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Hexvessel (live in Karlsruhe, 2016) © Johannes Rehorst

Ob Black Metal mit Dodheimsgard oder Post-Punk mit Grave Pleasures, Mat McNerney ist ein Mann vieler Genres. Mit Hexvessel, einer seiner beständigsten Bands, taucht er die Alte Hackerei in Karlsruhe in einen psychedelischen Nebel, den man nur ungern wieder verlässt.

Der Besuch einer Hexvessel-Show gleicht ein wenig dem Besuch in einem dieser kleinen Hippie-Läden. Einer von denen, die in einer kleinen Seitengasse gelegen sind, und deren Fenster mit esoterischem Schmuck und bunt gemusterten Stoffen vollgehängt sind.

Aus der Tür strömen allerlei exotische Gerüche, das Innere wirkt ebenso gemütlich wie mystisch. Und nicht zu vergessen den etwas schrulligen Besitzer, der den Eindruck erweckt, man würde ihn schon ewig kennen, auch wenn man ihn zum ersten Mal sieht. Genauso ist das wenn man Hexvessel auf der Bühne erlebt – heimelig, geheimnisvoll und irgendwie magisch.

Sympathisch, natürlich, ungekünstelt

So ist es auch am Freitag in Karlsruhe. Die Alte Hackerei ist mit ihrem Punk-Charme, dem gewaltigen Longhornrind-Hörnerpaar über der Bühne und dem engen Zuschauerraum genau der richtige Ort, um die Psych-Folk-Band im richtigen, da intimen Rahmen zu erleben. Sympathisch, natürlich und bemerkenswert ungekünstelt geben sich die fünf Finnen und beweisen, dass sie zum Spannendsten gehören, was die aktuelle Underground-Szene derzeit zu bieten hat.

Dass dem so ist, liegt sicher auch an Mat McNerney. Unter dem Pseudonym Kvohst wirkte er als Sänger von Code und Dodheimsgard an bahnbrechenden und innovativen Alben der jüngeren Black Metal-Geschichte mit (Dodheimsgards "Supervillain Outcast" beispielsweise) und mit dem Debüt seiner Band Beastmilk gelang dem Wahlfinnen und gebürtigen Briten 2014 ein kleiner Independent-Erfolg, den er jüngst mit der inzwischen in Grave Pleasures umbenannten Band auch fortsetzen konnte. Ein Mann mit vielen Facetten also.

Weihrauchdämpfe und Trinkhörner

Der wichtigste Fixstern im musikalischen Kosmos McNerneys ist seit 2009 aber Hexvessel und dort wirkt er in seiner Rolle als Sänger und Gitarrist gänzlich in seinem Element.  Irgendwie schafft der Mann es immer, Pathos und Authentizität so unter seine breite Hutkrempe zu bringen – und zwar wortwörtlich – ohne dass das gänzlich abgehoben wirkt.

Klar, Weihrauchdämpfe und ein auch im Publikum herumgereichtes Trinkhorn gegen Ende der Show müssen nicht jedem gefallen. Doch wirken sie bei einem Hexvessel-Konzert nicht fehl am Platz, sondern fügen sich nahtlos und logisch in den Kontext ein. Das wirkt nicht wie bloße Show, sondern erzeugt eher das Gefühl, den Musikern gehe es wirklich darum, etwas über die Musik hinaus Verbindendes beim Zuhörer hervorzurufen.

Psychedelic Rock par exellence

Vom Okkult-Folk früherer Alben ist an dem Abend nicht sonderlich viel zu hören. Statt dessen präsentieren die vier Herren und die Dame am Bass ein kurzes, knackiges Set vorwiegend mit Stücken aus dem aktuellen Album "When we are dead", aber auch einige Perlen aus vorherigen Werken, wie das hymnische "I am the Ritual" oder die Folk-Perle "Sacred Marriage".

Insgesamt stehen in Karlsruhe die Zeichen jedoch eher auf Rock – und zwar recht psychedelischer Prägung. Jim Morrison und seine Doors lassen live sogar noch mehr grüßen als auf der Platte.  Vor allem aber sind Hexvessel eine unglaublich gute Liveband. Kimmo Helén gleicht einem gut gelaunten Irrwisch und bedient Schweineorgel, Violine oder Trompete gleichermaßen enthusiastisch, Basserin Niini Rossi wirkt in ihrem entrückten Spiel stellenweise wie auf einem anderen Stern, während Jukka Rämänen wie ein bärtiger Waldgeist über das Drumset wirbelt. Simo Kuosmanen ruht an der Gitarre in sich selbst und Mat McNerney wiederum ist mit seiner charakteristischen Stimme der Dreh- und Angelpunkt des Abends.

Ein Konzert wie ein Ritual

Etwas über eine Stunde lang zelebrieren er und seine Mitmusiker ihr kleines Ritual, inhalieren dabei den Geist der 60er Jahre ("Earth over us"), schwelgen beim herzzerreißenden "Cosmic Truth" kurzzeitig in romantischen Sphären, nur um dann bei Songs wie "When I Am Dead" oder dem doomig-psychedelischen "Drugged Up On The Universe" die Röhrenamps ordenlich zum Glühen (und das Publikum zum extatischen Tanzen) zu bringen.

Highlight des Abends ist – jedenfalls für den Verfasser dieser Zeilen – "Mirrorboy". Ein Stück über einen jungen Mann aus Finnland, der an seinem Schicksal verzweifelte, wie McNerney erzählt. Und auf einmal ist sie da: Die finnische Melancholie, mitten in Karlsruhe. Mit Geigen. Wow.

Gerne mehr

Viel zu schnell waren die Musiker von der Bühne verschwunden, um nochmal für eine kurze Zugabe zurückzukommen. Beim abschließenden "Invocation Summoning" wird das Publikum gar zum Mitmachen animiert, so dass aus Sicht der einen oder des anderen Besuchers durchaus noch Luft nach oben gewesen wäre für ein bis zwei weitere Songs. Aber auch so blieb das rundum zufriedene Gefühl, gerade Teil eines magischen Abends gewesen zu sein.

Den Abend eröffnen übrigens die New Keepers of the Water Towers. Die sympathischen Schweden gaben mit einem wahren Sammelsurium an Instrumenten – von der Lap-Steel-Guitar bis zum Regenmacher war alles vertreten – einen kleinen Vorgeschmack auf das, was später kommen sollte. Ihr orgellastiger und angenehm krautiger Pyschedelic-Rock mit Anleihen bei Neu! oder Hawkwind war jedenfalls der ideale Nährboden für das Hexvessel’sche Pilzgemisch. "This Song is about going in the jungle and stuff" lautete die Ansage zu einem Song – was man halt so macht in Schweden.

Setlist

Heaven and Earth Magic / Woods to Conjure / Transparent Eyeball / I am the Ritual / Mirror Boy / Sacred Marriage / Drugged up on the Universe / Cosmic Truth / Mushroom Spirit Doors / Earth over us / When I'm dead // Invocation Summoning

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