Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung

Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung © Jim Rakete

Einen Künstler wie Rainald Grebe muss man einmal live gesehen haben, daher war von Vornherein schon klar, dass der Abend ausverkauft sein wird. Dass auch der Präsident von Sansibar teilnimmt, davon ahnt zu Beginn aber niemand etwas.

{image}Die Augen sind weit aufgerissen, das Gesicht vollkommen regungslos. Rainald Grebe hat Puppenspiel in Berlin studiert, und das sieht man auch bei seinem Auftritt im Tollhaus. Egal ob er mit Gitarre in der Hand vor dem Publikum steht oder hinter seinem Keyboard sitzt, sein ganzes Auftreten ist fast immer übertrieben, seine Stimme dabei laut, aber auch leicht brüchig. Man könnte denken, ein Verrückter steht dort oben auf der Bühne. Das Gesamtkonzept passt, auch weil Grebe über ernste Dinge singt, die er in Humor verpackt. Einsame Menschen, Hilflosigkeit oder Überforderung sind seine Themen, aber auch das große Ganze der Politik und des Weltgeschehens. Mit seiner Mimik drückt er trotzdem etwas Wehrhaftes aus: Die Situation ist schlecht, aber der oder die Besungene macht das Beste daraus. Ob es nun der einsame Mensch im Song Massenkompatibel ist, der einfach nur dazugehören möchte, oder der Metal-Fan in Bengt, der von niemandem verstanden wird; von der Melancholie des Lebens in Grebes Liedern sind eigentlich alle betroffen.

{image}Sogar der Bundespräsident kommt in Der Präsident nicht zu kurz, so wie Rainald Grebe hat bisher kein anderer die Machtlosigkeit dieses Amtes besungen: "Jetzt kommt ein Grußwort für Hartz IV-Empfänger / Ihr Schicksal trifft mich auch persönlich / Sie halten sich für überflüssig / Es geht mir da ganz ähnlich". Wie viele andere "Klassiker" darf auch dieses Lied im Tollhaus nicht fehlen, schließlich wird auf der "Sommer Spezial"-Tour das Beste aus fünf Jahren Deutschlandtournee gespielt. Dass Der Präsident in den Tagen zuvor soviel an Bedeutung gewonnen hat, konnte Grebe bei seiner Tourplanung bestimmt nicht vorausahnen. Trotzdem hat er ein riesiges Portrait von Amani Abeid Karume dabei, dem Präsidenten von Sansibar, der sich an diesem Abend natürlich auch für die jetzt freie Stelle bewirbt.

Rechts und links neben Grebe sitzen die beiden Mitmusiker der Kapelle der Versöhnung, Martin Brauer am Schlagzeug und Marcus Baumgart an der Gitarre. Benannt ist die Band nach der gleichnamigen Kapelle in Berlin, die eine bewegte Geschichte hinter sich hat. Brauer singt sogar noch Euphorie in der Bronzezeit mit einer wunderbaren Langhaar-Perücke auf dem Kopf: "Meine Eltern haben in Höhlen gelebt / Was waren das für Zeiten / Ich lebe im Pfahlbau / Entdecke die Möglichkeiten". Zum Song China holt Rainald Grebe eine sogenannte Maneki Neko, die japanische Glückskatze, hervor und stellt sie auf sein Keyboard. Später wird noch die Geschichte der Entstehung von Verdammt, ich lieb' Dich von Matthias Reim zum Besten gegeben, ein Planschbecken auf die Bühne gestellt und die Auswirkung des Klimawandels im Lied Sachsen besungen: "Eine Finca in Grimma mit Olivenhain / So schön kann das Leben in Sachsen sein".

Nach drei großartigen Zugaben erscheint die gesamte Band zur letzlich Vierten in Badehosen und springt ins leere Planschbecken. Der letzte Ton, eine tiefe Verbeugung der drei Musiker und das Licht im Saal geht an – Das Publikum hat einen tollen Abend mit einem der besten Liedermacher/Kaberettisten der Republik erlebt.

Rainald Grebe – Der Präsident

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