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DJ Wankelmut © 2012, Ben Wolf

Jacob Dilßner ist ein Senkrechtstarter. Vor einem Jahr wühlte er sich noch als Student durch Bücher von Kant, heute gilt er als einer der angesagtesten deutschen DJs. Der Auslöser dafür war sein Remix von Asaf Avidans "Reckoning Song (One Day)". Zum Anlass seines Releases "Wankelmoods Vol.1" trafen wir ihn in Berlin und sprachen mit ihm über Wankelmütigkeit, Mix-Compilations und das Auflegerleben als DJ.

regioactive.de: Wie kommt man eigentlich auf einen Namen wie DJ Wankelmut?

DJ Wankelmut: Wankelmut ist mein deutschsprachiges Lieblingswort. Ich kann zwar keinen Grund nennen, aber mir gefällt sowohl dessen Klang als auch die Sprachmelodie. Wankelmut ist in einem gewissen Sinne auch das, was meine Musik im Großen und Ganzen ausmacht: Vielseitigkeit. Ich lasse mich beim Auflegen und Musikmachen von vielen Stilen inspirieren und ich denke, das hört man auf meiner Mix-CD gut heraus.

regioactive.de: Würdest du dich als Person auch als wankelmütig charakterisieren?

DJ Wankelmut: Nein, von meiner Persönlichkeit her eigentlich nicht. Ich entscheide mich zwar gerne mal um, aber das würde ich nicht als Kern meines Charakters beschreiben. Wankelmütig ist nur meine Musik.

regioactive.de: Wie äußert sich das?

DJ Wankelmut: Im Club legen viele DJs von Anfang bis zum Ende oft immer nur den gleichen Musikstil auf. Ich dagegen variiere in meinen Sets gerne und fange oft housig an, lege dann Techno- House und Elektro auf, bis ich dann aber den ein oder anderen Dubstep-Track einstreue. Beim Auflegen gibt es immer einen progressiven Spannungsaufbau. Es darf nie ähnlich klingen. Deshalb versuche ich bei jeder Produktion und bei jedem Remix oder Track von Null aus anzufangen.

regioactive.de: Vor einem Jahr warst du noch Philosophie-Student. Wie kamst du zum DJing?

DJ Wankelmut: Ich mache das schon eine ganze Weile. Schon vor 5 Jahren, bei House-Partys von Freunden, wollte sich keiner um die Musik kümmern, aber Musikhören wollte trotzdem jeder. Und da habe ich dann einfach begonnen aufzulegen, Playlists zusammenzustellen und Konzepte dafür zu entwerfen – das hat mich schon immer interessiert. Es wurde dann von Geburtstagsparty bis zur nächsten WG-Party immer mehr. Mein Studium und die DJ-Karriere waren dabei immer zwei strikt voneinander getrennte Sachen. Das eine war mein Studium, das andere war mein Hobby. Jetzt arbeite ich aber als Musiker und die Philosophie ist als Hobby in den Hintergrund geraten.

regioactive.de: Inwieweit fließen philosophische Gedanken in deine Musik ein?

DJ Wankelmut: Ich lese nicht "Die Kritik der reinen Vernunft" und mache daraus einen Track. Aber Philosophie ist für mich der Bodensatz für all unser Denken, und wenn ich Musik mache, höre oder zusammenschneide, fließen solche Dinge natürlich mit ein. Es gibt bei mir kein 2-Stunden-nur-Gute-Laune-Set. Wichtiger ist mir, dass es auch mal düster und melancholisch wird. Das hat mit meiner Lebenseinstellung zu tun.

regioactive.de: Auf einer USA-Reise hast du den Song Reckoning Song (One Day) von Asaf Avidan kennen- und schätzen gelernt. Später hast du daraus einen Remix (Video hier bei regioactive.de ansehen) gemacht, der in den deutschen Charts ganz oben gelandet ist. Was hat dir an diesem Song so gut gefallen?

DJ Wankelmut: Erst einmal war der Song sehr leicht zu remixen, weil er keinen Beat hat, sondern nur Gitarre und Gesang zu hören sind. Denn umso weniger Instrumentierung in einem Song steckt, umso einfacher ist es, ihn zu remixen. Damals hatte ich schon vom Originalsong einen Ohrwurm. Der Text, die Stimme, die Ohrwurmqualität – das hat hier alles gepasst. Dass daraus so ein Erfolg wurde habe ich natürlich nicht wirklich beabsichtigt, aber umso schöner war es, das erleben zu dürfen.

regioactive.de: Bei welcher Gelegenheit hattest du den Song zum ersten Mal gehört?

DJ Wankelmut: Einer meiner Mitbewohner besuchte ein Festival und dufte den Sänger dort live erleben. Als er zurückkam, zeigte er mir die Musik und das hat mich so begeistert, dass ich mir die Alben gekauft und sehr intensiv angehört habe. Privat höre ich gerne Singer/Songwriter, Folk-, Country- und Rockmusik. Die beiden Alben The Reckoning und Poor Boy/ Lucky Man von Asaf Avidan habe ich damals rauf und runter gehört – auch schon vor und während dem Roadtrip in die USA.

regioactive.de: Damals hattest du aber noch kein Label oder eine Promotionagentur?

DJ Wankelmut: Ja, vor einem Jahr war ich noch Hobby-DJ und habe meine Gigs selbst gemanagt.  Das geht jetzt wegen meines ziemlich engen Zeitplans leider nicht mehr.

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regioactive.de: Warum hast du eine Mix-Compilation anstatt eines Albums rausgebracht?

DJ Wankelmut: Heutzutage scheint es anachronistisch, eine Mix-CD zu veröffentlichen. Du kannst einfach auf Soundcloud gehen und es stehen dir abertausende Compilations zum freien Download mitsamt Texten zur Verfügung. Mir waren bei dieser Entscheidung deshalb zwei Dinge wichtig: Einerseits bin ich vorrangig DJ und lege Wert darauf, als solcher wahrgenommen zu werden – da passt eine Mix-Compilation perfekt. Zweitens habe ich absichtlich mehrere Songs zu meinem Mix hinzugefügt, die von unbekannten Produzenten stammen, die für ihre Arbeit ansonsten wahrscheinlich kaum Geld bekommen würden. Ich möchte nicht nur die Top-Ten der Beatport-Charts in meinen DJ-Gigs verarbeiten, sondern das, was mich persönlich begeistert.

regioactive.de: War das auch die Musik von Freunden?

DJ Wankelmut: Ich habe jetzt zwar schon einige Produzenten in der kurzen Zeit kennengelernt und  hier und da mal mit dem ein oder anderen auch eine Promo oder Song getauscht, aber eine Vetternwirtschaft gibt es nicht.

regioactive.de: Hast du schon als Jugendlicher Mixtapes gemacht?

DJ Wankelmut: Nein, eigentlich nicht. Als Kind habe ich schon manchmal eine Kassette gekauft und darauf etwas zusammengestellt, aber zu der Zeit war das selten – eher habe ich die Bravo gelesen. Damals gab es auch noch nicht diese Vielfalt technischer Möglichkeiten. Mein erstes richtiges Mixtape habe ich erst mit 14 oder 15 Jahren gemacht, dann allerdings mit gebrannten CDs, keine Kassetten.

regioactive.de: Was verkörpert die Mix-Compilation für dich ganz persönlich?

DJ Wankelmut: Man hätte das Album auch "Night with Wankelmoods" nennen können. Für mich klingt die Platte wie ein schöner Abend mit Freunden. Man trifft sich um 22 Uhr, trinkt gemütlich etwas und geht später in einen Club zum Feiern, um irgendwann in der frühen Morgendämmerung nach Hause zu wandeln und ins Bett zu fallen.

regioactive.de: Deine Musik klingt ziemlich hypnotisierend. Inwieweit passt der Titel Wankelmood dazu und wie launisch bist du persönlich?

DJ Wankelmut: Ich selbst bin nicht wirklich launisch. Aber bezogen auf die Musik wollte ich unbedingt verschiedene Stimmungen einfangen. Wankelmood. Auch bei DJ-Gigs bin ich sehr spontan und probiere auch gerne mal die ein oder anderen Songs aus. In welche Richtung du die Atmosphäre lenkst, das kannst du mit der Musik kontrollieren.

regioactive.de: Sind die Songs auch nach passenden Übergängen ausgewählt?

DJ Wankelmut: Ja, auf jeden Fall. Es ist aber kompliziert auf achtzig Minuten alles aufeinander abzustimmen, weil du vom einzelnen Song einerseits nicht zuviel wegnehmen willst, andererseits aber die Musik auch nicht zu eintönig erklingen lassen willst. Der Unterschied ist, dass du nicht für den Club, sondern für das heimische Hören produzierst. Auf keinen Fall darf es wie im Club einen fünfminütigen monotonen Beat geben. Wenn ein Beat vorbei ist, muss gleich der nächste einnehmende Beat folgen. Die Musik muss viel mehr mitreißen, als dass im Club der Fall ist.

regioactive.de: Welchen Remix deiner Mix-Compliation würdest du am liebsten selbst wieder remixen?

DJ Wankelmut: Alle dieser Tracks habe ich ausgewählt, weil sie super sind. Dass ein Remix schlechter als der eigentliche Song ist – diese Gefahr besteht immer, aber das war meiner Meinung bei meiner Compilation nicht der Fall.

regioactive.de: Du hast ja noch einen zweiten eigenen Remix auf dem Album, Soul In A Bottle von Jay Haze feat. Big Bully & Sven VT. Weshalb fiel deine Wahl darauf?

DJ Wankelmut: Das Konzept der "Seele" ist heutzutage nicht mehr allzu modern. Doch wenn man sich die Neurowissenschaften anschaut, dann versteht man, dass das eigentlich sehr anachronistisch ist. Man kann den Zustand einer Seele nicht messen oder irgendwo anders verorten. Die Seele ist nur eine Qualität, keine Quantität, und das fand ich sehr spannend.

regioactive.de: Glaubst du daran, dass Menschen eine Seele besitzen?

DJ Wankelmut: Ich glaube mehr an eine Seele als an einen Gott. Man kann sie nicht quantifizieren, man kann nicht auf sie zeigen, man kann nichts mit ihr machen, aber dennoch ist sie unbestreitbar da.

regioactive.de: Dein Cover wird durch einen großen Blumenstrauß verziert. Welche Blume beschreibt dein Album am besten und warum?

DJ Wankelmut: Der Blumenstrauß ist eine Metapher für die sehr abwechslungsreiche Compilation. Von Acid Dub bis hin zu knallhartem Techno ist auf dem Album ja alles Mögliche drauf. Aber, um ehrlich zu sein, ich habe von Blumen kaum Ahnung. Sie sind bunt – das ist aber auch das einzige, was ich wirklich über Blumen weiß.

regioactive.de: In welchem Club legst du am liebsten auf?

DJ Wankelmut: Das lässt sich schwer sagen. Ich habe jetzt schon eine große Menge cooler Läden gesehen, aber drei Orte sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Das ist einmal das Fusion Festival, die MS Stibbnitz – ein alter Fischkutter – und das Sisyphos in Berlin.

regioactive.de: Vielen Dank für dieses Interview!

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