4lyn

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Vergangenen Donnerstag im Substage war es soweit: die zwei norwegischen Vorbands Silver und The Cumshots sowie die Hamburger Crossover-/Rock-Band 4lyn gaben dem Karlsruher Publikum nicht nur laute Musik auf die Ohren, sondern boten auch zahlreiche Aktionen der "anderen" Art. Die Zuschauer wurden gleich mehrfach in das Programm mit eingebunden und hatten dabei sichtlich ihren Spaß, auch wenn die ein oder andere dabei etwas zu leiden hatte.

{image}Der Abend sollte zwar gleich mit harten Klängen, jedoch noch nicht ganz so show-lastig losgehen. Mit Silver holte man eine norwegische Band auf die Bühne, die Hardcore-Musik stilecht verkörpert: lange Haare, kräftig verzerrte Gitarren und kraftvolle Solis heizten dem am frühen Abend noch überschaubaren Publikum ein. Wie üblich fand auch die niedrige Decke des Substage wieder Gefallen bei den Bands. So bearbeitet der Sänger mit dem Mikro dann auch mal eben jene, so dass man sich beinahe Sorgen um die Technik macht. Ebenfalls auszeichnen können sich die Fünf, aber vor allem der Sänger, durch eine ausgeprägte Gestik, welche den Songs den Rest gibt.

{image}Doch die Decke sollte nicht zur Ruhe kommen, denn auch die nächste Band, die ebenfalls aus Norwegen stammenden The Cumshots – und hier lässt der Name schon auf einiges schließen – drangsalierten das Styropor zu Genüge. Doch vorher war ein Einmarsch der anderen Art angesagt: mit Glory, Glory, Halleluja! ließ man sich schon standesgemäß feiern, ohne überhaupt etwas getan zu haben. Zu tun gab es für die eher authentisch amerikanisch aussehenden Musiker – Gitarrist im Texanerlook mit Westernhut und stilechtem Vollbart, Sänger mit langen Kotletten – noch so einiges. Musikalisch ebenfalls hart, weil dem Heavy Metal fröhnend, und ab und an nach Godsmack klingend, legte die Band jedoch mehr Wert auf die Show. Hier musste nicht nur das Intérieur leiden, sondern auch der Mikrofonständer. Dieser sah sich, da knickbar, alsbald um den Hals eines Musikkanten geschlungen oder an der Decke fixiert, um dem Sänger das Halten zu ersparen (Dank einer hilfreichen Hand aus dem Publikum). Die augenscheinliche Kreativität des Sängers lässt dabei auf eine phantasievolle "Stellungssuche" schließen. So meldeten sich auch gleich dutzende Damen, als es um ein tête-á-tête mit der Band nach der Show ging, die sich die Musiker dann auch gleich brüderlich einteilten. Man war zu glauben versucht, man hätte Evil Jared (Bloodhound Gang) vor sich, denn neben einer romantischen Aktion – ein Ring wanderte an die Hand einer Dame – ging es sonst eher derb zu: "fuck"-lastiger Sprachgebrauch, ein Scheinwerfer diente als persönliche Beleuchtung des Sängers, der eine skurile Show mit viel Speichel ablieferte. An anderer Stelle werden die Zuschauer persönlich in verschwitzter Montur umarmt, wobei der Sänger gleich darauf seinen eigenen Schweiß durch wringen des Shirts trinkt. Von der Musik bleibt dann ein Song wie I drink alone und viel Gegröle hängen, während die Menge mal Bass spielen oder einzelne ins Mikro "singen" dürfen. Kein Wunder, dass der Frontmann offenbar an einem gebrochenen Finger leidet, wie der Verband vermuten lässt. Das große "Guilty"-Tattoo auf seinem Rücken, sowie wilde "Oi Oi"-Rufe vervollständigen den Eindruck. Einzig der Abgang mit Gruppenverabschiedung und Gruß an Mutti scheint da nicht ins Bild passen zu wollen.

{image}Da mutet der eigentliche Hauptact 4lyn schon fast brav an. Zwar ist das erste Kennzeichen der Band auf der Bühne ein Totenkopf-Mikrofonständer, und der Auftakt erfolgt unter wildem Gespringe und Geschrei – jedoch verursachte das sympathische Lächeln des Frontmanns Ron, genannt Braz, trotz dunkler Schminke und ab und an teuflischer Grimasse weniger Ekel oder Erschrecken. Eben jener Braz ist die einzige Konstante der Band, die in ihrer 10-jährigen Geschichte zahlreiche Musiker verschliss. Das Erscheinungsbild spielt zwar auch hier eine größere Rolle, z.B. ist für Braz Mantelpflicht trotz großer Hitze angesagt, aber die Fans beglücken die Band hauptsächlich wegen der Musik mit ihrer Anwesenheit. Das ist auch kein Wunder, schließlich haben 4lyn mit Songs wie World's Gone Crazy oder dem vom neuen Album stammenden Hello (For You I'm Dying), nach dem auch die Tour benannt ist, die Menge sofort im Griff. Angesichts dessen wird selbst im beengten Substage das Crowd-Surfing zur Bürgerpflicht, und sogar der Drummer geht bis unter die Decke. Das man dessen Namen im Laufe des Abends auch noch erfährt ist dabei Teil des Bandritus, der eine vorgetragene Rede des Pappe-Bassisten Björn umfasst, welcher sich aufgrund eines bösen Rückens entschuldigen lässt, was jedoch auf wenig Verständnis der Menge trifft. Doch trotz allem wird sein Ersatz Rob freudig begrüßt und sogar eine kleines Solo ist inbegriffen. Die ausgeprägte Redseligkeit von Braz, der das Publikum immer wieder antreibt und von allen Seiten mit Sympathie überschüttet wird, ist dabei fast schon legendär. Schließlich scheint es selbst ihm zu warm und stickig zu sein, so dass der Mantel dann doch noch fällt. Musikalisch geht es währenddessen energisch mit Hits wie Kisses Of A Strobelight und Feel Me weiter. Die angepeilte Reaktion bleibt nicht aus: die Menge kocht. 

{image}Angespornt von The Cumshots kommt es auch bei 4lyn zu einem unmoralischen Angebot: man möchte sich doch nach der Show am Merch-Stand treffen, um das weibliche Publikum zu sondieren. Doch dabei bleibt es nicht: Eine volljährige Dame namens Doreen wird zu ihrer Freude auf die Bühne geholt, um auf einem Stuhl sitzend Pearls & Beauty als Ständchen vorgetragen zu bekommen. Sänger Ron kann es sich nicht verkneifen, auf ihrem Schoß Platz zu nehmen, in ihre Haare zu krallen und sie mit Wasser zu übergießen, so dass die Frisur ruiniert, das ansprechende Dekolleté nass wird und sich die versammelte Männerschaft nach vorne drängelt. Generell scheint an diesem Abend der männliche Anteil der Zuschauer eher auf seine Kosten gekommen zu sein, denn auf den Fuß sollte noch eine Wall of Death folgen, die fast zwangsweise in einem Moshpit endet.

Zu feiern gab es zusätzlich zum zehnjährigen Jubiläum auch den ersten Auftritt der Band im Substage seit 2001, und so ging es klassisch mit O.M.I., einem tobenden Saal und viel Geschrei weiter. Bei The Good Life Period wurde ordentlich gesprungen und nach zahlreichen Zugaberufen folgte das namensgebende Lyn inklusive der Frage des Abends: "Should 4lyn Stay Or Should We Go?" Dem Kenner guter Musik sollte dieser Titel bekannt vorkommen. Nach allgemeinem Beschluss wurde erwogen, noch etwas länger zu bleiben. Den Abend abschließen durfte, wie gewöhnlich, einer ihrer größten Hits: Whooo. Da bleibt auch das Shirt von Braz nicht mehr lange am Körper und der werte Herr nutzt die Gelegenheit, um selbst dem Crowd-Surfing zu frönen. "In Hamburg sagt man Tschüss", und so muss auch dieses Konzert enden. Ob es anschließend am Merch-Stand tatsächlich noch zu Übergriffen kam, ist nicht überliefert, jedoch hatte jeder die Möglichkeit abseits der Bühne einen persönlichen Eindruck von 4lyn zu erhaschen.

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