Aimee Mann (live in Hamburg, 2013) Fotostrecke starten

Aimee Mann (live in Hamburg, 2013) © Falk Simon

Die kalifornische Singer/Songwriterin Aimee Mann stellte die Songs ihres achten Soloalbums "Charmer" in der Hamburger Fabrik vor. Begeistern konnte sie das Publikum aber vor allem mit älterem Material.

Niemand in Amerika schreibt bessere melancholische Popsongs als Aimee Mann. Jetzt ist es heraus. Aber wer würde widersprechen, sähe er diese schmale blonde Frau vor sich, nach 30 Jahren auf Konzertbühnen noch immer ein wenig unsicher wirkend, und hörte sie singen: "Now that I've met you/would you object to/never seeing each other again".

Diese Zeilen eröffnen auf atemraubend direkte Weise Deathly, einen Song, den Mann sich an diesem Abend in Hamburg für die Zugabe aufgehoben hat. Deathly erschien zum ersten Mal auf dem Soundtrack zu "Magnolia", diesem großartigen Drama von P.T. Anderson, dessen Musik zum Großteil von Aimee Mann stammte und der ihr den internationalen Durchbruch verschaffen sollte.

Das war 1999, seitdem sind sechs solide, aber oft wenig aufregende Mann-Alben ins Land gegangen. Der "Magnolia"-Moment, er fehlte.

Das Publikum ist anfangs hanseatisch-zurückhaltend

Charmer ist ihre aktuelle Platte, die erste seit vier Jahren, und drei Songs davon eröffnen das Konzert in der gut gefüllten Fabrik. Das Publikum applaudiert höflich, aber hanseatisch zurückhaltend. Aimee Mann macht es einem nicht einfach, in den Abend hineinzufinden.

Wirkt sie auf den Tour-Plakaten im roten Sommerkleid noch mädchenhaft unbeschwert, verleiht ihr die dicke schwarze Kastenbrille eine unnahbare Strenge auf der Bühne. Kaum drängt sich der Eindruck auf, dass sie ihr Publikum gar nicht unterhalten will, fängt sie an zu plaudern – und das auch noch auf deutsch. Sie hat offenbar nichts von der Sprache verlernt, die sie für die Rolle in einem anderen großen Film der 90er Jahre einübte. In "The Big Lebowski" hatte sie einen Gastauftritt als deutsche Nihilistin.

Mit Wise Up zum "Magnolia"-Moment

Nun ist sie endlich angekommen an diesem eisigen Januarabend, die Songwriterin aus Kalifornien. Sie wechselt vom Deutschen ins Englische und erzählt von dem Musical, das sie gemeinsam mit dem Hollywood-Autor Aaron Sorkin entwickelt. Und von dem Oscar, den sie im Jahr 2000 für den Song Save Me bekommen sollte, und der ihr dann doch noch weggeschnappt wurde, ausgerechnet von Phil Collins.

Ihre Ankündigung, Save Me und weitere Songs vom "Magnolia"-Soundtrack zu spielen, löst zum ersten Mal wirklich Jubel aus. Zwei Lieder spielt sie akustisch, ohne ihre Band, da kommt sie ganz zu sich, ihre helle Stimme füllt den Club bis unter das hohe Fabrikdach aus. Da ist er, der "Magnolia"-Moment, eingehüllt in die bittersüße Melodie und den rätselhaften Text von Wise Up.

Dann holt Aimee Mann ihre Band wieder auf die Bühne, für noch so einen magischen Moment, One von Harry Nilsson. Die vier Musiker swingen stilsicher und präzise, kein Solo dauert länger als eine halbe Minute. Sie wissen genau, in welchen Momenten sie sich zurückhalten müssen, um der schmalen Frau in der Bühnenmitte den nötigen Raum zu geben.

Ausgelasseneheit am Ende

Das hier ist nicht die "Aimee Mann Band", das ist Aimee Mann mit Begleitung, das wird jedem im Publikum deutlich. Niemand der vier Musiker drängt sich in den Vordergrund, schon gar nicht Leadgitarrist Jamie Edwards, der sich hinter einem der Fabrik-Besuchern so verhassten Holzpfeiler versteckt. Bassist Paul Bryan ist jahrelanger Weggefährte Manns und produzierte auch ihre letzten beiden Alben.

Ganz am Ende lässt die Chefin dann aber doch ein wenig Ausgelassenheit zu, als die Band noch einmal auf die Bühne geklatscht wird und sich zusammen mit Supportact Ted Leo durch Thin Lizzys Honesty Is No Excuse rockt.

Doch was dem Zuhörer im Ohr bleiben wird, der im Anschluss in die Hamburger Winternacht entlassen wird, ist der "Magnolia"-Moment kurz zuvor. Deathly, pure Melancholie in die Form eines Pop-Songs gebracht, so wie es nur Aimee Mann vermag.

Alles zum Thema:

aimee mann