Hurricane 2012 Atmo Fotostrecke starten

Hurricane 2012 Atmo © Zahni

Ein ausverkauftes Festival, blauer Himmel, Legenden auf der Bühne, eine wiedervereinigte Kultband und EM-Public-Viewing: das Hurricane Festival feierte in Scheeßel zwei Tage lang ein sonniges Wochenende. Bis der Wettergott am Sonntag dann doch wieder seine Traditionen wahrte, zahlreiche Tränen vergoss und das Gelände in ein Meer aus Schlamm und Pfützen verwandelte. Statt einfallsreichen Tierkostümen waren wieder Regenponchos, Gummistiefel und Regenschirme der heiße Trend.

{image}Wenn das dritte Juni-Wochenende des Jahres ruft, sich am Scheeßeler Bahnhof die Dorfjugend zusammenfindet, um das Gepäck zahlreicher Festivalfans hoch zum Eichenring zu fahren und sich gut 100 Bands aus aller Welt auf den Weg in die niedersächsische Provinz zwischen Bremen, Hamburg und Hannover machen, dann ist es wieder Zeit für drei Tage Ekstase auf dem Hurricane Festival. Viel Bier, nackte Körper und das Gefühl alles machen zu dürfen, was sonst nicht erlaubt ist, inklusive. Das mit ca. 75.000 Festivalbesuchern ausverkaufte Open Air startete mit viel Sonnenschein und guter Laune in das Wochenende.

An den Fressständen wurde über das Viertelfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft debattiert, vor der Bühne zeigten die Briten von Bombay Bicycle Club, dass man mit entspannt-lässigen Klängen auch ohne viele Parolen und Sensationsgier ein Festivalpublikum von Beginn an fesseln kann. Besonders im Vergleich zu Jennifer Rostock tat das gut, die etwa zur selben Zeit neben naiven, anzüglichen Parolen wie "Festivalzeit ist Tittenzeit" kaum mehr Niveau anzubieten hatte.

{image}Da lohnte es sich eher die zahlreichen Stände zu erkunden und die Festivalbesucher mit all den diesjährigen kreativen Fashion-Einfällen zu bewundern. Ob Batman oder Spiderman an einem vorbei sprangen oder sich das Festivalgelände mit immer mehr Besuchern füllte, die Tierkostüme trugen – all das war mehr wert als die klischeebeladenen und nur auf den Effekt haschenden Bemerkungen von Jennifer Rostock.

Eine Band wie The Mars Volta hatte dies zwar nicht nötig. Mit all der Konvention und Rhythmus sprengenden Musik begeisterten und verwirrten sie trotzdem das Publikum. Ein wenig mehr Struktur als Gesamtkonzept hätte dem Auftritt aber nicht geschadet. Ebenfalls nicht konventionell, aber strukturvoller gaben sich da The xx, die mit minimalistischen und ruhigem-melancholischen Sound all diejenigen Festivalgäste begeisterten, die mit Fussball nicht viel am Hut haben. Hier bahnte sich ein kleines Dilemma an. Denn ob im prall gefüllten VIP-Bereich oder beim Public Viewing – für 90 Minuten war der Fußball auf dem Festivalgelände omnipräsent. So kam es, dass The xx sich in einem Song nur verwundert umschauen konnte, als beim Führungstreffer der Löw-Elf Jubel unter den Zuschauern ausbrach.

{image}Falls der Bierkonsum zu dieser Zeit nicht schon hoch genug war: nach dem Sieg floss der Alkohol in Strömen. Perfekt machte den Freitag schließlich eine lebende Legende. Robert Smith mit seiner Band The Cure. Mit viel Make-Up im Gesicht und Lippenstift auf den Mundwinkeln spielte die Band ein gelungenes Best-Of-Set mit Hits wie Boys Don't Cry und zum Freitag passend den Klassiker Friday I'm In Love. Mit dabei war auch der langjährige David-Bowie-Gitarrist Reeves Gabrels. Schade nur, dass The Cure nach dem für die Band recht kurzen Auftritt von 135 Minuten die Bühne verlassen musste, obwohl sie offenbar gerne länger gespielt hätten. Aber vielleicht wollten die Organisatoren den Festivalgängern auch einfach nur die Reunion einer weiteren Kultband nicht vorenthalten.

Ian Brown war mit den The Stones Roses gekommen. Leider stellte sich heraus, dass die Band bis auf die ansehnliche, psychedelische Videoshow nicht viel mehr Qualität anzubieten hatte. Die überheblichen, arroganten Äußerungen eines Ian Brown halfen da auch nur wenig. Da erfreute man sich doch lieber an der Energie junger Bands.

So wie an den Hamburgern In Golden Tears, die den zweiten Festivaltag auf der Red Stage eröffneten. Oder aber am rohen Sound von Band Of Skulls. Sowieso war der Samstag geprägt von Spielfreudigkeit. Ob die Schweden von Little Dragon mit ihrem elektronischen groovigen Synthie-Pop und der auf der Bühne herumwirbelnden, japanischen Sängerin Yukimi Nagano, der seinen Schnauzer kämmende Jesse Hughes mit den Eagles Of Death Metal oder die mit elektronischen und atmosphärisch-intensiven Sound einprägsamen Isländer von GusGus – der Spielwitz der Musiker war am Samstag unter abermals blauem Himmel deutlich zu spüren.

Auch die Norweger von Kakkamaddafakka gaben alles, um mit komischen, verrückten und abstrusen Choreographien in Sportbekleidung für gute Laune zu sorgen – wenn da nicht die Tonaussetzer gewesen wären, die dem Gig etwas von einer Pantomime-Performance verliehen.

Etwas Magisches und Elfenhaftes mutete dem Auftritt von Florence Welsh alias Florence & The Machine an. In glänzendem Kleid gehüllt schwebte sie nicht nur über die Bühne, sondern versprühte mit eleganten Bewegungen auch ganz viel Liebe. Auch Noel Gallagher mit seinen High Flying Birds absolvierte einen überraschend soliden Auftritt.

Der Auftritt von Mumford & Sons dagegen stand angeblich auf der Kippe. Der Sänger hatte sich die Hand gebrochen. Doch als die Band auf der Bühne stand, wurden auch sie mit der melodischen Country-Musik von den Festivalbesuchern euphorisch gefeiert. Ebenfalls heiß erwartet worden war der Auftritt der Skate-Punk-Rocker von Blink-182, doch am Ende stand ein Konzert, dass von Routiniertheit und Abgeklärtheit überfrachtet war. Lediglich die Video-Show begeisterte den Autor. Überraschende Momente im musikalischen Bereich waren dagegen Fehlanzeige. Da begab man sich lieber zum Late-Night-Konzert von Justice. Mit einer grandiosen Lightshow und Beats, die Mark und Bein erschütterten, ließ das französische DJ-Duo mit dem Kreuz in der Mitte der Bühne den Euphoriewellen-Pegel bis zur Ekstase ansteigen.

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Doch dann kam der Regen und ein Sonntag, an dem man besser zuhause geblieben wäre. Manchen Festivalbesuchern war es zu viel, sie reisten schon mittags ab. Doch viele Tapfere blieben und flüchteten sich entweder in das White-Stage-Zelt, wo sie am Nachmittag mit Songwriter-Musik von M. Ward und Kurt Vile & The Violators belohnt wurden oder aber harrten in nassen Klamotten beim rebellischen Sound von der Chemnitzer Newcomer-Band Kraftklub aus, die ein sehr energiegeladenes Konzert zum Besten gab. So wurde die Kleidung schnell wieder trocken.

Als für Kettcar, The Shins und Bat For Lasches dann kurze Zeit später auch die Sonne wieder hervorkam, schien der Wettergott sich für ein versöhnliches Ende beim diesjährigen Hurricane Festival entschieden zu haben. Doch pünktlich zu den ewigen Jungspunden um die Sonnyboys von The Kooks und der im Auftrieb befindlichen norwegischen Band Katzenjammer vergoss er wieder viele Regentränen.

Doch dann kamen Die Ärzte und setzten dem Regen zum Abschluss des Festivals nicht nur gute Laune entgegen, sondern versüßten die Gedanken der Zuschauer mit vielen Liebessongs und sinnlosen, aber dafür umso witzigeren Gesprächen. Die Festivalbesucher lagen der Bands im wortwörtlichen Sinne zu Füßen und feierten die Band in den 150 Minuten trotz Schlamm und anhaltendem Regen mit einer Sitzlaolawelle und viel Mitgesinge. Dass auf der anderen Bühne mit New Order gleichzeitig die ehemaligen Mitglieder von Joy Division spielten, hatten da viele Besucher schon längst vergessen. Schade, denn nicht nur New Order-Songs hatte die Band in ihrem Repertoire anzubieten, sondern auch alte Joy Division-Klassiker wie Love Will Tear Us Apart wurden dem Publikum präsentiert.

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Kreuzt euch für 2013 das Wochenende vom vom 21. bis 23. Juni fett im Kalender an, denn dann gibt's das Hurricane Festival 2013! Der Vorverkauf beginnt in Kürze.