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Michael Kiwanuka (live in Frankfurt 2019) © Torsten Reitz

Michael Kiwanuka zählt zu den spannendsten Künstlern der Gegenwart. In der ausverkauften Batschkapp stellt er unter Beweis, wie komplex sein Werk ist – und dennoch zugänglich genug, um die Zuschauer für sich einzunehmen.

Michael Kiwanuka ist mit seinem neuen, schlicht "Kiwanuka" betitelten Album der Durchbruch gelungen. Das Resultat ist eine restlos ausverkaufte Frankfurter Batschkapp und hohe Nachfrage nach dem neuen Werk, was dazu führt, dass es nicht einmal am Merchstand erhältlich ist.

Das Bemerkenswerte an Kiwanuka ist die Kombination aus offensichtlichen Retro-Elementen mit modernen Produktionsmethoden. Seine Musik ist stärker in der Gegenwart verankert als die von Soul-Epigonen wie Sharon Jones und Charles Bradley.

Die andere Seite des Souls

Seine Konzerten unterschieden sich auch sehr von den wilden, ja ekstatischen Shows, die insbesondere Bradley spielte. Dessen großes Vorbild war James Brown, während der Engländer Kiwanuka auf der anderen Seite des Soul-Spektrums angesiedelt ist. James Brown war "the hardest working man in showbusiness", Kiwanuka ist der nachdenklichste.

Anders gesagt: Wer eine ausgelassene Soulparty möchte, ist bei Kiwanuka falsch. Seine suchende, fragende Musik entstammt einer ganz anderen Welt. Kiwanuka ist zudem kein Showman, kein Entertainer, er wirkt auf der Bühne zurückhaltend und eher scheu, obwohl er seine Freude über die zahlreich erschienenen Zuschauer ehrlich zum Ausdruck bringt.

In der Tradition

Was Kiwanuka trotz allem fest in der Tradition des Soul verankert ist der Ausdruck menschlichen Lebens und Leidens. Soulmusik verkörpert die Selbstbehauptung im Angesicht persönlicher, gesellschaftlicher oder politischer Widrigkeiten – und Kiwanuka schöpft aus dieser Tradition mit vollen Händen.

Ob Selbstkasteiung ("Cold Little Heart") oder Selbstbehauptung ("Love & Hate"), Ermutigung ("You Ain't The Problem") oder Anklage ("Living In Denial"), Kiwanukas Musik verdeutlicht, dass er es weder sich noch anderen leicht macht. Die klassischen Themen von Suche und Verlust der Liebe bilden ebenfalls eine Konstante seines Werks.

Komplexes Erlebnis

Das Konzert beginnt mit vier Liedern seines neuen Albums, die allesamt sehr nahe an der Studioversion klingen. Sogar die leichte Übersteuerung, charakteristisch für die Danger Mouse-Produktion, wird reproduziert. Je länger das Konzert dauert, desto stärker löst sich Kiwanuka von den Studiovorlagen und bietet einen umfassenden Einblick in seine musikalische Welt.

Das Beeindruckende am regulären Set ist, dass die Musik trotz aller Unterschiedlichkeit ein beeindruckend hohes Niveau besitzt. Klare Höhe- oder Tiefpunkte gibt es gar nicht, nur intensive Stücke, die sich nahtlos aneinander anschließen und sich zu einem immer faszinierenden Gesamtbild verdichten.

Rätselhafter Protagonist

Dabei ist Kiwanukas Musik manchmal überraschend zurückhaltend, so dass bei den ruhigeren Stücken wie "Light" Nebengeräusche deutlich hörbar sind. In diesen Augenblicken wünscht man sich ein gediegeneres Ambiente mit Sitzplätzen, um die Musik noch ungestörter genießen zu können.

Das würde aber bedeuten, dass die Zuschauer sich weitaus weniger bewegen können, was sie beispielsweise bei der umjubelten Zugabe nutzen. Sicher, die Abfolge von "Home Again", "Cold Little Heart" und "Love & Hate" ist in ihrer musikalischen Eindringlichkeit schwer zu übertreffen. 

Dafür sorgt auch die unauffällige, aber sehr songdienlich und tight agierende Band, der es gelingt, die Stücke angemessen, aber nicht exzessiv auf der Bühne zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht aber natürlich Kiwanuka, der trotz der scheinbaren Aufrichtigkeit seiner Musik ein Mysterium bleibt.

Setlist

Piano Joint (This Kind of Love) / You Ain't the Problem / Rolling / I’ve Been Dazed / Black Man in a White World / Rule The World / Hero / Tell Me a Tale / Light / The Final Frame / Living in Denial / Final Days / Solid Ground // Hard to Say Goodbye / Home Again / Cold Little Heart / Love & Hate

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