© Peter Hönnemann

Kaum ist ihre neue Single "Who Cares" erschienen, steht Kinga Głyk schon auf der Bühne des Heidelberger Karlstorbahnhofes. Hat sie sich einst mit ihrer viral gegangenen Adaption von Eric Claptons "Tears in Heaven" in die Herzen tausender Musikliebhaber*innen gespielt, begeistert die Bassistin unter anderem mit bisher unveröffentlichten Songs ihres kommenden Albums "Real Life".

Unterstützt wird die gerade einmal 26-jährige Künstlerin bei Enjoy Jazz 2023 im Heidelberger Karlstorbahnhof durch vier weitere Musiker*innen. Schon bald zeigt sich, dass diese weitaus mehr als eine bloße Begleitung darstellen. Besonders hervor sticht dabei Hailey Niswanger, der nicht nur ein sondern gleich mehrere eindrucksvolle Soli zukommen, die sie abwechselnd auf dem Sopransaxophon und dem Aerophone meistert.

Gerade letzteres trägt stark zur futuristischen Note, der im Rahmen des Auftrittes präsentierten Werke bei. Ansonsten kombiniert Głyks Musik unter anderem Einflüsse von Blues, Funk, Soul und Jazz.

Dankbar für die herausragende Besetzung stellt Głyk ihre Band immer wieder vor und holt ihren Mitkünstler*innen somit ihren ganz persönlichen Applaus ein. Als sich Niswanger und einer der beiden Keyboarder, der zuvor bereits die ein oder andere Pirouette hinter den Tasten gedreht hat, einen gekonnten musikalischen Schlagabtausch liefern, überlässt Głyk den beiden die Bühne, indem sie sich mit ihrem Bass hinter das Schlagzeug zurückzieht.

Głykwünsche

Głyk drückt ihre Wertschätzung jedoch nicht nur gegenüber der Band aus. Immer wieder richtet sie sich an das Publikum und integriert es aktiv in die Performance.

Als es Zeit für ihren einzigen Song mit Lyrics ("Fast life") wird, fordert sie die Zuhörer*innen dazu auf sie gesanglich zu unterstützen. "Gagadadedada" singt sie vor. Das Publikum tut es ihr nach, erweist sich dabei als überraschend textsicher (das Ganze ist herausfordernder als es vielleicht wirken mag) und stimmt immer selbstbewusster mit ein, wenn es Zeit für einen erneuten Einsatz wird.

Bei "Fast life" handelt es sich um die erste Single-Auskopplung von Głyks für den Januar 2024 angekündigtes neues Studioalbum "Real Life", dessen Songs den Großteil des Abends füllen.

Die Bassistin spielt jedoch auch frühere Werke und widmet mit "Joy Joy" einen ihrer bisher beliebtesten Songs einem Gast im Publikum, von dessen Geburtstag sie vor der Show zufällig erfahren hat.

Musikalische Momentaufnahmen

Doch Głyk hat nicht nur fröhliche, ausgelassene Lieder im Gepäck. Zwischendurch wird es auch etwas ernster. Dann nämlich, wenn die Musikerin ihren Song "Dear Ukraine" präsentiert, den sie zur Zeit des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs aus einem Gefühl der Ohnmacht und dem Frust darüber komponiert hat, gerade nicht aktiv helfen zu können, da sie sich zu diesem Zeitpunkt fernab ihrer Heimat – dem direkten Nachbarland Polen – befunden habe.

Ein weiteres Stück "Ants and Bruises" hat Głyk nach einem Telefongespräch mit einer guten Freundin verfasst. Es beschäftigt sich mit stillem Leiden also damit, dass viele Menschen nicht über das sprechen (können), was sie bedrückt, und soll daran erinnern wie wichtig es ist, anderen zu zeigen, dass man im Fall des Falles für sie da ist.

Immer wieder also erinnert Głyk an die situativen Kontexte, in welchen ihre Werke entstanden sind. Ihre Lieder fangen Gefühle oder Athmosphären ein und sollen diese wiederum an das Publikum zurückgeben. So hofft Głyk zum Beispiel mit ihrem im Kroatienurlaub entstandenen Song "Island" für einen Moment den Sommer zurück ins verregnete Heidelberg zu holen.

Ein tanzender Abgang

Es ist "der letzte… vielleicht auch nicht der letzte Song" an diesem Abend. Nach einer langen Abschiedsansprache Głyks, in der sie noch einmal allen an diesem Abend beteiligten Personen dankt – darunter auch ihrem Bruder, der ihr als Soundengineer unterstützend zur Seite stand – spielt die Band den von Album-Co-Produzenten Michael League speziell für Głyk komponierten Song "That right there".

Hat das Publikum schon während der Show immer wieder mit Pfiffen, Rufen und Klatschen seine Begeisterung für die Gruppe ausgedrückt, nimmt der Beifall noch einmal deutlich zu, als die Band die Bühne an diesem Abend verlässt.

Nachdem der Beifall in einen zugabefordernden Rhythmus verfällt, betreten Głyk und Co. schließlich wieder die Bühne. Schlagzeuger Greg Clark setzt spielerisch mit ein und auch der Rest der Gruppe spielt ein paar Töne im Takt des Applaus. Nach diesem kleinen Improvisationseinsatz geht die Band in die geforderte Zugabe über und verabschiedet sich dann ein letztes Mal (tanzend) von den Besucher*innen.

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