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Lady Gaga (Born This Way, Promo 2011) © Nick Knight

Eine eigene Burg, eine aufblasbare Vagina, funkelnder Stahl und plastische Einhörner: in der vollbesetzten Berliner o2 World zieht Lady Gaga alle Show-Register. Dabei kommt nur eine Sache zu kurz: die Musik.

Als um viertel vor neun der große Vorhang fällt, reiben sich viele der knapp 13.000 Anwesenden in der proppenvollen Berliner o2 World das erste Mal die Augen. Vor ihnen präsentiert sich eine mystische, in dunkles Licht getränkte Ritterburg. Nicht viel kleiner als ein Zweifamilienhaus kann sich das gigantische Gebilde aus Plastik, Styropor und Stahl nicht so recht entscheiden, welcher Welt es denn entstammt. Mordor? Disneyland?

Im Publikum kein Halten mehr

Die Aufklärung lässt nicht lange auf sich warten, denn Sekunden später wird die Protagonistin des Abends auf einem Einhorn auf die Bühne geführt und eine virtuelle Stimme der New Yorkerin kündigt die Invasoren des Planeten G.O.A.T. an. Von nun an kennt die Gaga-Jüngerschaft im Innenraum der Halle kein Halten mehr: "Put your Hands in the Air, Berlin", faucht die in schrillem Space-Kostüm über die Bühne stelzende Sängerin. Die imposante Kulisse im Hintergrund öffnet nach und nach ihre Pforten. Die Türme schieben sich von links nach rechts, aus den Schießscharten funkeln grelle Lichter und unzählige Tänzer verausgaben sich mit wilden Choreographien, während die klassische Bandbesetzung ihr Dasein in den dunklen Ecken der Burg fristet. Alles dreht sich, alles bewegt sich.

Optik vs. Sound

Die optische Reizüberflutung drängt die Musik zunehmend in den Hintergrund. Songs wie Born This Way, Bad Romance oder Just Dance dienen im opulenten Gaga-Avantgarde-Zirkus als wild vor sich her pumpende Klang-Statisten. Da stört es auch nicht, dass die exzentrische Bardin während vieler Refrains ihr Mikro auf Stand By stellt. Lady Gaga ist viel zu beschäftigt, um sich fokussiert auf eine Sache konzentrieren zu können. Ausgeschilderte Laufwege, waghalsige Klettermanöver und der stetige Gang zur Garderobe verlangen der selbst ernannten Monster-Mama alles ab.

Das eingeforderte Spektakel

Erst als die wilden Beats eine Pause einlegen und sich die Sängerin, auf einem silbernen Motorrad räkelnd, ein Mädchen aus dem Publikum auf die Bühne holt, um das geschmeidige Princess Die anzustimmen, beweist Lady Gaga, dass sie neben all den pompösen Randerscheinungen auch über ein hochwertiges Organ verfügt. Doch die Kids vor der Bühne haben keine 100 Euro für ein Ticket hingeblättert, nur um sich am rauchzarten Timbre ihre Heldin zu erfreuen. Sie wollen ein Spektakel, etwas Unvergleichliches, dass man auch in vier Wochen noch ohne Probleme zum Pausenhof-Thema Nummer eins erklären kann. Und das bekommen sie letztlich auch.

Born This Way

Als sich schließlich nach gut zwei Stunden die letzten Töne von Marry The Night verabschieden, erinnern sich nur noch die Wenigsten an die halbe Stunde vor dem Einhorn-Einritt Gagas, als vier ehemals gehypte Engländer ihre langen Haare in den Nacken werfen und genau das machen, was in großen Lettern auf jedem einzelnen Ticket angepriesen wird: nämlich ein Konzert spielen. Ganz klassisch: mit durchgehendem Gesang, Songansagen und breitbeinigem Getue. Schade nur, dass das solide Standard-Prozedere von The Darkness an diesem Abend irgendwie niemand so richtig zu schätzen weiß. Aber nun gut, auf den Tickets steht auch noch der Zusatz "Lady Gaga – Born This Way Ball". Wer denkt da noch an Musik.

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