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Hans Zimmer (live in Frankfurt, 2017) © Boris Korpak

Nach etwas zähem Beginn sorgt ein gut gelaunter "Frankfurter Bub" Hans Zimmer bei seiner Rückkehr in die alte Heimat in der Commerzbank-Arena mit einem über 60-köpfigen Orchester fast drei Stunden lang für das, wofür man ihn am besten kennt – Filmmusik auf Blockbuster-Niveau.

Hollywood hat zwar einige Superstars zu bieten, aber nur wenige davon kommen aus Deutschland. Wenn sich also mit Hans Zimmer einer der größten Filmmusikkomponisten unserer Zeit nach seiner gelungenen Hallentour im Vorjahr erneut auf ausgedehnte Konzertreise durch Europa begibt, stößt das bei den geneigten Musikhörern und Kinofans durchaus auf großes Interesse.

Liveshows von Komponisten liegen derzeit im Trend. So ist es kaum verwunderlich, dass sich für das Konzert des deutschen Oscar-Preisträgers in seiner Geburtsstadt knapp 20.000 Zuschauer in der bestuhlten Commerzbank-Arena eingefunden haben.

Lokalpatriot aus Hollywood

So freut sich auch Hans Zimmer, nach knapp einem halben Jahrhundert einmal wieder zurück in der alten Heimat zu sein. Nach einem etwas schleppenden Beginn, bei dem sich der Großteil seiner Begleittruppe noch hinter dem Vorhang verbirgt, demonstriert er Lokalpatriotismus, als er seine Jacke abstreift, um darunter ein signiertes Trikot von Eintracht Frankfurt zu präsentieren.

Natürlich wird so viel Verbundenheit mit der Mainmetropole direkt honoriert – obwohl das Publikum anfangs insgesamt noch ebenso reserviert auf die Musik reagiert, wie sie sich dynamisch etwas unausgegoren aus den Lautsprechern präsentiert. 

Gut gelaunter "Frankfurter Bub"

Hans Zimmers guter Laune tut dies jedoch keinen Abbruch. Bei seinen Ansagen ist er zu Scherzen aufgelegt und erzählt immer wieder interessante Anekdoten. Die Zuschauer erfahren beispielsweise, dass er – laut eigener Aussage – wohl in seiner Kindheit und Jugend als Schüler gleich von mehreren deutschen Lehranstalten geflogen und so letzten Endes gezwungen gewesen sei, Musiker zu werden.

Im Kontext dieser Erzählungen stellt Zimmer dann auch den ersten Stargast des Abends vor. Für den "Gladiator"-Abschnitt des Abends werden der Komponist und sein über 60-köpfiges Team auf der Bühne von Sängerin und Komponistin Lisa Gerrard begleitet, die bereits an den Aufnahmen zum Golden Globe-prämierten Soundtrack beteiligt war.

Sphärische Schwertkämpfe

Die folgende Musik zu Ridley Scotts Monumentalfilm sorgt gleich für das erste wirkliche Aha-Erlebnis des Abends. Einerseits liegt das an der Stimme der Australierin, die dafür anschließend völlig zurecht große Resonanz erhält, andererseits ebenso an den weiteren begnadeten Musikern wie Gitarrist Guthrie Govan, Flötist Pedro Eustache oder Cellistin Tina Guo, die Zimmer mitgebracht hat.

Der Komponist selbst steht dabei ständig in der Mitte des Geschehens und präsentiert sich als echter Multiinstrumentalist. Ob Klavier, Banjo, Synthesizer, E-Gitarre oder Bass – im Laufe des Abends wechselt er immer wieder von einem Instrument zum anderen, während das Publikum langsam, aber sicher Betriebstemperatur erreicht hat und sich nach "Gladiator" zum ersten Mal für Ovationen erhebt

Afrika im Frankfurter Stadtwald

"Paris ist eine schöne Stadt, aber nicht so schön wie Frankfurt", lässt Hans Zimmer verlauten, als er das unweit des Louvre spielende "The Da Vinci Code" ankündigt. Natürlich ist ihm nach einer solchen Aussage beim Heimspiel großer Applaus sicher. Der Komponist weiß eben, was das Publikum will. Dazu gehört, Tina Guo sowie die beiden Geigerinnen Molly Rogers und Leah Zeger ins rechte Licht zu rücken.

Worauf die Zuschauer aber musikalisch noch sehr viel eher gewartet haben, ist "The Lion King" – komplett mit Originalsänger Lebo M am Mikrofon. Als der Chor zu Beginn des Oscar-prämierten Soundtracks einsetzt und sich vom sphärischen Anfang bis zum druckvollen "The Circle Of Life"-Finale steigert, hat man auch beinahe das Gefühl, sich selbst gerade irgendwo in Afrika zu befinden.

Vor dem inneren Auge

Die Bilderwelt überlässt Hans Zimmer dabei völlig seinem Publikum. Wer auf Filmausschnitte auf der Leinwand gewartet hat, wird enttäuscht. Zwar kommen die Projektionsflächen im Laufe des Abends zum Einsatz – allerdings nur, um minimalistisch gehaltene Animationen zu den einzelnen Werken darzustellen. Alles andere müssen bzw. dürfen sich die Zuschauer selbst per "Kopfkino" ergänzen.

Manche Besucher folgen dieser indirekten Aufforderung auch. Hier und da sieht man auf den Rängen geschlossene Augen, hinter denen zu den Klängen der Musik ein innerer Film abzulaufen scheint. Dass dabei in der Anfangsphase gerade die leiseren Passagen – beinahe schon typisch für die Frankfurter Commerzbank-Arena – leicht unterzugehen drohen, stört jedoch keinen der Anwesenden so wirklich.

Selbstironisch in die Vergangenheit

Die Show bietet auch zu viele Highlights, um sich an Kleinigkeiten aufzureiben. Eine gelungene und vielumjubelte Überraschung ist beispielsweise, als Hans Zimmer plötzlich seinen alten Weggefährten, den Starproduzenten Trevor Horn, auf der Bühne begrüßt, um zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend etwas zu präsentieren, das mit Soundtracks eigentlich wenig bis gar nichts am Hut hat.

Als junger Mann wirkte der Komponist im Video zum Megahit "Video Killed The Radio Star" von Horns Gruppe Buggles mit – und genau dieses Stück führen die beiden nun mithilfe des Orchesters nun auch fulminant auf. Der Produzent greift zunächst zu Mikrofon und E-Bass. Mit Goldkette und Sonnenbrille bewaffnet, rappt Horn sich zur Freude des Publikums schließlich selbstironisch durch das Stück.

Epische karibische Piratengefühle

Inzwischen ist allerorts im Stadion die gute Laune angekommen, denn Zimmer und sein Team legen zum Ende des ersten Teils mit Auszügen aus den "Pirates Of The Caribbean"-Filmen gleich noch ein grandios angelegtes Soundspektakel nach, bei der zunächst einmal Cellistin Guo glänzen darf und sich in bestem Metalstil mit wehenden langen Haaren und jeder Menge Live-Energie präsentiert.

Da zudem die Dämmerung langsam über der Mainmetropole einsetzt, werden auch die Lichteffekte auf der Bühne schrittweise imposanter. Das Piratenmedley dröhnt dynamisch, aber für Stadionverhältnisse sehr transparent aus den Boxen und sorgt für gespannte wie beeindruckte Minen bei den Zuschauern, die mit diesem atemberaubenden Kracher in eine 20-minütige Pause verabschiedet werden.

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Als sich bereits zu Beginn der zweiten Hälfte die Dunkelheit über der Arena ausgebreitet hat, erlebt das Publikum am eigenen Leib, warum die Macher in Hollywood so begeistert von Zimmers Arbeit zu sein scheinen. Der Meister hat sich für diesen Teil der Show nämlich Monumentales ausgewählt. Zu rotem Lichtflimmern dröhnen die Klänge von Terrence Malicks "The Thin Red Line" aus den Lautsprechern.

Mittlerweile scheinen sich die Soundtechniker auch auf die Arena eingestellt zu haben. War man sich in der ersten Hälfte manchmal etwas unsicher, ob das Rauschen im Hintergrund etwaigem auf das Stadion prasselnden Regen, den Betriebsgeräuschen des Stadions oder einfach falsch kalibrierter Surroundboxen geschuldet war, so sorgt die Rundumbeschallung nun für echte Gänsehautmomente.

Gelungene Werkschau

Man mag von Hans Zimmer halten, was man will. Der Mann hat zahlreiche Kritiker, teils vermutlich nicht völlig zu Unrecht. Da wären zum einen die Stimmen, die sich negativ über die von ihm ins Leben gerufene Soundfabrik äußern. Zum anderen lässt sich unter Filmfans wie Musikern über die Qualität seines quantitativ unglaublichen Outputs streiten.

Glücklicherweise konzentriert sich Zimmer in Frankfurt weitgehend auf die Höhepunkte seines Schaffens, auch wenn trotz knapp dreistündiger Spielzeit ein paar Highlights wie "The Rock" auf der Strecke bleiben. Dafür gibt es während der zweiten Hälfte vorzüglich neuarrangierte Medleys, die sich eigentlich sehr viel besser als formidable Werkschau eignen als vieles aus dem ersten Teil.

In neuem Glanz erstrahlende Klangkunst

Einen besonderen Platz räumt Hans Zimmer hierbei seinen Arbeiten für Christopher Nolan ein. Allerdings kommen auch Filme wie "Crimson Tide" mit seinen langen Chorpassagen und einem brachialen Percussion-Duett zwischen Satnam Ramgotra und Holly Madge, "The Amazing Spiderman 2" in Form des "Electro Theme" oder "Man Of Steel" in teils umgestalteten Fassungen zum Zuge.

Der Kontrast zwischen den leisen und lauten Passagen funktioniert in der zweiten Hälfte gefühlt sehr viel besser als noch zu Beginn – was auch der mittlerweile verbesserten Abmischung und der sehr viel intensiveren Lightshow, inklusive Stroboskopen auf die Saiteninstrumentalistinnen, geschuldet sein mag. Die Commerzbank-Arena bebt, ohne dabei jedoch im Dröhnen eines Klangbreis unterzugehen.

Dunkle Ritter mit dunkleren Momenten

Selbstverständlich hat das Publikum aber bereits sehnlichst auf Passagen aus Nolans "The Dark Knight Trilogy" gewartet, die Zimmer auch entsprechend ankündigt. Einmal erzählt er vom befreundeten Komponisten James Newton Howard, dem bei "Batman Begins" die Rolle des eleganten Bruce Wayne zugekommen sei, während er den Part des dunklen Ritters übernommen habe.

Zudem erzählt Zimmer von Heath Ledger, dessen viel zu früher Tod ihn beinahe dazu gebracht habe, die "punkigen" Passagen für dessen Szenen in "The Dark Knight" zu entfernen. Als Hommage an den talentierten Joker habe er sie aber im Film belassen. Im Nachhinein war dies auch eine gute Entscheidung, machen doch gerade diese leicht bratzigen Momente im Livekontext einiges her.

Traumhaftes episches Finale

Das große Finale des Abends gebührt ebenso einer Auswahl von Klängen aus Christopher Nolan-Filmen. Zunächst begeben sich Zimmer und sein Orchester in den Weltraum. An ein sphärisches Klavier- und Orgelintro schließt die gewaltige "Interstellar"-Suite an, nach der sich der Komponist zunächst für die Unterstützung des Publikums bedankt und von ihm verabschiedet.

Ohne Zugabe wäre das monumentale Konzert aber selbstverständlich nicht komplett, und so hat auch noch niemand die Bühne verlassen. Es kracht und dröhnt noch einmal aus den Boxen. Weiße Strahler huschen über das Publikum hinweg. Im Kopfkino begeben sich die Zuschauer gemeinsam mit Leonardo DiCaprio in die Traumwelt von "Inception", unter deren gewaltigem Druck auch das Stadion beinahe zusammenkracht.

Kaum ein Abschluss hätte passender für ein solch monumentales Konzert mit einem gut aufgelegten Hans Zimmer und seiner extrem spielfreudigen Truppe sein können. Nach einem leicht zähen Beginn lässt sich an der Livewirkung seiner Werke aber nichts bemängeln. Die ist nämlich, ohne zu Übertreibungen neigen zu wollen, wahrlich phänomenal.

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