Animal Collective (Live in Heidelberg 2009)
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Animal Collective (Live in Heidelberg 2009) Foto: Achim Casper punkrockpix © regioactive.de

Animal Collective hatten bereits sieben Alben veröffentlicht, die hierzulande bestenfalls Musikkennern ein Begriff waren. Dann erschien "Merriweather Post Pavillon" und stieß sogar im musikalisch oft verschlafenen Deutschland auf positive, teilweise enthusiastische Resonanz. Das überrascht nicht, verbindet Merriweather doch die kompromisslose künstlerische Vision des Kollektivs mit dem Ziel, ein möglichst geschlossenes Gesamtwerk zu erschaffen.

Bei ihrem Auftritt im gut gefüllten Heidelberger Karlstorbahnhof am vergangenen Montag stand Merriweather daher auch im Mittelpunkt. Es beeindruckt, wie es Animal Collective gelingt, die komplexen Klangwelten ihrer Musik im Konzert umzusetzen. Die Struktur ihrer Musik ist ebenso umfassend wie detailreich.

Überbordende Kreativität

Sie sprüht geradezu über vor Ideen, versinkt jedoch nicht im Chaos, sondern behält bei aller überbordenden Vielfalt eine innere Logik. Dass sie dabei nicht übermäßig kopflastig, konstruiert oder kalt wirkt, liegt an der Fähigkeit von Animal Collective sowohl verführerische Melodien wie tanzbare Beats zu erzeugen. Der psychedelische, hymnische Charakter ihrer Musik vermittelt trotz aller Komplexität Wärme und Harmonie und ermöglicht ihnen, das Publikum vollkommen für sich zu gewinnen.

Kontrastreiche Muster

Dass Animal Collective live einen gewaltigen Eindruck erzeugen, liegt auch daran, dass Geologist (Brian Weitz), Panda Bear (Noah Lennox) und Avey Tare (David Porter) eine sich genial ergänzende musikalische Einheit bilden. Porter besticht durch seinen flexiblen und geschwinden Gesang, Lennox hingegen durch seine melodische und ausdruckstarke Stimme.

Häufig bildet der Gesang der beiden kontrastreiche Muster, manchmal erklingen ihre Stimmen aber auch in einem Harmoniegesang, der bei den Fleet Foxes entlehnt sein könnte. Lennox und Porter spielen auch Schlagzeug, Porter außerdem Gitarre, während Weitz der Musik ihre endgültige Form verleiht. Es ist fast sinnlos die Beiträge der Beteiligten einzeln zu analysieren, so sehr ist es das Zusammenwirken aus dem die Musik ihre überwältigende Großartigkeit bezieht. Der Name "Kollektiv" könnte nicht besser gewählt sein.

Unnahbar, aber offen

Elektronische Klänge, Gesang, Vokalisierungen, Schlagzeug und Gitarre verbinden sich zu einem facettenreichen und bunten Ganzen. Häufig erzeugt die Band durch Wiederholungen und kunstvolle Steigerungen einen Sog, der den Zuhörer wie in Trance versetzt. Dann kann man von der Musik regelrecht durchdrungen und von ihr eingenommen werden.

Obwohl die Band kaum mit dem Publikum interagiert, gestaltet sie ihre Musik doch einladend und offen. Was die Musik im Innersten zusammenhält bleibt trotz aller Beschreibungsversuche ein Rätsel. Wie gelingt es Animal Collective so natürlich, organisch und ungezwungen zu klingen? Wie vermeiden sie es, dass ihre Musik sich in kopflastigem Gefrickel oder dass sie ausufert, zerfranst?

Das Konzert des Jahres

Das überwiegend junge Publikum verschwendet keine Zeit darauf, sich solche Fragen zu stellen und bejubelt und betanzt die Musik ausgelassen. Eine ekstatische Stimmung durchströmt den Karlstorbahnhof und erreicht ihren Höhepunkt mit den neuen Klassikern Brother Sport und My Girls.

Fast zwei Stunden lang beglücken Animal Collective die Zuschauer, die den Eindruck vermittelten, als wären sie bereit, noch bis in den Morgen weiterzutanzen. Als das Konzert dann zu Ende gehen muss, gibt es vermutlich kaum jemandem im Publikum, der nicht den Eindruck hatte, Teil von etwas Besonderem, Einzigartigem gewesen zu sein. Die Band des Jahres heißt Animal Collective. Weitersagen!

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