Lonnie Holley & Moor Mother (live in Mannheim, 2023) Fotostrecke starten

Lonnie Holley & Moor Mother (live in Mannheim, 2023) © Manfred Rinderspacher

Mit einer Kollaboration mit dem Pianisten und Sänger Lonnie Holley beginnt die US-amerikanische Rapperin und Spoken Word-Künstlerin Camae Ayewa aka Moor Mother ihre Residency beim Enjoy Jazz-Festival 2023. Das Ergebnis dieser Kollaboration spaltet die Gemüter.

Wie Enjoy Jazz-Kurator Rainer Kern in seinem Eröffnungskommentar bemerkt, war Moor Mothers Residency bereits für 2020 geplant, konnte dann aber wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Umso gespannter seien er und sein Team nun auf ihren ersten Auftritt bei Enjoy Jazz 2023.

Dass es sich bei dem Auftritt eigentlich um Moor Mothers Residency-Konzert handelt, ist jedoch kaum zu erahnen: Der Fokus liegt an diesem Abend deutlich auf dem Outsider-Künstler Lonnie Holley, der auf der Bühne der Alten Feuerwache nicht nur prominent mittig zwischen Moor Mother (eigentlich: Camae Ayewa) und Gitarrist Lee Bains sitzt, sondern auch als einziger eine längere biographische Einführung durch einen seiner Weggefährten erfährt. 

Im Kreis alter Bekannter

Die Musik des Trios bewegt sich ästhetisch zwischen klassischen Fixpunkten schwarzer Kultur: Der gesellschaftskritische Soul von Marvin Gayes "Whats Going On" wird hier hier ebenso aufgerufen wie der afrofuturistische Sound Sun Ras und die "befreite" Klangästhetik des frühen Free Jazz. 

Der Bezug zum Free Jazz ist jedoch tatsächlich rein klangästhetisch gegeben – die zumindest grundlegend vorkomponierten Stücke folgen meist einem ähnlichen Spannungsbogen: Holley ist auch hier musikalischer Fixpunkt; seine rudimentäre Klaviermelodien legen den Grundstein für die stark blueslastige Gitarrenarbeit von Bains und (Background-)Vocals von Bains und Moor Mother, die darüber hinaus noch Effekte und Percussion beisteuert. 

Ein Mangel an Dynamik

Das erstaunliche an dieser Kombination ist, dass die recht langen Songs trotz der meist einfachen Grundideen und der nicht gerade nuancierten Performances der Beteiligten durchaus funktionieren (können).

So etwa der Opener, der mit seinen Bildern von der Suche nach einer verlorenen Heimat sofort eine intensive, wehmütige Atmosphäre heraufbeschwört – und diese hält, obschon Holleys Gesang und das Gitarrenspiel von Lee Bains nur wenige Nuancen kennen und meist sehr rapide zwischen kontemplativen und lärmigen Momenten wechseln. Moor Mother zeigt sich im Kontrast in ihren Vocals durchaus variabel und schafft es mit einer spärlichen Auswahl von Percussion-Instrumenten recht effizient, eine anregende Atmosphäre zu erzeugen.

Leider werden ihre Vocals oft von Hollyes donnerndem Organ überdeckt; hier wäre offeneres Ohr für die Mitmusiker*innen durchaus wünschenswert gewesen – eigentlich ja die Grundlage für erfolgreiche Improvisation. Stehen die Texte stärker im Vordergrund, wundert man sich über die Wahl der Texte, so etwa, dass die auch als Aktivistin tätige Musikerin vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Konflikte ausgerechnet anachronistische Themen wie den Irakkrieg in den Vordergrund rückt.

Betrübliche Details

Viele der gespielten Stücke funktionieren durchaus und schaffen es, mehr als die Summe ihrer Teile zu sein: Holley, Ayewa und Bains sind in den besten Momenten in der Lage, mit überaus reduzierten Mitteln und im Rahmen einfacher harmonischer Strukturen unerwartete emotionale Resonanzen zu schaffen. Diese werden jedoch leider immer wieder getrübt durch Details oder Momente wie die seltsam anachronistischen Texte.

So wirken die spärlichen elektronischen Elemente von Moor Mother eher störend als bereichernd; Holleys sich oft am Anschlag befindliche Stimme oder auch das kompetente, aber durch die starke Verzerrung und den kaum changierenden Spielstil undifferenziert und undynamisch klingende Gitarrenspiel von Bains können je nach Songs schnell ermüdend wirken. Im schlechtesten Fall führt das dazu, dass die als gemeinsame Improvisation angelegten Songs daran scheitern, dass den Beteiligten das Ohr füreinander fehlt. 

Der große Zwiespalt

Die Songstrukturen, innerhalb denen sich das Trio bewegt, bieten genügend Ansatzpunkte für ein packendes Erlebnis.

Umso stärker fallen dann jedoch jene Momente ins Gewicht, in denen die gemeinsame Dynamik daran scheitert, dass das fehlende Gespür für die Gruppe dazu führt, dass einzelne Instrumente oder Vocals zu sehr herausstechen oder zu viel Platz beanspruchen und sich dadurch zumindest kurzzeitig sehr antiklimatisch auf die Dynamik zwischen den Beteiligten auswirken. 

So bleibt alles in allem ein zwiegespaltener Eindruck eines durchaus spannenden Abends, der aber nicht alle Erwartungen erfüllen konnte.

Alles zum Thema:

enjoy jazz