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Scooter (live in Hamburg, 2014) © Falk Simon

Das letzte Konzert der Tour war ein Heimspiel für Scooter: die Techno-Veteranen fuhren Laser, Flammen und Gitarren auf und ließen die fast ausverkaufte Arena zu 150 beats per minute beben.

Es ist schwer, das wieder aus dem Kopf zu bekommen. Döp, döp, döp, dödödöp döp döp – der Refrain von "Maria (I Like It Loud)". Sogar auf die Leinwand werden die drei Buchstaben geworfen, falls es irgendwer unter den 12.000 noch nicht mitbekommen haben sollte, was er da mitgrölen darf.

Wir sind auf einen ekstatischen Partyabend vorbereitet. Dosenbier und Kräuterschnaps sind die Drogen unserer Wahl. Andere Konzertgänger haben sich ähnlich vorbereitet, doch Grölen und Rumkaspern auf dem durch zugige Tunnel führenden Weg zum Shuttlebus halten sich in Grenzen. Freitagabendekstase, aber geordnet.

Anstrengend gut gelaunte Vorgruppe

Wir haben uns tief in den Hamburger Westen aufgemacht. Der Shuttlebus hält kurz hinter der Müllverbrennungsanlage, neben dem HSV-Stadion. Hier steht die o2-World-Arena. "20 Years of Hardcore" werden heute gefeiert, es steht das Tour-Abschlusskonzert von Scooter an.

Die schlichte Bumsmusik des ewigblondierten Hans Peter Geerdes wurde stets belächelt, doch von den Techno-Innovatoren der frühen 90er ist er einer der wenigen, der noch gut im Geschäft ist. Scooter sind längst auch in intellektuelleren Kreisen akzeptiert. Dafür brauchte es nicht einmal das Thomas-Bernhard-Hörbuch, das Geerdes vor einigen Jahren eingesprochen hat.

Der Abend beginnt mit einer anstrengend gut gelaunten Vorgruppe, einer selbsternannten Blaskapelle, die sich von einem Kräuterschnaps sponsern lässt und diesen auch im Namen trägt. Ihre Medleys aus "Final Countdown, We Will Rock You" und sämtlichen anderen abgestandenen Stadionhits werden schnell zäh.

Zischender Nebel und sinnfreie Dichtkunst

Die Vorband geht, der Vorhang fällt. Die riesige Bühne ist komplett leer, der vielleicht beeindruckendste Anblick des Abends. Da schweben Geerdes alias HP Baxxter und seine Mitstreiter Rick Jordan und Michael Simon ein, der alte Effekt mit den von der Decke herabfahrenden Podesten inklusive zischendem Nebel funktioniert immer noch erstaunlich gut.

Dass HP eigentlich immer hardcore ist, wie im Eröffnungssong "One (Always Hardcore)" postuliert wird, nimmt man ihm sofort ab. Der Mittvierziger stählt sich nach eigener Aussage durch tägliches Lauftraining und hat auch gegen Ende noch genug Puste, die Bühne längs und breit zu berennen.

Das Tanzen überlässt er zumeist seinen Tänzerinnen, zwei blonden und zwei dunkelhaarigen, die Röcke und Haarpracht schwingen, später kommen noch zwei hibbelige Jungs mit Basecaps dazu. Party like it’s 1994.

Entspannung im Oberrang

"Maria (I Like It Loud)" hat sich die Band für den Zugabenteil aufgehoben. Der Song mit dem döpdöp-Refrain ist mehr noch als Titel wie "How Much Is The Fish?" oder "The Question Is What Is The Question?" der Inbegriff der völlig sinnfreien, beinahe dadaistischen Dichtkunst Geerdes‘.

"Man kann so gut abspannen dabei", sagt Steffi aus Hamburg, sie hört die Musik von Scooter, seitdem sie 10 Jahre alt ist. Weil sie sich spontan zum Konzertbesuch entschlossen hat, hat sie nur noch Oberrangkarten bekommen. Wir stehen neben ihr, knapp unter der Decke der Arena und meinen das Metalldach wummern zu hören. Frontmann HP ist dank Leinwand gut zu sehen, nur der Sound ist etwas breiig.

Party ohne Steigerungspotenzial

Camilla und Damian, mit "Who the fuck is HP Baxxter?"-Shirt bekleidet, sind extra aus Polen angereist. "Die Musik macht was mit deinem Körper", glauben sie. Tanzen lässt sie die Menschen, das ist sicher, im Innenraum der Halle tobt die Meute.

Neben uns macht Steffi schon schlapp und lässt sich wieder in ihren Plastikschalensitz fallen. Auch wir sind nach nicht einmal einer Stunde ernüchtert: Schnaps und Bier haben unsere Partylaune nicht aufrechterhalten können.

Eine Dramaturgie gibt es nicht, nicht einmal langsamere Songs. Jeder Titel klingt gleich und wird von nimmer nachlassenden Laserstrahlen und Flammenstößen begleitet. Auch musikalisch lässt sich das irgendwann nicht mehr steigern: viel mehr als 160 beats per minute geht schließlich nicht.

Ordentlich und vorhersehbar

HP scheint das zu spüren, und zieht noch einmal alle Register. Mit einer Flying V-Gitarre tobt er über die Bühne. Dass die im Soundmix nicht wahrnehmbar ist – geschenkt. Die sprühenden Funken aus dem Gitarrenhals wirken allerdings wie eine arg platte sexuelle Anspielung.

Nach zwei Stunden ist Feierabend, HP bedankt sich artig. Rick Jordan, der die Band nach dem Konzert verlassen wird, kriegt noch ein Tourposter geschenkt. Die Zuschauer eilen zum Shuttlebus. Geordnete Freitagabendekstase eben.

Was bleibt von diesem Abend? Fortgesetztes Basswummern im Zwerchfell? Von den Flammenwerfern versengte Wimpern? Nein, nur eine kleine, kindliche Interjektion: döp, döp, döp, dödödöp döp döp.

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