Channy Leaneagh ist die Frontrau von Poliça.

Channy Leaneagh ist die Frontrau von Poliça. © Cameron Wittig

Wir zweifeln zu oft. Zum Beispiel an Bands wie Poliça. Denen trauten wir nicht wirklich zu, ein mitreißendes Konzert auf die Beine stellen zu können: Zu groß war die Angst vor dem Hype. Am Ende hatten wir uns glücklicherweise doch geirrt. Seitdem wird nur noch am Hype selbst gezweifelt.

{image}Poliça sollte es jetzt also sein: Die nächste Hype-Sau, die man durchs Dorf treiben wollte. Justin Vernon aka Bon Iver empfahl die Band, dazu auch Jay-Z. So richtig wollte der Vogel aber nicht abheben, jedenfalls im Vergleich zu den Hype-Urgesteinen wie den Arctic Monkeys (die Älteren werden sich erinnern) oder The xx. Das ganze Blätterrauschen in der Blogosphäre also umsonst? Nicht in Heidelberg, denn hier war der Karlstorbahnhof zum Auftritt der Band aus Minnesota rappelvoll.

Dabei scheint Poliça auf den ersten Blick eher wenig massenkompatibel zu sein. Ihr aktuelles Album Give you the Ghost liegt schwer im Magen und ist nicht selten bedrückend. Dass die Musik trotzdem mitreißend bleibt, liegt an Mastermind Ryan Olson. Der geht zwar nicht mit der Band auf Tour, liefert aber die grundlegenden Beats. Diese hatte er eigentlich in den 90er Jahren für ein HipHop-Projekt geschrieben, ließ sie dann aber ewig in der Schublade liegen. Bis zu dem Tag, an dem Channy Leaneagh die Beats hörte und einige Texte dazu schrieb, die sie mit Autotune und einigen weiteren Effekten einsang. Spannend wurde es endgültig, als Basser Chris Bierden und die zwei Schlagzeuger Ben Ivascu und Drew Christopherson hinzustießen. Ja, richtig gelesen, zwei Schlagzeuger.

Diese Mischung macht auch den feinen Unterschied aus: Die alten, aber aufgefrischten Beats geben die Grundlage für einen doppelt und dreifach mit Hall versehenen Gesang, der sich mit einem sehr präsenten Bass und zwei kraftvollen Schlagzeugen vermischt. Dass das Album trotzdem sehr ruhig klingt und nur selten nach vorne treibt, ist bei dieser Konstellation bemerkenswert. Die Ruhe liegt hier wirklich in der Kraft.

{image}Der Live-Auftritt in Heidelberg machte das Potential richtig deutlich, denn hier waren die Zeichen im Vergleich zum Album umgedreht: Leaneaghs Gesang rückte in den Hintergrund, vor allem weil er mit weniger Effekten versehen wurde. Damit machte sie für Ivascu und Christopherson Platz. Gott sei Dank können wir sagen, denn vor dem Auftritt gab es noch Zweifel, ob die Band live überhaupt überzeugen kann. Die Gefahr eines eher ruhig-beschaulichen Abends mit Kammermusik schien zu groß. Die beiden Schlagzeuger lehrten uns aber Besseres: Fast jeder Song wurde, meistens gegen Ende, zum Drumgewitter. Vollkommen synchron brachten die beiden Männer eine solche Präsenz auf die Bühne, dass das Publikum sich nur noch bewegen konnte.

Leider gelang das nicht immer. Die drei neuen, übers Set verstreuten Songs zeigten die Gruppe von ihrer öden Seite, auch das Publikum kühlte merklich ab. Bei einem der neuen Stücke wartete die Band schließlich nicht einmal mehr auf den zögerlichen Applaus des Karlstorbahnhofs, sondern ging sofort zur nächsten Nummer über. Das blieben aber nur Zwischenepisoden, denn mit Songs wie Amongster, Wandering Star oder Lay Your Cards Out waren nach solchen Ausfällen alle verlorenen Besucherschäfchen wieder eingefangen. Die Zeit verflog am Ende schnell und nach einer Zugaberunde waren die Jungs und das Mädel von der Bühne verschwunden. Kurzweile durch die Schießbude sozusagen. Vielleicht sollte jede Band in zwei Drummer investieren? Dann könnte man auch diesen Hype-Quatsch mal links liegen lassen.