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Red Hot Chili Peppers (Live in Mannheim 2023) © Rudi Brand

Bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert präsentieren sich die Red Hot Chili Peppers als harmonische Einheit, die mit einer Mischung aus Bandklassikern und Raritäten die 34.000 Zuschauer auf dem Maimarktgelände in Mannheim bestens unterhält.

Es geht los mit einem Knall: Zehn vor Neun am Montagabend stürmen Flea (im Handstand), Chad Smith und John Frusciante die Bühne, greifen zu Bass, Drumsticks und Gitarre und im Nu tobt über den Köpfen der rund 35.000 Zuschauenden ein wahres Inferno aus Basssaitengewitter, Feedback und präzisem Uhrwerk-Drumming.

Das vereint eigentlich alles, was in den kommenden 100 (heißen) Minuten Programm sein sollte: Energie, Spielfreude und Improvisationslust. Dazu gibt’s einen wie immer hyperaktiven Flea am Bass und einen entrückt wirkenden Frusciante, der sich gleich zu Beginn in einen richtigen Rausch spielt. Fünf Minuten später macht Sänger Anthony Kiedis dann das Kleeblatt komplett und der (Uplift Mofo) Party Plan kann in die Tat umgesetzt werden...

Viel Energie

Die Erwartungen an das einzige Red Hot Chili Peppers-Konzert in Deutschland sind hoch – die Fans haben Laune und auch das Wetter spielt mit – statt drückender Hitze weht ein angenehmes Lüftchen über den Maimarkt und auch die Sonne hüllt sich dezent in einen Wolkenvorhang.

Anthony Kiedis laboriert wohl immer noch – oder wieder – an seinem Fuß, was jedenfalls die Schiene am Bein vermuten lässt. Vermutlich auch deshalb hält sich der Fronter nach den Energieeruptionen der ersten drei Songs in der Folge eher dezent zurück, überlässt lieber dem Basser die Bühne, der sie – ganz Springfloh eben, in voller Fläche vereinnahmt. Und auch Publikumsdialog ist nicht so die Sache der Peppers – bis auf einige obskure Moderationen von Flea scheint es, lassen die lieber die Musik sprechen.

Hits und Raritäten

Und davon gibt es genug: Auf der Setlist vereint, ein bunter Querschnitt aus den großen Hits von "Blood Sugar Sex Magik", "Californication", "By the Way" und "Stadium Arcadium", dazu eher selten Gehörtes wie das leichtfüßig-melancholische "Soul to Squeeze" vom Coneheads-Soundtrack, das eher düstere "Throw Away Your Television" oder "Me & my Friends" aus den punkigen Frühzeiten.

Highlights sind die Zugaben: Das fragile "I Could Have Lied“, wunderbar minimalistisch und als Konterpart, quasi als finaler Tritt in den Hintern, "Give It Away", von der Videoregie mit herrlich psychedelischen Sequenzen unterlegt. Nur "Under The Bridge" mussten die Fans auf dem Nachhauseweg selbst anstimmen. Sei's drum.

Wieder eine Einheit

Also alles bestens? Ja, durchaus. Einziges Manko vielleicht: Man fragt sich manchmal schon, was John Frusciante antreibt, wirklich ausnahmslos jedes Solo – sagen wir's mal so – frei zu interpretieren. Denn viele der großen Hits der Band leben gerade von diesen filigranen Miniaturen, die vom Ohr ins Herz gehen.

Doch weder bei "Scar Tissue" noch bei "Californication" hält sich der Maestro ans Protokoll, improvisiert lieber drauflos und endet oft genug in einer wilden Tonorgie. Ob das künstlerische Freiheit ist, die dem Freigeist Frusciante bekanntlich eine Herzensangelegenheit ist, oder vielleicht doch der Versuch, die Routine zu umgehen, ist schwer zu sagen – eigentlich ist es aber auch egal, denn lustlos wirkt die Performance zu keiner Zeit. Vielmehr hat man das Gefühl, dass die Band (wieder) harmoniert und zu einer Einheit gefunden hat.

Eine funktionierende Verbindung

Ein kleiner Moment während des Konzerts steht dafür vielleicht exemplarisch: Zu Beginn von "These Are The Ways“ stehen alle ganz eng beieinander, sorgen dafür, dass jeder den richtigen Einsatz bekommt – einfach vier Jungs aus Kalifornien, die gemeinsam ihr Ding machen.

Und am Ende, als Kiedis und Frusciante Rücken an Rücken "By The Way" zu Ende bringen, kann man es auch ein wenig fühlen: Dass da eine Verbindung ist, die Höhen und Tiefen erlebt hat, aber immer noch funktioniert. Auch noch nach fast 40 Jahren.

Wer ist der alte Mann?

Apropos alt werden … "Wie hieß der? Iggy Pop?", fragte ein junger Mann seinen Nachbarn in der Umbaupause. Auch wenn Gen Z anscheinend mit dem Godfather of Punk nicht mehr vertraut scheint, Iggy schert das überhaupt nicht.

Da winden sich 76 Jahre fleischgewordener Rock'n'Roll von Kracher zu Kracher, opulent in Szene gesetzt mit geballter Bandpower, Bläsersatz und Backgroundchor inklusive.

In altbewährter Gockelpose knallt "Iggmaster-J Popsicle" wie ihn die Peppers nachher liebevoll nennen werden, mit "Lust for Life", "The Passenger", "Seek and Destroy" und "I Wanna Be Your Dog“ dem Publikum einfach mal eine gute Dreiviertelstunde Punkgeschichte vor den Latz, verteilt zwischendurch Luftküsschen und boxt sich am Ende stolz auf die Brust wie ein Urmensch, der gerade ein Mammut erlegt hat. Raw Power indeed, Mr. Pop! Chapeau.

Manöverkritik zum Schluss

Auch The Mars Volta, deren Debut "De-Loused in the Comatorium" kürzlich 20-Jähriges feierte, hatten zu Beginn des Abends – zwar mit etwas chaotischem Mix-Sound – bereits eine erste Duftmarke gesetzt.

Bleibt noch etwas Manöverkritik am Ende. So gelungen der musikalische Part des Abends auch war, desto mehr Luft nach oben ist wieder mal bei der Logistik. Wartezeiten von einer Stunde am Bierstand oder gleich von zwei Stunden nach Konzertende auf dem Parkplatz bis zur Ausfahrt dürften bei einigen das positive Konzerterlebnis etwas getrübt haben. Da sollte man dran arbeiten.

"Bring back the socks" stand auf einem Fan-Plakat zu lesen. "Come back with socks" wäre der Wunsch nach dem Abend. Egal, ob an den Füßen oder sonstwo …

Setlist

Intro Jam / Around the World / Scar Tissue / Snow ((Hey Oh)) / Here Ever After / Suck My Kiss / Eddie / Soul to Squeeze / Me & My Friends / These Are the Ways / Throw Away Your Television / Tell Me Baby / Whatchu Thinkin' / Californication / Black Summer / By the Way // I Could Have Lied / Give It Away