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Benjamin Biolay © 2012, Gassian

Der französische Popsänger Benjamin Biolay zeigte bei seinem ersten Deutschland-Konzert am 23. Februar 2013 im jüngst wiedereröffenten Mojo Club viel Mut zum Pathos und begeisterte mit Rock, HipHop und chansoneskem.

Ein Chansonnier ohne Zigarette ist wie Frankreich ohne 35-Stunden-Woche: möglich, aber schwer vorstellbar. Nach einer halben Stunde ist es soweit: Benjamin Biolay stimmt Dans mon Dos an, diese bewegende Klage eines Mannes über die untreue Frau, und er zündet sich mit dem Rücken zum Publikum eine an.

Um halb acht Uhr abends hat das beinahe ausverkaufte Konzert im Mojo Club begonnen, eine Uhrzeit, zu der man den als feierwütig verschrienen Biolay noch beim Katerfrühstück wähnt. Doch das Rauchen bleibt seine einzige rebellische Handlung an diesem Abend. Er wird mit Hingabe singen, länger als anderthalb Stunden spielen und sich stets artig beim Publikum bedanken.

Keine Klangtapete zum Milchkaffee-Schlürfen

Das erste Drittel des Konzerts bestreitet Benjamin Biolay, gerade 40 geworden, mit Akustikgitarre. Da entspricht er sehr gut dem Bild des Serge-Gainsbourg-Adepten, das die französische Presse nach seinem Debütalbum Rose Kennedy im Jahr 2001 gern von ihm zeichnete.

„Neo-Chanson“ nennt sich das Label, das man ihm damals anhaftete. Doch selbst seine sanften akustischen Songs sind selten gefällig genug, um als Klangtapete zum Milchkaffee-Schlürfen zu taugen. Die Ausflüge in Rock, HipHop und elektronische Sounds sind auf allen von Biolays mittlerweile sieben Alben vertreten und fester Bestandteil seines Sounds.

So kommt der Stimmungswechsel unweigerlich: der Drumcomputer des Keyboarders wird auf weniger organische und verstärkt auf elektronische, beinahe HipHop-artige Sounds programmiert, Biolays Bewegungen werden ausladender.

Auch die Coverversion von Blurs Out of Time passt bestens ins Bild. Seine Liebe zu britischer Popmusik ist bekannt, und auf seinem neuen Album Vengeance huldigt er mehr denn je den großen New-Wave-Bands der 80er Jahre, New Order, Joy Division und The Smiths. Den Titelsong hat er gar im Duett mit Carl Barat eingespielt, dem Sänger der Libertines.

Biolay steht ohne Einschränkung im Mittelpunkt

Neben dem Keyboarder, der gleichzeitig als DJ und Laptop-Jongleur fungiert, unterstützt ihn nur noch ein Bassist, der sein Instrument im Verlauf des Abends häufiger gegen eine Gitarre eintauschen wird. Biolay, der schüchtern wirkende Mann mit dem Mona-Lisa-gleichen Lächeln, steht ohne Einschränkung im Mittelpunkt.

In Frankreich mag er ein Popstar sein, doch seine Gesten entsprechen viel eher denen eines Schlagersängers. Da sind die ausführlichen Dankesbezeugungen an das Publikum: die Kusshand, die wie zum Gebet gefalteten Finger, die aufs Herz gelegte Hand. Anfangs klammert er sich noch an seinen Mikrofonständer, dann beginnt er, singend über die Bühne zu schlendern, und man meint, er würde gleich in der ersten Reihe Hände schütteln.

Breakbeats und funky Licks

Biolay ist ein Romantiker, einer, dessen Songs ohne Pathos nicht funktionieren würden. Auch ohne seine Texte genau zu verstehen, ahnt man, worum es geht: um Frauen, Männer, Verlust, Melancholie – um die Liebe in all ihren dramatischen Facetten. Getragen werden diese Lieder von einer dunklen Baritonstimme, mehr Sprechgesang als Gesang, ein klares, schwermütiges Französisch.

Aber Biolay kann auch optimistisch. Nachdem sie sich verabschiedet haben, kommt die Band noch ein zweites Mal heraus, zu einer dritten Zugabe. Der DJ legt schon mal einen Breakbeat auf und der Gitarrist spielt ein Funkrocklick.

Der Sänger lässt auf sich warten, wird er nun als Prince-Klon im Glitzeranzug erscheinen? Natürlich nicht – die Jeansjacke sitzt, der Zigarettenrauch weht ihm voraus, bevor er die Bühne betritt. Er hebt die Hand mit dem Rotweinglas noch einmal zum Dank und fängt an zu rappen, so muss man es wohl nennen. Das Publikum, zuvor beglückt, aber nicht begeistert reagierend, ist nun endlich in Tanzlaune.

Absolut echt

Ganz zum Schluss bringt er noch die typische Dankes-Floskel für durchreisende Musiker. Aber dem „Ich liebe Hamburg“ schiebt er noch ein „Das ist richtig“ hinterher, und man nimmt es ihm ab. Dieser Mann ist richtig, er mag alle Stereotypen erfüllen, Wein trinken, rauchen und dabei mit blassem Teint düstere Liebeslieder singen – dennoch ist er absolut echt.

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