Esben & the Witch (live in Heidelberg, 2011)

Esben & the Witch (live in Heidelberg, 2011) © Johannes Rehorst

Esben and the Witch haben bisher ein Album veröffentlicht. "Violet Cries" erschien im Januar 2011 bei Matador Records in guter Gesellschaft neben Cat Power oder Sonic Youth, die ebenfalls auf dem Label vertreten sind. Für Kritiker ist die englische Band eine reine Freude: So viele Querverweise zu Themen außerhalb der Musik findet man selten bei jungen Bands. Aber nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis - live im Karlstorbahnhof - macht das Trio einfach Spaß.

{image}Horror und Musik kamen bisher schon oft zusammen. Meistens stand aber eher der laute, schreiende Horror Pate: In Michael Jacksons genialem Video zu Thriller wurde der Sänger zum Zombie. Die Misfits, wohl die Horrorpunkband schlechthin, benutzten alte Horrorfilme aus den 50er und 60er Jahren als Vorbilder für ihre Songs. Das war zwar sehr gut, aber wenig subtil. Eben auf gewisse Weise auch typisch amerikanisch. Seit 2008 gehen Esben and the Witch aus England einen anderen Weg. Sie orientieren sich am europäischem Horror beziehungsweise Schauer der vergangenen Jahrhunderte, bereits der Name der Band zeigt das. Denn das Trio aus Brighton entnahm ihn einem dänischen Märchen, in dem Esben, der jüngste von zwölf Söhnen, mehrmals eine Hexe austrickst.

{image}Aber nicht nur Märchen helfen Esben and the Witch, Themen zu finden. In Interviews spricht die Band von einer tiefen Verwurzlung in Literatur und Filmkunst. Sie beziehen sich auf Hermann Hesses "Der Steppenwolf" oder den großen James Joyce, der mit seinem Buch "Ulysses" die Weltliteratur entscheidend prägte. Das alles klingt so hochtrabend, dass man einen bombastischen Sound erwarten könnte. Aber Esben and the Witch sind nicht nur mit dem Horror ruhiger als andere Bands. Auch musikalisch geht es eher um Shoegaze als um Punk.

In ihrer Musik bekommt jedes Instrument und jeder Gesangspart sehr viel Hall spendiert. Die Gitarren schreien förmlich und klingen, als hätte man einen Schleier über sie gelegt. Mit ihrer Stimme klagt Sängerin Rachel Davies an. Das geht soweit, dass ein Rezensent sie mit der Stimme einer Banshee vergleicht. Dieser Geist kündigt in der irischen Volkssage den nahen Tod eines Familienmitglieds durch Weinen und Jammern an. Dieses Jammern im Zusammenspiel mit den Instrumenten ergibt eine großflächige Wall of Sound. Durch das niemals leise spielende Schlagzeug und die minimalen, aber trotzdem treibenden Elektro-Effekte entsteht so ein stimmiges, aber sehr unheimliches Gesamtbild. Es klingt nach dem psychologischen Horror des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Man hört die unbeschreiblichen Wesen aus fernen Galaxien und uralten Zeiten eines H.P. Lovecraft heraus oder Dinge und Begebenheiten, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, wie bei E.T.A. Hoffmann. Aber auch die Märchen der Gebrüder Grimm, die bei näherer Betrachtung oftmals unheimlich und brutal sind, klingen an. Die Einflüsse von Esben and the Witch reichen bis in die deutsche Schauerliteratur und die englische Gothic Fiction des 18. Jahrhunderts. Klar ist: Die Band hat sich in den leisen und schleichenden europäischen Horror eingelesen.

{image}Und das kann man nicht nur auf Platte heraushören. Live kommt eine extreme Lautstärke dazu, die man sonst nur von groberen Bands wie Dinosaur Jr. kennt. Außerdem bauen Esben and the Witch den Noise-Anteil live aus. Da scheppert und knarzt es und die Gitarre will einfach keine Ruhe geben. Rachel Davies hat live eine etwas dunklere Stimmfarbe, was das Gesamtbild abrundet und die Horrorthematik der Band noch unterstützt und intensiviert. Bezeichnet wird das Ganze als Witchhouse, und ausnahmsweise passt die Schublade sogar: Man glaubt, in einem Hexenhaus zu stehen. Es wurde bereits erwähnt, dass sich die Mitglieder der Band auch mit Filmen beschäftigen. Auf der Bühne fallen zwei Plastikköpfe nah beim Vorhang auf. Sie erinnern an die "Menschmaschine" aus Fritz Langs "Metropolis": "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." Leider ist das Herz gerade damit beschäftigt, beunruhigt zu sein.

Ein sehr schönes Interview mit der Band findet man auf aufgemischt.com. Außerdem noch das Video zur Single Marching Song. Sollte man am besten um Mitternacht hören.


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