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Melt Yourself Down (2016) © Johanna Reubel

Jazz ist anders. Der Albumtitel der Ärzte bewahrheitete sich beim Konzert der britischen Jazz-Supergroup Melt Yourself Down im Karlstorbahnhof. Nicht nur die Band selbst war am Ende völlig durchgeschwitzt.

Zwei Tenorsaxophone, Drums, Percussion, ein Bass und ein Gesangsmikro – das sind die Zutaten für einen Abend, den man im Karlstorbahnhof Heidelberg lange nicht vergessen dürfte. Es ist das erste Konzert von Melt Yourself Down in Deutschland überhaupt, obwohl es die Band bereits seit 2012 gibt. Bisher konzentrierte sich ihr Einflussbereich allerdings größtenteils auf Großbritannien.

Im Saal des Karlstorbahnhofs ist vor dem Konzert Vorfreude beim Publikum zu spüren. Etwas später als geplant betreten Melt Yourself Down und nach die Bühne und setzt auch so ein: zuerst die Rhythmussektion, dann Saxophon und Bass und abschließend Sänger Kushal Gaya.

Kleine Brötchen backen die Anderen

Das erste Stück des Abends ist das extrem tanzbare "We Are Enough" vom selbstbetitelten Debüt der Band. Dass hier keiner halbe Sachen macht, wird gleich dann klar, als Gaya von der ohnehin nicht sonderlich hohen Bühne hinab- und ins Publikum hineinspringt. Klangkunst mit Körperkontakt.

Doch auch auf der Bühne steht niemand still. Man kann zwar erahnen, dass jedes Bandmitglied eine mehr oder weniger feste Position einnimmt, doch ganz im Stile des karibischen Piratenkodex' handelt es sich dabei eher um Richtlinien. Lediglich Drummer Tom Skinner und Percussionist Satin Singh sind zwangsläufig an ihren Platz gebunden, was aber nicht heißen soll, dass sie dort wie angewurzelt stehen.

Einheitlich

Nachdem Gaya wiederum auf die Bühne zurückgekehrt ist, bittet er das Publikum näher an die Bühne heran. Die Gäste teilen sich in einen vorderen tanzenden und einen weiter hinten stehenden, aber nicht minder begeisterten Teil und machen die Tatsache mehr als wett, dass der Karlstorbahnhof nicht gänzlich gefüllt ist.

Dass jeder Musiker eine außergewöhnliche Leistung darbietet, muss hier eigentlich nicht erwähnt werden. Doch ist hervorzuheben, dass trotz zig unterschiedlicher Tonquellen, doppeltem Saxophon-Einsatz und zahlreichen Effektgeräten das Gesamtbild an keiner Stelle überladen klingt, sondern ganz im Gegenteil stets einheitlich rüberkommt. Das gehört genau so zusammen.

Gruppengymnastik musikalisch begleitet

Die Dynamik innerhalb der Band macht allein beim Zuschauen Spaß. Hier wird nicht routiniert runtergespielt, sondern mit Begeisterung für die Musik und das Bühnenleben agiert. Man könnte sich nicht vorstellen, was die Musiker sonst mit ihrem Leben anfangen sollten. Besonders Bandleader und Saxophonist Pete Wareham, der bereits mit seiner Band Acoustic Ladyland einen BBC Jazz Award gewonnen hat, spielt nach kürzester Zeit im Schweiße seines Angesichtes und hat wohl keine einzige trockene Faser mehr in seinem Hemd.

Recht bald macht er es Sänger Gaya nach und sucht mit seinem Instrument die Nähe des Publikums. Es bleibt nicht bei diesem einen Mal, ebenso wenig wie bei Gaya. Publikumsnähe wird hier generell groß geschrieben. So etwa auch, als Gaya bei der Darbietung von "Camel" zum Mitsingen und Schreien auffordert und das Publikum dem willig nachkommt.

Der schnöde Mammon

Melt Yourself Down kennen keine Gnade mit dem Publikum, geschweige denn Pausen. In den gut eineinhalb Stunden, die das Konzert dauert, werden gefühlt alle Songs der bisher erschienenen Alben der Band gespielt. Am Ende gibt es wohl niemanden im Raum mehr, der nicht ins Schwitzen gekommen wäre. Es ist fraglich, ob auch andere Bands vor halbvollem Saal eine derartige Leistung und Energie an den Tag gelegt hätten. Mehr kann man wohl kaum erwarten.

Zum Schluss weist Sänger Gaya humorvoll auf den Merchandise-Stand hin. Deutschland sei ja ohnehin der Zahlmeister Europas, und in Anbetracht von Brexit und sinkendem Pfund könne man nun dieser Verpflichtung ganz persönlich nachkommen. Bleibt zu hoffen, dass zahlreiche Gäste dieser Aufforderung Folge geleistet haben. Es wäre schade, wenn eine Ausnahme-Band wie Melt Yourself Down an so etwas banalem wie Geld scheitern würde.

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