Sunn O))) (2019)

Sunn O))) (2019) © Roland Dick

Nach über zwei Jahren Abstinenz kommen Sunn O))) unter dem Motto "Let There be Drone!" zurück auf deutsche Bühnen und zelebrieren im restlos ausverkauften Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt die Kunst der kontrollierten Langsamkeit zum Start der aktuellen Europatour.

Vieles war an diesem Abend anders als bei herkömmlichen Konzerten. Bereits am Eingang des Mousonturms prangte in bunten Neonlettern der verheißungsvolle und sehr zutreffende Schriftzug "the future will be confusing". Ebenso verheißt ein kleines Schild am Einlass: "Es wird sehr laut!"

The Grimmrobe Demons

Drones, Drones, Drones, Frequenzüberlagerungen, Feedback und schwarze Mönchskutten. Das sind die heiligen Mittel des böse tönenden Monstrums Sunn O))). 1998 in Seattle gegründet, zählen die Kuttenträger heute unbestritten zu den mystischen Protagonisten des Drone-Doom – einer fast avantgardistischen Musikform, die sich vorzugsweise durch extreme Langsamkeit, stark verzerrte und tiefer gestimmte Gitarren sowie den weitgehenden Verzicht auf Rhythmik, Metrik und Melodie auszeichnet.

Sunn O))) bestehen im Kern aus den beiden Gitarristen Stephen O’Malley und Greg Anderson. In Frankfurt wurden die beiden von dem niederländischen Experimentalinstrumentalisten Tos Nieuwenhuizen am Moog Synthesizer, dem Bassisten Tim Midyett und dem Multinstrumentalisten Steve Moore an der Posaune begleitet.

Wall of Sound

Direkt nach Betreten des komplett unbeleuchteten und mit einer sanften Melange aus Jazzrock und Krautrock beschallten Konzertsaales wird schnell klar, was die Zuschauer erwartet und warum am Einlass vor extremer Lautstärke gewarnt wurde.

Der Großteil der Bühne besteht aus einer massiven Wand von Verstärkern der Marke Sunn Amplifiers. Diese heute sehr raren Verstärker sind nicht nur wesentlicher Teil des Kultes um die beiden federführenden Klangtüftler. Vielmehr sind sie auch deren Namensgeber – inklusive der typografischen Darstellung von Schallwellen in Form des O))).

Figure in Black Which Points At Me

Sunn O))) sind fernab ihres individuellen Sounds in erster Linie ein streng durchstrukturiertes Gesamterlebnis, dessen exorbitante Intensität durch das Schaffen einer mitreißend dichten Atmosphäre lebt. Dazu gehört in jedem Falle auch die gespenstisch-andächtige Ruhe vor dem Sturm.

Denn außer einem überwiegenden Schweigen ist kaum etwas im Raum zu hören, als der Saal kurz nach 20 Uhr unter blauem Scheinwerferlicht komplett eingenebelt wird. Die förmlich greifbare Spannung entlädt sich, als die in schwarze Mönchskutten gewandeten Musiker langsam, kaum sichtbar und fast geisterhaft schwebend mit den ersten ohrenbetäubend lauten Drones die Bühne betreten.

Ever Breath a Frequency?

Der wahnsinnig hohe Schalldruck der Drones, der sich aufschaukelnden Subbässe und der Frequenzüberlagerungen mit denen Sunn O))) ihr Publikum beschallen (oder besser: bedröhnen), ist nicht nur im sprichwörtlichen Sinne atemberaubend.

Dieses so geschaffene, infernalisch laute sonische Erdbeben ist, neben dem mystisch beleuchteten Nebel, das Hauptelement einer jeden Sunn O)))-Show. Alles, wirklich alles im Mousonturm vibriert unter dem wahnsinnig lauten und hypnotischen Sound, der sich an der Grenze des Ertragbaren bewegt!

Der tonale und bis in die Knochen spürbare Wahnsinn, den die Musiker auf der Bühne zelebrieren, geht weit über die Grenzen eines normalen Konzertes hinaus. Sunn O))) Shows sind auch als audiovisuelle und körperlich fühlbare Sitzungen zu verstehen. Music as a felt experience!

Mysteries of Life and Cosmos

Die Art und Weise wie Sunn O))) ihre Musik präsentieren, erinnert dabei stark an eine bis ins kleinste Detail perfekt durchgeplante Zeremonie oder Séance in Zeitlupe. Die Bühne wird zum Drone-Altar erkoren, das Medium, welches die monumental-sonischen Gebirge hervorruft, sind die Verstärker.

Diese zeremonielle Ästhetik mit den Musikern als Zeremonienmeistern verfehlt die Wirkung als bewusstseinserweiternde Gesamterscheinung nicht. Kaum verwunderlich also, dass sich einige der Konzertbesucher dieser dionysisch-anarchischen aber wohlgeordneten Soundorgie im Sitzen und/oder mit geschlossenen Augen hingeben. Maximum Volume Yields Maximum Results!

Eine andere Welt

Obwohl die extreme Lautstärke und die schiere Brutalität der Drones nicht unangenehm wirken, ist es dennoch irgendwie erlösend, dass nach etwa 90 Minuten die Zugabe folgt. Diese wird von Posaunist Moore mit ätherisch anmutenden Klängen eingeleitet, und bereitet durch eine wesentlich geringere Intensität perfekt auf das Konzertende vor. Sunn O))) schaffen es durch ihre Vision einer emotional-meditativen Musik, die Zuschauer in eine andere Welt zu transportieren und dadurch fast schon kathartische Zustände hervorzurufen. 

Fast ist man ein wenig froh darüber, nach Beendigung des Konzertes in die freundlichen Gesichter der Musiker zu schauen und zu wissen, dass die Aura des Dunklen und Bösen für diese außergewöhnliche Erfahrung als Spiegel des menschlichen Lebens nur ein Mittel zum Zweck war. Was für eine Mischung aus Sound, Performance Art und körperlicher Erfahrung! Let There Be Drone!

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