Ebenso fühlt es sich an bei "Numb", als sich aus Kraft und Dramatik seiner Stimme wieder eine solch intensive Energie freisetzt.

Als er zum Schluss auch noch von der Bühne springt und fast bis zum Ende der Sitzreihen im Kurgarten läuft, um das Publikum hochzupeitschen, kennt der Applaus keine Grenzen mehr.

Celeste mit viel Soul

Völlig konträr zu dem extrovertierten Dotan erscheint anschließend Celeste im Festspielhaus auf der Bühne. Sie wirkt extrem schüchtern, schließt auch beim Singen häufig die Augen. Doch kaum fängt sie an zu singen, scheint sie förmlich zu explodieren. Die Kraft ihrer Stimme sind Emotionen aus tiefster Seele. Ihre Vorbilder wie Aretha Franklin oder Ella Fitzgerald schwingen bei jedem Ton mit.

Als sie "Love Is Back" singt, fesselt ihre Soulstimme so sehr, dass man fast den Atem anhält. Bei "Stop This Flame" rastet das Publikum endgültig aus. Sie klatschen, pfeifen und toben bis zur körperlichen Grenze und manchmal darüber hinaus.

Während am Ende "This Is Who I Am" mit seiner tiefgängigen Dramatik wie eine Bewerbung für den nächsten Titelsong für James Bond klingt, beendet sie das Konzert ganz ruhig mit "Strange". Aber auch in dieser Akustikversion, nur begleitet von der Bassgitarre, füllt ihre kraftvolle Soulstimme den ganzen Saal.

Griff mit der Kraft der Jugend

Während die ersten beiden Konzerte sehr erwachsen waren, betritt mit Griff nun jugendliche Unbekümmertheit die Bühne im Kurgarten. Die flippige und fröhliche Sängerin hat ein gutes Gefühl für poppige Melodien. Honigsüß mit bester Laune animiert sie das Publikum zum Mitsingen, greift auch mal zur Gitarre oder spielt am Keyboard akustischen Wohlfühlpop.

Am Ende läuft es auf die Zelebrierung ihres großen Hits "Black Hole" heraus. Der Song, der mit seiner extravaganten Ohrwurmmelodie aus allen anderen Songs klar heraus sticht, ist erwartungsgemäß der meistgefeierte Song des Konzerts. 

Die Giant Rooks rocken

Den Freitag schließen Giant Rooks ab. Die Indie-Rocker aus Hamm geben vom ersten Moment mit mächtig Wumms die Richtung vor. Während der Gitarrist direkt am Anfang auf den Knien landet, hämmert Sänger Frederik Rabe auf einer großen Trommel herum. Durch die fließenden Übergänge zwischen rockigem Gitarrenfestival und fast gehauchten Tönen am Piano entsteht enorm viel Energie.

So pushen sich Band und Publikum gegenseitig hoch. Am Ende tanzen viele Zuschauer zwar am zugeteilten Sitzplatz, aber auf den Stühlen. Die Show endet mit einem spektakulären Finale, bei dem ein Gitarrist auf dem Rücken liegt, der zweite hängt über ihm und spielt, während Frederik Rabe mit seiner Gitarre oben auf dem Piano steht und mit seiner Gitarre Vollgas gibt. Ein irres Finale.

Wirbelwind Zoe Wees

Bei keinem Konzert an der Bühne im Kurgarten stehen so viele Zaungäste wie bei Zoe Wees. Der Wirbelwind aus Hamburg mit den bodenlangen Zöpfen und der außergewöhnlichen Stimmkraft zeigt das beeindruckende Talent schon am Anfang mit "Girls Like Us".

Dunkel und kraftvoll, wie eine Urgewalt, nimmt sie ihr Publikum mit auf eine kontrastreiche Reise. Sie wandelt permanent zwischen persönlichen Geschichten wie bei "Daddy's Eyes" und tanzbaren Powersongs mit starkem Soul und funkigem Groove. Wie erwartet ist ihr Hit "Control" das große Finale, der frenetisch abgefeiert wird.

Wrabel liefert Kontrastprogramm

Das totale Kontrastprogramm ist der Auftritt von Wrabel. Der amerikanische Songwriter und Multiinstrumentalist wirkt wie festgebunden am Mikrofonständer. Wirklich Bewegung kommt von Wrabel nur aus den Armen. Sobald er jedoch anfängt zu singen, zeigt er eine stimmliche und stilistische Bandbreite von größter Qualität, wechselt im Song permanent mit enormen Sprüngen die Tonhöhen.

Neben seinem großen Hit "Nothing But The Love" spielt er Keyboard und singt dabei die Ballade "Poetry". Mit P!NK 2019 auf Tour entstand die gemeinsame Single "90 Days", ein spannungsgeladener Song, der das Publikum im Kurgarten bis zum Schluss in Atem hält. Der komplette Kontrast zu diesem Songwritertitel ist zuerst "London" mit seinen Elementen aus Folk und Countrypop und dann "Magic", eine funkige Disconummer.

Tom Grennan heizt ein

Der letzte Künstler am Samstag ist der Brite Tom Grennan. Eine echte Partygranate, der genau weiß, wie er sein Publikum heiß macht. Mit dem Bühnenrand hält er sich gar nicht erst auf, sondern springt direkt auf die Boxen vor der Bühne. Pausenlos rennt er von Seite zu Seite, heizt die Zuschauer mit seinem Up-Tempo Rock an.

Grennan ist ein hemmungsloser Inszenierer, der seine Männlichkeit mit kraftstrotzender Energie zur Schau stellt, aber mit seiner kraftvollen Stimme auch weichere Seiten offenbart. Die Ballade "Second Time" ist pure Stimmgewalt mit rauem Schmelz. So jagt er sein bis zur Erschöpfung tanzendes Publikum bis zum gefeierten Finale mit seinem Ohrwurm "Little Bit Of Love". Ein würdiges Finale eines verdammt guten Wochenendes in Baden-Baden.

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