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Sarah Connor (live bei Jazz & Joy in Worms, 2018) © Bernward Bertram

Jazz & Joy 2018 in Worms feiert mit Sarah Connor beim Sonderkonzert und Candy Dulfer am Weckerlingplatz einen starken Auftakt. Die 20.000 Besucher können bei bestem Wetter an drei Tagen ein buntes Programm genießen. Schwächen gibt es dabei nur wenige.

Die Rahmenbedingungen für ein tolles Wochenende bei Jazz & Joy in Worms könnten 2018 kaum besser sein. Angenehme Temperaturen, kein Regen und viel Spaß.

Den Auftakt macht Sarah Connor beim Sonderkonzert. In zwei Stunden zeigt sie das ganze Spektrum ihrer bisherigen Karriere, garniert mit zwei besonderen Erinnerungen.

Rock und Soul

Seit ihrem Wechsel zur deutschen Sprache hat Sarah Connor zahlreiche neue Fans dazu gewonnen. Angenehm ist, dass sie sich fast durchgängig nicht in musikalischem Gefühlsgeduddel vergräbt, sondern die Songs mit rockig, energetischer Attitüde wie bei "Anorak" auf die Bühne bringt. Auch ein "Deutsches Liebeslied" wird mit gekonnter Selbstironie und starker Stimme zum rockigen Sound zu einem angenehmen Hörerlebnis.

Ihre Stärken als Entertainerin (und vierfache Mutter) stellt sie im Umgang mit einem kleinen Jungen unter Beweis, der unablässig ihren Namen ruft, und den sie kurzerhand auf die Bühne holt. Dort darf der Kleine für etwas zusätzliche Percussion sorgen. 

Musikalische Highlights

Musikalisch gelingen drei Songs besonders emotional. Wie die ganze Musikwelt trauert Sarah Connor um die kürzlich verstorbene Aretha Franklin: "Niemand sonst hat die Songs mit so viel Schmerz und Wut rausgerotzt". Ihr zu Ehren singt sie wirklich gelungene Interpretationen von "A Natural Woman" und "Say A Little Prayer".

Angesichts der aktuellen Krisen auf der Welt bildet der letzte Song "Augen Auf" einen flammenden Appell an die Menschlichkeit. Dafür fassen sich die Zuschauer an den Händen und alle stehen gemeinsam für eine humane Welt.

Während des Auftritts von Sarah Connor spielt das Jazztrio Seng/Kuehn/Jentzen auf dem Platz der Partnerschaft. Leider finden sich nur wenige Zuschauer ein, was aber nicht an den jungen Musikern liegt. Sie gewinnen dem Klaviertrio neue Seiten ab und überzeugend mit spritzigen, unterhaltsamen Interpretationen von Eigenkompositionen, Jazzstandards und Kompositionen der Klassik.

Groove in Dauerschleife 

Wer möchte, kann aufgrund des zeitversetzten Beginns nach dem Sonderkonzert direkt zum Weckerlinplatz gehen, wo Saxophonistin Candy Dulfer ein groovendes Feuerwerks bietet. Quer durch alle Genre über Soul, Funk, Rock und Country drückt Candy Dulfer mit ihrer Band aufs Gaspedal. Die fetzigen Rhythmen von "What Do You Do When The Music Hits" sind mitreißend und bringen die Zuschauer zum Tanzen.

Als kleiner Kontrast durchschneidet bei "Lost & Gone" dann ein einsames Saxophon den Nachthimmel und sorgt für gefühlvolle Momente. Dieses Instrument beherrscht Candy Dulfer wirklich in allen Spielarten. Nicht fehlen darf dabei der große Klassiker "Pick Up The Pieces", ein Cover der Average White Band.

So angeheizt scheinen weder Zuschauer noch Band den Abend beenden zu wollen, als "Sax A-Go-Go" zum Abschluss scheinbar zur groovenden Dauerschleife wird – ein tolles Opening am Freitagabend.

Schweizer Tag am Samstag

Für zwei Highlights am Samstag sorgen 2018 auf dem Marktplatz Sänger Seven und später Stefanie Heinzmann aus der Schweiz. Seven, in Deutschland bekannt aus der TV-Sendung "Sing meinen Song", liefert ein erstes Highlight mit einem Re-Cover. Er singt seinen eigenen Song "Go Slow" in dem Stil, wie ihn Xavier Naidoo für "Sing meinen Song" neu interpretiert hat. Stilistisch angelehnt an Soulstar D'Angelo wird daraus ein Slow-Groove mit Akzenten von Horn und Klarinette.

Das Beste an der Show ist aber die gute Laune, die wirklich jeder Musiker auf der Bühne ausstrahlt und die sich spürbar ins Publikum überträgt. Vom anheizenden "Wake Up" über den gesungenen Heiratsantrag "Walking With You", der als groovende Ballade mit einheizendem Temposolo der Gitarre daher kommt, bis hin zum soulintensiven "City Of Gold" zeigt Seven eine erstklassige Show. Das Publikum fordert energisch eine Zugabe, die durch "Partytown" in eine musikalische Gymnastikstunde mit permanentem Auf und Ab ausartet – das alles mit hohem Spaßfaktor. 

Power-Soul

Nach Seven legt Stefanie Heinzmann die nächste Groove-Party hin. Egal ob energetisch kraftvoll mit dem Marvin Gaye-Cover "Ain't No Mountain High Enough", dem langsamer als üblich gespielten "Roots To Grow", das dennoch nur so strotzt vor Power, oder dem akustisch gesungenen "My Man Is A Mean Man", Steffi Heinzmann überzeugt in jeder Facette.

Aus "Stranger In This World" macht sie gemeinsam mit Seven, der als Duettpartner auf die Bühne kommt, eine emotionale Ballade für musikalische Feinschmecker. So viel Gefühl auf Rhythmus und Groove ist großartig. Zum Abschluss zelebriert sie mit "In The End" über zehn Minuten ein tanzbar energetisches Feuerwerk.

Viel zu erleben

Die Stärke des Samstagabends zeigt sich auch beim Konzert von Bugge Wesseltoft und Christian Prommer. Die Kombination aus elektronischen Elementen und Jazz funktioniert ausgezeichnet, so gut wie kein Zuschauer erhebt sich im Verlauf des Konzerts von seinem Platz. Bei so viel gleichzeitiger Action auf allen anderen Bühnen ist das eine bemerkenswerte Auszeichnung.

Akustische Probleme stören hingegen den Auftritt von Son del Nene am Schlossplatz. Speziell am hinteren Ende kommt so gut wie kein klarer Sound an, weder die Instrumente noch die Gesangsstimme sind sauber zu verstehen. Schade – die kubanischen Klänge des Buena Vista Social Club wären bei guter Akustik bestimmt ein Highlight gewesen.

Höhen und Tiefen am Sonntag

Der Sonntag hat dann nicht nur Highlights zu bieten. Über die Entscheidung, die Kindermusikband "Deine Freunde" auf dem Marktplatz auftreten zu lassen, kann man lange diskutieren. Vermutlich wäre diese Show, die primär Kinder und ihre Eltern anspricht, besser auf der Bühne vor der Jugendherberge aufgehoben gewesen wäre, wo die Publikumsinteraktion aufgrund der geringeren Größe leichter ist.

Auch die "Partymusik" von Flo & Chris besitzt nicht wirklich das Potential, am Sonntagabend den Marktplatz ansprechend zu füllen. Die Show funktioniert – wenig überraschend – eigentlich gar nicht, weil das Duo nicht überzeugend vermitteln kann, dass es auf einem Musikfestival am richtigen Platz ist.

Auch das Abschlusskonzert auf dem Weckerlingplatz erfüllt die Erwartungen nicht. Die Ephemerals spielen zwar einen ordentlichen Groove, sind vor allem aber zu Beginn nicht harmonisch. Das Gesangsmikro ist zu laut, die Musik klingt sehr gleich und wenig inspirierend. Erst gegen Ende der Show steigert sich die Band, aber dann ist der Platz schon ziemlich leer.

Entspannter Blues

Auf dem Weckerlingplatz spielen Torsten Goods & Band ein wirklich gut zu hörendes Konzert. Der Gitarrist, der auch in der Band von Sarah Connor spielt und bereits seit Freitag in Worms ist, pflegt enge Verbindungen zur Stadt und zu Freunden in Worms. 

Der bekennende Superfan von George Benson beherrscht sowohl das schnelle Gitarrenspiel als auch die sanften Melodien zum Träumen, perfekt für einen sonnigen Sonntag Mittag. Nebenbei covert er diverse Songs von alten Helden wie "Loves Comes To Town" von B.B. King, aber auch aktuelle Stars wie Adele. So wird aus "Someone Like You" ein ebenso gefühlsintensives, aber noch verspielteres Cover.

Jazz mit Anspruch

Auf dem Platz der Partnerschaft spielen Nils Wogram und Band anspruchsvollen, modernen Jazz mit vielen Stimmungswechseln. Es ist manchmal nicht leicht, der bisweilen sperrigen Musik zu folgen. Diese belohnt aber Aufmerksamkeit mit unerwarteten Einblicken. Unter den Musikern ragt Saxophonist Hayden Chisholm mit seinem wunderbaren Ton heraus.

Der Schweizer Jazztrompeter Franco Ambrosetti ist inzwischen in einem Alter angekommen, wo er vornehmlich seine Mitmusiker spielen lässt. Unter ihnen befindet sich sein Sohn, der im Duo John Coltranes "Crescent" covern darf. Die Stärken der Band liegen aber in ihrem ausgewogenen Sound, der gleichermaßen eingängig wie spannungsreich ist. Ihr Programm besteht größtenteils aus klassischen Kompositionen des Jazz und Standards, die Ambrosetti & Co. aber originell interpretieren.

Highlights zum Abschluss

Den größten Applaus am Sonntag verdienen sich am Schlossplatz gleich zwei Bands. Für eine positive Überraschung sorgt die Jimmy Reiter Band, die mit ihrem Southern Blues ein entspanntes Hörerlebnis bietet. Am Ende feuern sie mit einem schnellen Boogie das Publikum nochmal so an, dass sie zum Dank einen richtig langen Applaus zum Abgang erhalten.

Als Highlight angekündigt liefern Paul Lamb & The King Snakes genau das ab. Ihr erdiger Blues, garniert mit viel Country und Rock, ist dank fingerfertigem Gitarrenspiel ein echter Hörgenuss und sorgt für einen vollen Platz bis zum Ende. Vor allem Paul Lamb an der Mundharmonika wird mehrfach mit Sonderapplaus gefeiert und schafft es durchgehend, mit seiner coolen Art das Publikum zum Mitmachen zu animieren.

Damit gehen drei ereignisreiche Tage bei Jazz & Joy zu Ende. Während in Worms verständlicherweise die Nibelungenfestspiele einen Großteil der Aufmerksamkeit genießen, bietet Jazz & Joy jedes Jahr mit hochkarätiger Musik ein genauso großes kulturelles Highlight. 

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