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Bullet for my Valentine (live in Karlsruhe, 2015) © Jannik Rulitschka

Bullet For My Valentine liefern in der Substage Karlsruhe ein mehr als solides Konzert ab. Trotzdem scheinen sie nicht vollends mit dem Publikum warm zu werden.

Das Karlsruher Substage ist ausverkauft und kuschelig voll, für ehrliches Headbangen ist nur im hinteren Bereich des Saals Platz.

Perfekte Voraussetzungen für Bullet For My Valentine also, um die Fetzen fliegen zu lassen, denn wenn einer in den vorderen Reihen anfängt sich zu bewegen, müssen Umstehende aus Platznot einfach mitmachen

Solide Vorband: Coldrain

Coldrain aus Japan eröffnen den Abend. Ihre Bühnenpräsenz ist nach japanischer Art perfekt durchgestylt. Auf der Stage stehen fünf ziemlich coole Jungs, jeder mit einem individuellen Kleidungs- und Haarstil. Und obwohl die Band aus Japan kommt, ist der Sänger praktischerweise halb Amerikaner und spricht perfektes Englisch. Wer Bands wie Baby Metal kennt, weiß, dass sowas in Japan durchaus Kalkül sein kann.

Ihre Musik gehört zur emotionalen Variante des Metalcore mit abwechselnd hohen Clean-Vocals und Screams, wobei sich Coldrain nicht scheuen, noch etwas mehr Pop als üblich auf die melodisch-sanglichen Songteile zu packen. Die unterschiedlichen stimmlichen Anforderungen weiß Sänger Masato zu gleichen Teilen souverän zu realisieren.

So rebellisch die Outfits wirken, so höflich und nett gibt sich die Band gegenüber dem Publikum. Zusammen mit einer ordentlichen Performance, bei der lediglich filigranere Gitarrenstellen in der Soundabmischung verschwinden, haben sie das Publikum so bald auf ihrer Seite und bei guter Laune.

Kontrastprogramm mit While She Sleeps

Mit den Nettigkeiten ist es allerdings vorbei, als nach recht langer Umbaupause die zweite Vorband, While She Sleeps, die Bühne betritt. Die fünf Sheffielder gerieren sich sowohl musikalisch als auch in puncto Bühnenerscheinung weit weniger feinfühlig, da wird auch schon einmal auf die Bühne oder ins Publikum gespuckt. Nun mit Metalcore der brachialeren Spielart, fordern sie bereits zum zweiten Song erste Moshpits. Der Ruf wird anfangs zögerlich beantwortet, weiß doch ein jeder, dass publikums-intrinsische Moshpits die schönsten sind.

Einige Songs später kommt das musikalische Tempo aber doch bei der Menge an, die nun auch mit dem Crowdsurfing beginnt. Der anfangs wie bei Coldrain auf den Gitarren etwas schwammige Sound bessert sich ebenfalls. Es wird deutlich, dass das geradezu ekstatische Geknüppel von While She Sleeps sich optimal mit der ersten Vorband ergänzt, um das Publikum bis in die hintersten Reihen auf Touren zu bringen.

Das Publikum wiederum kommt in den Genuss eines mit Hingabe vorgetragenen Sets, bei dem allerlei Gimmicks neben der Musik geboten werden, sei es ein crowdsurfender Sänger, ein Schlagzeug spielender Roadie oder die Aufforderung, sich kollektiv auf die Schultern des Nebenmannes zu begeben.

Professionelle Distanz

Der Start von Bullet For My Valentine fällt dagegen beinahe antiklimatisch aus. Zwar begrüßt das Publikum die ersehnte Band angemessen lautstark, im unmittelbaren Kontrast zu While She Sleeps wirken sie jedoch steif und distanziert, obwohl Frontmann Matt Tuck sogar kollegialerweise ein Shirt eben jener Band trägt.

Man darf annehmen, dass Routine und Professionalität den insgesamt sehr kontrollierten Eindruck zu verschulden haben, den die Waliser machen und mit dem sie das ganze Konzert über die Bühne bringen. Bullet For My Valentine scheinen ihre Bühnenpräsenz bereits größeren Bühnen angeglichen zu haben als der noch relativ familiären Substage und vertrauen auf die Strahlkraft der erhabenen Besonnenheit, statt wie etwa While She Sleeps auf Tuchfühlung zu gehen.

Gut drauf

Ohne dass sie diesen Eindruck ganz ablegen könnten, steigt die Stimmung dennoch immer weiter. Die Band ist gut aufgelegt, musikalisch wie in puncto Stimmung. Das Schild eines besonders begeisterten Fans, das "I want to fuck Matt Tuck" titelt, kommentiert der Angesprochene mit "Wenigstens reimt es sich" und demonstriert es auf der Bühne.

Auch in der Performance zeigt sich die Routine. Die Songs werden sauber runtergespielt und für ein ausgedehntes Gitarrensolo voller Tapping- und Tonleitervirtuosität ist ebenfalls Platz. Über den Gesang, der insgesamt sehr souverän und ohne Stellen, die nur im Studio klappen zu scheinen, lässt es sich schwerer urteilen, denn er ist insgesamt recht leise abgemischt. Ob Absicht oder nicht, Bullet For My Valentine lassen stattdessen die markanten Refrainmelodien und das Publikum für sich singen, sodass kein Song unerkannt oder gar ungewürdigt bleibt.

Zurück bis zum ersten Album

Die Setlist fällt erstaunlich ausgewogen aus, wenn man bedenkt, dass erst im August ihr neues, fünftes Album "Venom" erschienen ist. Nur wenige Hits wie etwa "All These Things I Hate" bleiben aus. Stattdessen geht es quer durch die Diskographie: So werden auch die Hits der frühen Alben wie "Scream, Aim, Fire" und "The Poison" gespielt. Das Intro von "Tears Don’t Fall" beschert eine kollektive Eskalation und nach "Hand Of Blood" endet das reguläre Programm.

Die Zugaben "Your Betrayal" und "Waking The Demon" stehen aber unter einem ähnlich merkwürdigen Stern wie der Beginn. Das Publikum lässt sich erst spät zu Zugaberufen hinreißen. Noch länger lässt die Band sich Zeit, bevor sie wieder auf die Bühne kommt und zum Abschluss noch einmal ein ordentliches Moshpit anfeuert. Das Ende ist symptomatisch für die insgesamt etwas zwiespältige Atmosphäre des Konzerts.

Eine Frage der Erwartungen

Ingesamt war es wohl eine Frage dessen, was man erwartet hat. Wer eine saubere musikalische Performance sehen wollte, dürfte voll auf seine Kosten gekommen sein – und auch zum Moshen und Pogen boten sich genug Gelegenheiten.

Wer sich jedoch erhofft hatte, der Band in den Dimensionen des Substage etwas näher zu kommen, könnte durch die professionelle Distanz eher enttäuscht worden sein.