T.S. Brooks, Kitty Solaris und Azalia Snail im Haus 73

T.S. Brooks, Kitty Solaris und Azalia Snail im Haus 73 © Christoph Trabert

Ein Programm voller Melancholie und Verträumtheit, aber auch experimentellen Ekstasen: T.S. Brooks, der ursprünglich aus Portland stammende Frontmann der Indierockband Minmae, hat sich seit ein paar Monaten in Berlin niedergelassen und ist nun zusammen mit Kitty Solaris und seiner aus Los Angeles stammenden Landsfrau Azalia Snail auf kleiner, aber feiner Deutschlandtour, um dem Publikum sein Solodebüt "Tertiary Allotment Is A Delightfulness" ans Herz zu legen.

{image}Am Anfang wirkte die Bühne noch recht karg und es wollte alles nicht so recht zusammenpassen. Ein grauer Stuhl, eine weiße Leinwand. Mehr bot sich den wenigen Zuschauern kurz vor 21 Uhr noch nicht. Dann erschienen die ersten Video-Installationen von Azalia Snail auf der Leinwand, die diverse Musiker in Aktion zeigten, und T.S. Brooks schlenderte in Richtung Bühne. Zunächst nur mit seiner Akustik-Gitarre bewaffnet, stimmte T.S. Brooks das Publikum mit 10,000 UHR in seinen authentischen Indie-Folk ein. Mit General Study spielte er das erste Lied seines neuen Albums und verkörperte durch seinen ständigen Augenkontakt mit dem Publikum einen wahren Geschichtenerzähler, ganz nach der alten amerikanischen Tradition. Die wenigen Leute, die sich mittlerweile im kleinen Club des Haus 73 eingefunden hatten, standen und saßen wie gebannt vor dem Mann mit Gitarre und ließen sich gerne in die Welt von Thomas Sean Brooks singen. Es eröffnete sich eine Welt voller tiefsinniger Beobachtungen seines amerikanischen Heimatortes, wie in Creston Park (and the Swimming Pool). Und als T.S. Brooks mit seiner tiefen, melodischen Stimme verkündet "I’ve been away for so long, but it has only been a couple of days" fühlte man sich daran erinnert, dass man selbst erst wenige Minuten der Musik lauschte und ihr trotzdem schon wie einem guten Freund begegnete.

{image}Dass T.S. Brooks jedoch nicht nur harmonischen Indie-Folk auf Lager hat, verkündete er vor dem Lied Kelly In Se mit dem Ausruf: "The three of us are gonna rock your world!". Er tauschte sogleich seine Akustische mit der E-Gitarre von Kitty Solaris. Auch die Bühne schien ihm plötzlich zu einengend und so wagte er sich zusammen mit dem Mikrofonständer in das sichtlich erfreute Publikum. Das ergab auch einen ganz anderen Sound, der seiner Stimme nur noch mehr zu schmeicheln schien. Auch die Atmosphäre kippte: Das bis dahin vorrangig herrschende Bedürfnis nach Geborgenheit wandelte sich in das Verlangen sofort aufzuspringen und wild herumzutanzen. Leider war das Publikum hierfür zu schüchtern, dankte es T.S. Brooks jedoch mit taktvollem Kopfnicken. Auch wenn Brooks das Publikum immer mal wieder daran erinnerte, dass man seine schlecht gestimmte Gitarre einfach ignorieren solle ("Just pretend this guitar is not out of tune") war es doch genau diese Unvollkommenheit, welche diesen Singer-Songwriter so sympathisch und authentisch wirken ließ.

{image}Und genau das war es, was Kitty Solaris, die gleich im Anschluss an T.S. Brooks die Bühne mit ihrer E-Gitarre betrat, leider zum Verhängnis wurde. Sie schien sich leider zu sehr um technische Probleme und das fehlende Publikum zu kümmern, anstatt ihr volles Potential auszuleben. Die zierliche Berlinerin spielte insgesamt vier Lieder ihres im April erschienenen neuen Albums My Home Is My Disco, wobei auch vereinzelte Lieder ihres 2007 erschienenen Debütalbums Future Air Hostess in ihren leider sehr kurzen Auftritt integriert wurden. Dennoch, auch wenn ihr Auftritt nicht ganz reibungslos verlief, konnte man definitiv spüren, dass in der jungen Berlinerin noch viel mehr steckt, als es die Sparte "LoFi-Pop" hergibt. Ihr Auftritt war geprägt von einem kontinuierlichen Wechsel zwischen ruhigem Indie-Pop, wie man bei Jesus died for your Sins oder auch Winterday hören konnte, und kraftvollen Melodien mit genialer Ausdruckskraft wie bei Fighter For Diversity oder auch Kisses Lift Me Up. Auch wenn sie es an diesem Abend leider schwer hatte, die Hypnose von T.S. Brooks zu durchbrechen, und das Haus 73 zu ihrer persönlichen Disco zu machen, war sie ein unentbehrlicher Bestandteil des "psychedelic Dream Teams", welches sich dem Publikum noch nach dem Auftritt von Azalia Snail bot.

{image}Azalia Snail kam jedoch auch erstmal alleine auf die Bühne. Bereits zu Beginn verspürte man, dass sich dem Zuschauer gleich eine Performance der besonderen Art bieten würde, wenn auch nur für vier Lieder. Durch den Aufbau eines Podestes mit silberner Überdecke, worauf sie ihren kleinen weißen Synthesizer legte, wurde dieses Gefühl nur noch bestärkt. Azalia Snail, die früher als die "Queen of lo-fi" bezeichnet wurde, brauchte tatsächlich nicht viel, um das Publikum kurzerhand in ihren Bann zu ziehen. Bereits das erste Lied, Golden Slumbers, faszinierte mit der für Azalia Snail typischen Mischung aus Kirchenorgel- und psychedelic Indieklängen.

Mit ihrer zersausten Hochsteck-Frisur, dem silbernen Schal und der dazu passenden silbernen Glitzerhose wirkte sie an diesem Abend, als käme sie von einem anderen Stern, was sich auch durchweg in ihrer Musik widerspiegelte. Als sie dann auch noch für eine spezielle Version des Donna Summer Klassikers I Feel Love T.S. Brooks und Kitty Solaris auf die Bühne bat, war die Herbst-Melancholie wie weggeblasen und im Publikum wurde lauthals verkündet: "Ich fühle mich grad wie auf ’nem Trip!". Zum Abschluss des grandiosen Zusammenspiels der drei Künstler interpretierten sie noch David Bowie’s Heroes auf eine so charmant und verrückte Art und Weise, dass selbst der letzte freie Platz mit neuen Lebensgeistern gefüllt zu sein schien.

Alles zum Thema:

kitty solaris