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Impressionen vom Freitag (live bei Rock am Ring, 2019) © Peter H. Bauer

Der Freitag bei Rock am Ring 2019 steht im Zeichen alter Helden und vielversprechender Newcomer, die auch abseits der großen Bühnen ihre Qualität beweisen. Den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt aber eine Band, mit der vor einem Jahr niemand gerechnet hätte.

Rock am Ring hatte in den letzten Jahren mit Problemen zu kämpfen. Sei es das fürchterliche Unwetter, das zum Abbruch 2016 führte oder der Terror-Fehlalarm von 2017, der einen bleibenden Eindruck hinterließ, indem die Ticketverkäufe für 2018 hinter den Erwartungen zurückblieben.

Dass die Festivalmacher 2019 unter einem besonderen Druck stehen, lässt sich kaum leugnen. Sie reagieren mit der Ankündigung großer Namen. Allein dass Die Ärzte ihr langersehntes Comeback beim Ring und Park feiern, ist ein klares Zeichen, dass bei Rock am Ring nach wie vor geklotzt wird.

Eindrucksvolle Resonanz

Das Ergebnis lässt sich sehen: 86.000 Besucher sind vor Ort – das Festival ist fast ausverkauft. Und die Fans haben von Anfang an Bock auf das Wochenende. Bereits am Mittwoch und Donnerstag wird auf sämtlichen Zeltplätzen die Nacht zum Tag gemacht. Da stört auch das alljährliche starke Gewitter am gleichen Abend nicht wirklich. Große Vorfreude ist überall spürbar.

Mit diesen Voraussetzungen soll es dann am Freitag in die Vollen gehen.

Auftakt nach Maß

Der Tag startet perfekt. Passend zur Öffnung des Konzertgeländes zeigt sich die Sonne in ihrer ganzen Pracht, ohne dass es zu heiß ist – ideale Rahmenbedingungen eben. Während die ersten Bands Badflower, IDKHOW und Palisades zwar grundsolide Shows abliefern, sind die Plätze vor den Bühnen noch relativ dünn besetzt.

Das erste Mal wird es dann um kurz vor vier an der Crater Stage richtig voll. Drangsal spielt ein mitreißendes Set voller Uptempo-Indie-Nummern, bei dem vor allem die jungen Fans richtig mitgehen. Auf der großen Volcano Stage sorgen währenddessen Deadland Ritual trotz 30-minütiger Verspätung für Bewegung vor der Bühne - tja, auch Rockstars stehen mal im Stau.

Als die Band dann dennoch auf der Bühne steht, reiben sich viele Besucher verwundert die Augen: Hier spielen nämlich keine Geringeren als Geezer Butler, Matt Sorum, Steve Stevens und Franky Perez auf. Bei einer Supergroup aus (Ex-)Mitgliedern von Black Sabbath, Guns N‘ Roses, Billy Idol und Apocalyptica wird der Auftritt für Rockfans gleich doppelt interessant.

Legenden über Legenden

Leider setzt direkt danach der Regen ein, was das Publikum aber nicht davon abhält, die ersten richtig dicken Fische des Line-Ups zu feiern. Ein kleiner Schauer hat dem geneigten Rock am Ring-Besucher schließlich noch nie etwas ausgemacht. Bevor dann jedoch Alice in Chains die Volcano Stage betreten, übernimmt Marek Lieberberg höchstpersönlich das Mikrofon, um die Besucher vor den aufkommenden Windböhen von über 70 km/h zu warnen.

Wenn man das jedoch mit den schlechten Nachrichten vergleicht, die Lieberberg in den letzten Jahren überbringen musste, ist die Ankündigung glücklicherweise kaum der Rede wert. Da haben die Rock am Ring-Besucher in der Vergangenheit viel härtere Sachen durchgemacht.

Rohrkrepierer und echte Helden

Als dann endlich die Grunge-Helden der 90er aus Seattle auf die Bühne kommen, gibt es für viele Fans kein Halten mehr. Die Ekstase ist jedoch nur von kurzer Dauer, da es dem Set gewaltig an Biss fehlt. Da Sänger William DuWall und Gitarrist Jerry Cantrell auch noch Tablets an ihren Mikrofonständern befestigt haben, entsteht ein bisschen der Eindruck, dass sie ihre eigenen Songs nicht ohne fremde Hilfe beherrschen. Da wundert es auch wenig, dass das Publikum selten mehr als Anstandsapplaus spendet.

Eine halbe Stunde später bei Slash sieht das Bild schon ganz anders aus. Der Guns N‘ Roses-Gitarrist ist mal wieder mit Alter Bridge-Sänger Myles Kennedy unterwegs und legt dem Publikum vor der Volcano Stage richtige Hits vor die Füße. Sei es sein unglaublich guter Solosong "Anastasia" oder der Guns'n'Roses-Klassiker "Nightrain".

Das Publikum frisst ihm aus der Hand und befindet sich zum ersten Mal an diesem Freitag in richtiger Partylaune. Das einzige Problem ist, dass aufgrund des Windes die Delayboxen an der Volcano Stage vom Soundturm heruntergefahren wurden und der Sound dadurch in den hinteren Bereichen zu leise ist. Auch der Mix ist nicht wirklich optimal, was das Gesamterlebnis ein wenig beeinträchtigt.

Party vor der kleinen Bühne

Wer sich jedoch schon den ganzen Tag königlich zu amüsieren scheint sind alle Metalfans, die vor der kleinen Alternastage Bands wie While She Sleeps, Beyond the Black, Kvelertak oder Behemoth abfeiern. Hier geht richtig die Post ab – es wird gemosht und gepogt was das Zeug hält. Dazu ab und zu ein bisschen Feuer und ein viel besserer Sound als vor der Hauptbühne und fertig ist die große Metal-Sause. Hier wird klar, wie viel Bock die Leute haben, zu feiern.

Auch auf der Crater Stage ist die Stimmung mittlerweile am Kochen. Vor allem Foals spielen ein mitreißendes und abwechslungsreiches Konzert, das auch viele Zuschauer zum Tanzen bringt, die die Band bisher nicht zu kennen schienen.

Auch bei SDP rasten die Leute aus. Erst gibt es Flammen auf der Bühne, dann auch Bengalos im Publikum - ein absoluter Hexenkessel und ein großes Highlight. Das Ganze wird von einer großartigen Live-Band und einer tollen Lichtshow unterstützt. Die beiden Berliner liefern mit ihrer explosiven Mischung aus Hip-Hop, Rock und Pop eine der besten Shows des ersten Festivaltages. Zurück auf der Hauptbühne spielen The Smashing Pumpkins ein Konzert, das einem Co-Headliner absolut würdig ist, um dann der großen Band des Freitagabends Platz zu machen: Tool.

Ein unglaublicher Headliner

Was dann folgt, ist mit Worten schwer zu beschreiben. Maynard James Keenan und Co. liefern eine Show ab, die die Zuschauer komplett fesselt. Ihre unglaublich komplexe Musik wird mit abgedrehten Videoanimationen inszeniert und erzeugt dadurch ein faszinierendes Gesamterlebnis. Tool verzichten auf Kamerabilder auf den Screens links und rechts der Bühne und nutzen diese stattdessen für ihre Animationen, die perfekt mit der Musik im Einklang sind.

Keenan hat sich auf einem Podest im hinteren Teil der Bühne positioniert, während Gitarrist und Bassist den vorderen Teil ausfüllen. Es wird klar, dass hier nicht die Band oder einzelne Individuen im Fokus stehen sollen, sondern dass sich alle auf die Verschmelzung von Bild und Ton einlassen sollen.

Der Sound ist super und Tool spielen viele ihrer Hits wie "Parabola" oder "Ænema". Die Reaktionen im Publikum decken sämtliche Spektren der Begeisterung ab. Manche pogen in Moshpits durch die Gegend, andere stehen fast regungslos vor der Bühne und saugen die Multimediashow einfach auf. Tool bieten ganz großes Kino, das man so nur bei ihnen erleben kann.

Kontroverse Rapper

Der letzte große Act des Freitags sind Bonez MC & RAF Camora auf der Crater Stage. Keine Rapcrew hat Deutschrap in den letzten Jahren so verändert und beeinflusst. Jedoch ist die Vorfreude seit den Vorwürfen der häuslichen Gewalt gegen Bonez MC und Gzuz (der zwar kein direkter Teil des Acts ist, jedoch als Featuregast auftritt und als Teil der 187 Straßenbande immer mit dabei ist) etwas gedämpft.

Die Show selbst ist gut und Bonez MC und RAF Camora fahren viele Showeffekte wie ein überdimensionales Krokodil auf. "Ohne mein Team", "Palmen aus Plastik" oder "500 PS" sind längst Klassiker im deutschen Hip-Hop und funktionieren auf der Bühne super. Was die beiden Rapper angeht, bleibt trotz des gelungenen Auftritts ein fader Beigeschmack zurück. Das ändert jedoch nichts daran, dass Rock am Ring 2019 am ersten Tag vollauf überzeugt hat.