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Quincy Jones (live bei den Jazzopen Stuttgart, 2017) © Reiner Pfisterer

Der Abend für Quincy Jones bei den Jazzopen Stuttgart gerät zu einer Hommage an sein Lebenswerk. Für Verwirrung sorgt lediglich die Bezeichnung, aber die Show bietet bis auf einen Aussetzer alles für einen großen Legendenabend.

An einem lauen Sommerabend strömen die Zuschauer zu den Jazzopen Stuttgart, um die Legende Quincy Jones zu ehren. Viele hoffen mit Sicherheit, ihn auch live spielen und singen zu hören.

Falsch gewählter Titel

Genau das geschieht aber leider nicht, so dass "A Tribute for Quincy Jones" ein besserer Titel gewesen wäre als "Quincy Jones & Friends". Denn so wurden möglicherweise falsche Erwartungen geweckt.

Arrangiert ist der komplette Konzertabend von Dirigent Jules Buckley, dem es mit Ausnahme eines Fehlgriffs gelingt, dem Abend eine großartige Struktur zu verpassen. Außerdem hat er die 20 Musiker der SWR Big Band und die 39 Mitglieder des Stuttgarter Kammerorchesters perfekt auf die verschiedenen Solokünstler eingestimmt. Im Ergebnis stimmt jeder Ton und jeder Einsatz der Instrumente.

Das Opening

Zunächst starten die 70 Musiker aus Orchester und Big Band inklusive Dirigent ohne die Solokünstler. Das "Opening Medley" ist klassischer Jazzsound mit dominantem Schlagzeug und einer hervorstechenden Trompete. Bei "Wanna Be Starting Something" präsentieren die Backgroundsängerinnen ihren Soul, der stilistisch sehr stark dem Song "Black Or White" von Michael Jackson ähnelt. Da Quincy Jones für Michael Jackson zahlreiche Hits und Alben mitarrangiert hat, passt das perfekt.

Die Schmuseballade "Just Once" ist das komplette Gegenteil zu "Stuff Like That", denn hier herrscht grooviger Soul vor. Das Saxophon drückt aufs Gas und auch der temporeiche Song "Stomp" überzeugt mit zahlreichen Einlagen. Nach diesem Opening erhalten alle 70 Musiker viel Applaus.

Eine Legende betritt die Bühne

Dirigent Jules Buckley kündigt dann Quincy Jones an. Sofort steht die gesamte Arena und alle klatschen minutenlang aus Respekt vor der Lebensleistung dieses großartigen Musikers. 84 Jahre ist er inzwischen alt und schon seit den 1940er Jahren hat er sein ganzes Leben der Musik gewidmet.

Mit seinem Jugendfreund Ray Charles hat er gemeinsam in einer Band gespielt. Gearbeitet hat er mit Größen wie Count Basie, Duke Ellington, Frank Sinatra, Aretha Franklin und später mit Michael Jackson. Daneben produzierte er die Filmmusik für zahlreiche Blockbuster wie "In der Hitze der Nacht", das Original des Sklavendramas "Roots" in den 1970er Jahren und "Die Farbe Lila". 

Auftakt mit Jacob Collier

An diesem Abend fungiert Quincy Jones als Moderator und kündigt mehrere Künstler an, die an diesem Abend viele von ihm produzierte Songs singen und spielen. Den Auftakt macht Jacob Collier. Er sitzt am Klavier und rückt seine Kopfstimme hoch mit dem Auftakt "Human Nature" von Michael Jackson. Bei "Don't You Know" lässt er seine Finger über die Tasten des Klaviers fliegen. Schon hier sticht das perfekte Zusammenspiel mit Orchester und Big Band hervor.

Leider kippt die Stimmung dann bei "In The Real Early Morning" ein stückweit weg. Denn dieser schwere, fast einschläfernde Song erinnert fatal an ein Weihnachtslied und passt so gar nicht zur Stimmung einer lauen Sommernacht. Es ist der einzige echte Fehlgriff im Arrangement. Erst als das Orchester am Songende aufdreht, werden die betäubten Zuschauer wieder wach.

Die große Soullady

Als zweite Solokünstlerin des Abends kündigt Quincy Jones seine Freundin Dee Dee Bridgewater an. Die weltbekannte Jazz- und Soulsängerin beginnt ihre Show mit "I'm Beginning To See The Light", einer Hommage an Ella Fitzgerald. Sie öffnet ihre grandiose Soulstimme und dazu dreht der Jazztrompeter der Big Band auf. Pfiffe und begeistertes Klatschen begleiten den Song. Auch bei "Never Let Me Go" ernten das Saxophonsolo und die herausstechende Trompete immer wieder Zwischenapplaus, unterlegt vom Drama der Streicher und der Stimme von Dee Dee Bridgewater.

Bei "On The Sunny Side Of The Street", einem klassischen Old School Blues, drückt sich die Trompete perfekt aus dem Orchestersound heraus. Ebenso sorgt das Saxophon für die emotionalen Momente bei "Love Me". Ein idealer Big Band Song ist "I Could Write A Book". Während Saxophon und Posaune mit jeweils einem Solo glänzen, untermalt das Orchester die Basismelodie. Bei "Misty" liefert Dee Dee Bridgewater das ganz große Drama, verzaubert und berührt mit ihrer Stimme. Das ist ganz großes Kino. Schließlich moduliert Dee Dee Bridgewater, getrieben vom Piano, ihre Stimme bei "Honeysuckle Rose". Zahlreiche Köpfe wippen mit und schließlich stehen wieder alle Zuschauer auf und spenden Dee Dee Bridgewater Standing Ovations.

Der Gentleman mit Gitarre

Eigentlich hätten die Zuschauer gleich stehen bleiben können. Denn auch der als dritter Künstler angekündigte George Benson wird mit Standing Ovations begrüßt. Der schnelle, rhythmische Sound von "Love X Love" lässt das Publikum sofort mitgehen, während hinten die Backgroundsängerinnen glänzen. Bei Star Of A Story" dreht der Fusiongitarrist an seiner Gitarre auf und zeigt ein gekonntes Fingerspiel. Aber auch seine Stimme sticht immer wieder kraftvoll heraus. Beim fetzigen Rhythmus von "Dinorah Dinorah" begeistert George Benson mit einer tollen Scat-Performance neben der Big Band, die immer wieder ihre Akzente dazwischen setzt.

Zum Duett von "Moody's Mood" holt er Dee Dee Bridgewater dazu. Gemeinsam glänzen sie bei diesem Duett und liegen am Ende Arm in Arm. Rein instrumental ist "Off Broadway". Der fetzige Funk-Rhythmus ist besonders energetisch und mitreißend. Ein weiteres, großartig arrangiertes Stück ist "Everything Must Change". Bei diesem Gefühlsdrama lässt George Benson den Soul sprechen, während das Orchester ganz groß aufspielt. Dafür gibt es Riesenapplaus. Sein Set endet mit seinem großen Hit "Give Me The Night" einem groovigen Up-Tempo Soul. Die Big Band dreht auf und George Benson singt abwechselnd mit den Backgroundsängerinnen. Auch Benson wird verdient mit Standing Ovations verabschiedet. 

Das große Finale

Zum Abschluss kommen alle Solokünstler auf die Bühne und endlich greift auch Quincy Jones aktiv in den Abend ein. Für den letzten Song "Let The Good Times Roll" übernimmt er von Jules Buckley die Rolle des Dirigenten, wie er es schon seit Jahrzenten bei seinen musikalischen Arrangements gemacht hat. Jacob Collier sitzt wieder am Piano und jagt über die Tasten, während Dee Dee Bridgewater und George Benson im Duett diesen Bluesstandard mit Leben füllen und ihre Stimmen mit aller Kraft öffnen. Längst ist der Raum vor der Bühne voll, die Zuschauer sind aufgestanden und drängen nach vorne. Am Ende werden alle Künstler noch einmal mit minutenlangen Standing Ovations geehrt.

Ein gelungenes Ende eines großen Abends der Soul-Legenden und vielleicht auch schon ein kleiner Ausblick auf 2018 – dann feiern die Jazzopen Stuttgart ihr 25jähriges Jubiläum. Das verspricht, ein großes Fest zu werden.

Setlist

SWR Big Band & Stuttgarter Kammerorchester: Opening Medley / Wanna Be Starting Something / Just Once / Stuff Like That / Stomp

Jacob Collier: Human Nature / Don't You Know / Hajanga / In The Real Early Morning

Dee Dee Bridgewater: I'm Beginning To See The Light / Never Let Me Go / Theme From The Pawnbroker / On The Sunny Side Of The Street / Love Me / I Could Write A Book / Misty / Honeysuckle Rose

George Benson: Love X Love / Star Of A Story / Love Dance / Dinorah Dinorah / Moody's Mood / Off Broadway / Everything Must Change / Give Me The Night

Quincy Jones & All Friends: Let The Good Times Roll