Weg von Dubstep-Klängen: Alex Clare überraschte mit einer handgemachten Performance das Publikum.

Weg von Dubstep-Klängen: Alex Clare überraschte mit einer handgemachten Performance das Publikum. © Jon Baker

Alex Clare überrascht im nahezu ausverkauften Berliner Astra Kulturhaus mit einer handgemachten Soul-Performance. Fernab von erwarteten Dubstep-Klängen huldigt der Brite den Wurzeln seines Schaffens und präsentiert sich dabei als introvertierter Kopfnicker mit Ausnahmeorgan.

Als wenn es eine deutsche Rock-Pop-Kombo im Vorprogramm eines erfolgreichen englischen Soulsängers nicht schon schwer genug hätte: Fassungslos kniet Sebel-Frontmann Sebel van de Nijhoff um kurz nach Neun vor seinem Gitarren-Amp. Die Kiste gibt keinen Ton von sich.

Doch zum Glück hat der Recklinghäuser noch eine Akustik-Klampfe im Gepäck: "Oh je, das geht ja gut los", raunt der bärtige Sänger ins Mikro. Doch das Berliner Ausgehpublikum ist an diesem Abend bester Laune und so wird das halbgare Schunkelrock-Schaffen der Newcomer aus dem Ruhrpott erstaunlich wohlwollend aufgenommen.

In sich gekehrter Soulbarde statt hibbeliger Dubstep-Nerd

Weniger Probleme mit der mitgebrachten Technik hat dagegen der heißersehnte Hauptact des Abends, Alex Clare, auch wenn sich der eine oder andere Anwesende des rappelvollen Astras beim Anblick des klassischen Bandgefüges auf der Bühne erst einmal verwundert die Augen reibt.

Statt hypermodernem Dubstep-Equipment präsentieren sich auf dem Podest ein Keyboard, ein Drumset, ein Bass und reichlich Gitarren. Spätestens jetzt werden viele Skrillex-Fanatiker mit der eigentlichen Alex Clare-Basis konfrontiert, und so mimt der Sänger in der Folge eher den in sich gekehrten Singer/Songwriter-Soulbarden anstelle des wild umherhüpfenden Dubstep-Nerds.

Alex Clare mag es live lieber handgemacht

Nur selten (Up All Night) erinnern vertrackte Beats und flackernde Lichter im Background an die hibbelige Promo-Oberfläche des Insulaners. Alex Clare mag es live lieber handgemacht. Dabei stets im Vordergrund: Das außergewöhnliche und facettenreiche Stimmorgan des Briten, welches sich an diesem Abend in bester Verfassung präsentiert. Seine Mitstreiter halten sich eher im Hintergrund.

Hier und da kommt es zwar zu Ausbrüchen wilder Synthies und pumpender Basslines, aber insgesamt geht es dem Hintergrund eher um Rückenfreihaltung als um vorpreschende Band-Frontmann-Duelle.

Eine einzigartige Stimme bleibt im Gedächtnis

In den ersten Reihen wird nach jedem Song hysterisch geschrien. Dem introvertierten Briten ist das schon fast peinlich. Immer wieder huscht ein beschämtes Grinsen über sein Gesicht. Das intensiv vorgetragene Caroline und das innovative Prince-Cover When Doves Cry bilden nach gut siebzig Minuten Spielzeit die dicksten Eckpfeiler der musikalisch abwechslungsreichen, aber manchmal etwas statisch wirkenden Performance des rothaarigen Soul-Newcomers aus London:

"Bisschen wenig Sounds, aber irgendwie trotzdem geil", flüstert ein verschwitzter Twen im Amy Winehouse-Shirt seinem Nachbarn neben mir ins Ohr. Recht hat er, auch wenn man wahrscheinlich froh darüber sein sollte, dass wirres Strobo-Klang-Gehabe bei Alex Clare eher eine sekundäre Rolle spielt. So bleibt eine einzigartige Stimme im Gedächtnis, die einem auch am Morgen danach nicht aus dem Kopf will.

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