AN&AUS Fotostrecke starten

AN&AUS © Christian Kleiner

"Nach der Freiheit" ist das Motto, unter das Burkhard C. Kosminski die Premieren der neuen Spielzeit am Nationaltheater Mannheim stellt. Tanja Binder sprach mit dem Schauspielintendanten über seine Pläne zur Spielzeit 2016/17

"Die schöne Freiheit … will ich verpflanzen in mein Heimatland", zitiert Burkhard C. Kosminski, der Intendant des Schauspiels am Nationaltheater Mannheim (NTM) bei der Pressekonferenz Friedrich Schiller. Damit öffnet der 55-jährige Schauspielchef das weite Feld, das er gemeinsam mit Dramaturg Ingoh Brux und seinem Team in der nächsten Spielzeit beackern wird.  

Kosminski, der einst Regie und Schauspiel am Lee Strasberg-Theater-Institut und am William-Esper-Studio in New York studierte, ist seit 2006 Schauspieldirektor am NTM, seit März 2013 Schauspielintendant und Betriebsleiter  

regioactive.de: Der Gemeinderat hat für die Verlängerung Ihres Vertrages bis 2022 ausgesprochen. Haben Sie einen Masterplan für die nächsten Jahre?  

Burkhard C. Kosminski: Ich freue mich, dass ich an diesem tollen Haus in dieser spannenden Stadt weitere fünf Jahre Theater machen darf. Einen Masterplan dafür habe ich nicht – wir würden uns ja sonst die Freiheit nehmen, auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Es gibt aber Themen, die mich interessieren: So werden wir z.B. unseren Fokus auf neue Dramatik beibehalten. In der kommenden Spielzeit starten wir mit einer neuen Veranstaltungsreihe, den "Mannheimer Reden". Wir laden zusammen mit der SRH Heidelberg prominente Redner ins Schauspielhaus ein und diskutieren gesellschaftlich relevante Fragestellungen. Das Theater als Ort für gesellschaftlichen Diskurs zu sehen, ist für mich auch in Zukunft wichtig.  

regioactive.de: Sie haben die nächste Spielzeit im Schauspiel mit "Freiheit" überschrieben. Was bedeutet Freiheit für Sie?  

Burkhard C. Kosminski: Da muss ich präzisieren: Es geht uns um die Umkehr des Schillerschen Freiheitsbegriffs – "nach der Freiheit" – was ist heute vom Freiheitsbegriff des Aufklärers Friedrich Schiller übriggeblieben und wie können wir für diesen Freiheitsbegriff kämpfen? Freiheit bedeutet für mich, dass unsere Grundrechte nicht verhandelbar sind und es gilt, diese mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in alle Richtungen zu verteidigen.  

regioactive.de: Unter den geplanten 14 Premieren findet man drei Klassiker. Satte 11 Stücke stammen von Gegenwartsautoren. Warum?  

Burkhard C. Kosminski: Die Arbeit mit Autoren und mit neuen Texten ermöglicht uns einen aktuellen, gesellschaftsnahen Zugang zu Themen. Das passt in die Traditionslinie des Nationaltheaters mit Friedrich Schiller als erstem Hausautor. Wir haben das Glück, dass die Freunde und Förderer des Nationaltheaters jede Spielzeit den Aufenthalt eines Hausautors finanzieren. Natürlich spielen wir im Repertoire des Schauspiels auch Lessing, Schiller, Brecht, Aischylos oder Shakespeare. Diese Inszenierungen hatten bereits vor ein oder zwei Spielzeiten Premiere.  

regioactive.de: Von vielen der Autoren haben wir schon das ein oder andere Stück am NTM gesehen, z.B. von Roland Schimmelpfennig, Alistair McDowell, Philipp Löhle und Peter Michalzik. Warum haben Sie gerade diese aus der Vielzahl von Gegenwartsautoren gewählt?  

Burkhard C. Kosminski: In den letzten Jahren ist es uns gelungen, dass die wichtigsten zeitgenössischen Dramatiker für uns schreiben. Roland Schimmelpfennig ist für mich einer der ganz bedeutenden Dichter mit einer Sprachgewalt, die besonders ist. Mit "Das große Feuer" hat er ein starkes Globalisierungsmärchen geschrieben. Unser früherer Hausautor Philipp Löhle findet spannende thematische Setzungen für seine Stücke. Alistair MacDowell und Simon Stephens sind aktuell die relevanten Stimmen des britischen Gegenwartstheaters.  

regioactive.de: Bei den Regisseuren finden wir einige "Wiederholungstäter" wie Elmar Goerden, Robert Teufel, Cilli Drexel oder Tim Egloff. Ist Ihnen Kontinuität wichtiger als Abwechslung und Vielfalt?

Burkhard C. Kosminski: Es ist die Mischung, die unseren Spielplan ausmacht. Auch in der kommenden Spielzeit werden wir mit neuen RegisseurInnen wie Jan Philipp Gloger, Oliver Frljić, Rüdiger Pape oder Jennifer Regnet arbeiten. Für die Bürgerbühne arbeitet zum ersten Mal die international renommierte Regisseurin Edit Kaldor. Das bedeutet bei 14 Inszenierungen fünf neue RegisseurInnen. Daher sehe ich eine Erneuerung in den Regiehandschriften. Für uns ist die Frage: Welcher Regisseur interessiert sich für welche Stoffe? Welcher Autor passt zu welcher Regiehandschrift? Um dieses Puzzle zusammenzufügen, braucht man eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung, die sich über einen längeren Zeitraum aufbaut. Diese Kontinuität ist uns wichtig, damit Regisseure sich in ihrer Regiesprache entwickeln können.  

regioactive.de: Bei "Das große Feuer" von Schimmelpfennig wird es eine Kooperation mit der Oper geben…

Burkhard C. Kosminski: Wir haben bereits in der Spielzeit 2013/2014 Shakespeares "Der Sturm" mit Musik von Purcell in der Regie von Calixto Bieito in Zusammenarbeit mit der Oper realisiert. Dass es nun mit dem neuen Opernteam gleich in deren erster Spielzeit hier klappt, freut mich sehr. In der Inszenierung, bei der ich Regie führen werde, ist ein Kammerorchester eingebunden. Für mich ist das ein spannendes Experiment – der Versuch, Schimmelpfennigs narratives Theaterverständnis mit Musiktheater zu kombinieren.  

regioactive.de: Nicht nur die Grenzen der Sparten, sondern die zwischen Theater und realer Welt werden überschritten in "Spiel ohne Grenzen" von Peter Michalzik, das mit Flüchtlingen der Erstaufnahmestelle im Benjamin-Franklin-Village entstehen soll. Theater als Integrationsbetrieb?

Burkhard C. Kosminski: "Betrieb" hat für mein Empfinden eine zu negative Konnotation. Integrationsplattform würde mir in dem Zusammenhang besser gefallen. Und dann: Ja, natürlich! Wir machen Theater für die Stadt, mit Themen, die die Stadt beschäftigen. Seit dem letzten Sommer hat kein anderes Thema die Schlagzeilen so bestimmt, die Gemüter so erhitzt – im Positiven wie im Negativen. Daher ist es für mich selbstverständlich, dass wir als Theater uns mit der Thematik auseinandersetzen, sie theatral verarbeiten und uns positionieren. 

Alles zum Thema:

nationaltheater mannheim