Peter Baltruschat fordert von der Stadt Mannheim den neugestalteten Bürgersaal möglichst vielen Institutionen zugänglich zu machen.

Peter Baltruschat fordert von der Stadt Mannheim den neugestalteten Bürgersaal möglichst vielen Institutionen zugänglich zu machen. © Peter Baltruschat

Die Stadt Mannheim hat kürzlich beschlossen, mehrere Millionen Euro zur Sanierung und zum Umbau des Bürgersaals im Stadthaus N1 zur Verfügung zu stellen. Als Nutzer werden bislang allerdings nur das Oststadt-Theater und das Internationale Filmfestival genannt. Das KulturNetz Mannheim Rhein-Neckar fordert die Stadt in bislang drei offenen Briefen auf, den neu gestalteten Saal auch anderen kulturellen Institutionen zugänglich zu machen. Wir sprachen mit Peter Baltruschat über erste positive Signale von Seiten der Stadt, zahlreiche ungeklärte Fragen bezüglich der neuen Spielstätte, das seltsame Schweigen der Musikszene und die bemerkenswert erfolgreiche Lobby-Arbeit des Oststadt-Theaters.

regioactive.de: Herr Baltruschat, das KulturNetz hat aktuell bereits drei offene Briefe (hier als PDF: 1, 2 und 3) an die Stadt geschrieben, in denen sie sich zur Situation äußern, die entsteht, weil das Oststadt-Theater aus seinen bisherigen Räumlichkeiten in der Kunsthalle ausziehen muss und eine neue Spielstätte im Bürgersaal des Stadthauses in N1 erhalten wird.

Peter Baltruschat: Die städtischen Gremien haben die Entscheidung getroffen, den Bürgersaal in N1 in einen kombinierten Theater- und Musikraum umzuwandeln. Als KulturNetz Mannheim Rhein-Neckar fordern wir, auch anderen Kulturinstitutionen als dem Oststadt-Theater die Möglichkeit zu gewähren, dort Veranstaltungen durchzuführen.

"Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen"

regioactive.de: Was ist das KulturNetz Mannheim Rhein-Neckar?

Peter Baltruschat: Das KulturNetz Mannheim-Rhein-Neckar ist ein gemeinnütziger Verein, der Künstler, Publikum, Wirtschaft und Förderer zusammenbringt und vernetzt. Wir betreiben das Musik-Kabarett Schatzkistl in Mannheim mit rund 160 Veranstaltungen im Jahr, produzieren Bühnenstücke für Erwachsene und Kinder, organisieren die Reihe wOrtwechsel – Kultur an außergewöhnlichen Orten, produzieren CDs, gestalten einen Teil des Mannheimer Stadtfestes und der Langen Nacht der Museen und vieles mehr.

regioactive.de: Was ist Ihre Aufgabe als Geschäftsführer des Kulturnetzes?

Peter Baltruschat: Ich bin künstlerischer Leiter und Vorstand des gemeinnützigen Vereins. Mir obliegt es, die Arbeit des Netzwerks kontinuierlich auszubauen und diesen Verein auch wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und uns in Sachen Kultur als verlässlicher Partner in der gesamten Metropolregion erwiesen. Es ist meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass wir diesen Weg kontinuierlich weitergehen können.

regioactive.de: In dieser Funktion stellen Sie die Forderung an die Verantwortlichen der Stadt, andere Institutionen die Möglichkeit zu geben, den Bürgersaal zu bespielen.

"Ich verstehe nicht, warum die Musikszene sich einen Maulkorb auferlegt"

Peter Baltruschat: Es geht nicht nur um das Kulturnetz, auch zahlreiche andere Institutionen haben Interesse wie z.B. die Musikbühne Mannheim und die Musicalgesellschaft Mannheim, die auch schon seit vielen Jahren bestehen ohne über eine eigene Spielstätte zu verfügen. Der wirkliche Ansturm auf den umgebauten Bürgersaal wird aber erst beginnen, wenn der Umbau abgeschlossen ist.

regioactive.de: Wieso rechnen Sie mit einem solchen Ansturm?

Peter Baltruschat: Nehmen wir das Beispiel der Musicalgesellschaft Mannheim. Sie besteht seit vielen Jahren, probt gegen Entgelt im Kulturzentrum Alte Feuerwache, muss aber Auftrittsmöglichkeiten in Ludwigshafen nutzen, weil in der Mannheimer Innenstadt keine bezahlbaren Räumlichkeiten in der Größenordnung von 300-500 Plätzen zur Verfügung stehen. Ein Unding.

regioactive.de: Dabei handelt sich ja um ein seit langem bestehendes Problem, das auch die Musikszene betrifft. Ein solcher mittelgroßer Saal existiert schlichtweg nicht.

Peter Baltruschat: In dieser Hinsicht kann ich Ihnen nur vollkommen zustimmen. Daher wundere ich mich auch, dass die Musikszene sich an der von uns angestoßenen Diskussion bisher überhaupt nicht beteiligt. Hier besteht wirklich die Chance einen professionell ausgestatteten Veranstaltungssaal zu erhalten. Warum die Musikszene sich anscheinend einen Maulkorb auferlegt, ist mir unbegreiflich.

regioactive.de: Der Raum soll ja bestuhlt werden, vielleicht ist das ein Grund für die Zurückhaltung der Musikszene.

"Der Bürgersaal darf nicht nur an eine Institution vergeben werden"

Peter Baltruschat: Absolut richtig. Der Raum ist sicherlich nicht für jede Konzertart geeignet, da er mit ansteigenden Sitzreihen ausgestattet werden soll. Daher wird man dort hauptsächlich Konzerte im klassischen Sinn veranstalten können, Rockmusik- oder Tanzveranstaltungen sicher weniger. Dennoch wären bestimmt viele Künstler aus dem Bereich Musik froh, in einem solchen Saal auftreten zu können

regioactive.de: Welche Forderung erheben Sie an die Stadt Mannheim?

Peter Baltruschat: Ich bin der Auffassung, dass das Kulturamt der Stadt Mannheim bzw. das Kulturdezernat eine Verpflichtung besitzt, den Saal auch anderen Institutionen als dem Oststadt-Theater zugänglich zu machen und damit die kulturelle Vielfalt der Stadt zu fördern. Es geht nicht, diese Räumlichkeiten an nur eine Institution dauerhaft exklusiv zu vergeben.

regioactive.de: Wie sieht der zeitliche Rahmen aus?

Peter Baltruschat: Viel Zeit ist nicht mehr. Im Herbst beginnen die Umbauarbeiten für den Bürgersaal, die spätestens bis zum Filmfestival nächstes Jahr im Herbst abgeschlossen sein müssen.

regioactive.de: Wie hat die Stadt auf Ihre offenen Briefe reagiert?

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"Die Bürger müssen in die Debatte einbezogen werden"

Peter Baltruschat: Auf unsere drei offenen Briefe haben wir in jedem Fall freundliche, schriftliche Reaktionen erhalten, die aber nichts Konkretes enthielten. Nach dem letzten offenen Brief hat man uns jetzt zu einem Gespräch eingeladen, das Anfang Juni stattfinden wird.

regioactive.de: Sie sind nicht nur Vorstand des Kulturnetzes, sondern auch kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat. Wieso haben Sie die Form der offenen Briefe eigentlich gewählt? Sie sind gut vernetzt und verfügen sicherlich über Mittel und Wege ihr Anliegen den Entscheidungsträgern direkt vorzubringen. Weshalb sind Sie an die Öffentlichkeit gegangen?

Peter Baltruschat: Aus meiner Sicht ist es der bessere Weg, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Wir möchten eine öffentliche Debatte über dieses Thema führen. Außerdem ist mir an Transparenz gelegen, gerade weil ich Kulturschaffender und ehrenamtliches Mitglied des Mannheimer Gemeinderats bin. Sie können allerdings davon ausgehen, dass auf allen Ebenen Gespräche geführt werden: in den Fraktionen, den Ausschüssen und im Gemeinderat. Aber die Bürger und die Kulturschaffenden müssen ebenfalls informiert und in die Debatte einbezogen werden.

"Ich bin sehr daran interessiert, die Vorstellungen der Stadt zu hören"

regioactive.de: Sind Sie der Auffassung, dass die städtischen Verantwortlichen und Gremien bislang zu sehr auf das Oststadt-Theater fixiert waren?

Peter Baltruschat: Ich kann nur voller Respekt sagen, dass das Oststadt-Theater bisher eine gute Lobby-Arbeit geleistet hat. Wenn man politisch gut vernetzt ist, vermag man sein Anliegen durchzusetzen. Leider ist das in der freien Kulturszene häufig nicht der Fall. Mein Ziel besteht deshalb darin, die Einseitigkeit der bisherigen Pläne aufzuweichen und alle ins Spiel zu bringen.

regioactive.de: Wenn ich mir den Spielplan des Oststadt-Theaters ansehe, dann bietet er eigentlich genug Möglichkeiten, den Bürgersaal in N1 auch anderen Institutionen zur Verfügung zu stellen. Jemand muss aber auch die Technik und die Verantwortlichen bezahlen, denn ein solcher Saal hat ja eine hohe finanzielle Grundlast. Welche Vorstellungen habe Sie da?

Peter Baltruschat: Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe gar keine Vorstellungen, deshalb bin ich sehr daran interessiert, welche Vorstellungen die Stadt Mannheim hat. Mir ist beispielsweise vollkommen schleierhaft, wie die Miete für einmalige oder mehrmalige Nutzung gestaffelt werden soll. Der Saal muss mit Veranstaltungstechnik und Garderoben ausgestattet werden, die allen zugänglich sein müssen. Wer kümmert sich darum? Und wer vergibt, bzw. koordiniert die Terminbelegung? Wer führt das Haus? Auf alle diese Fragen habe ich von Seiten der Stadt bisher noch keine Antworten erhalten.

"Der betriebswirtschaftliche Aspekt steht nicht immer im Vordergrund"

regioactive.de: Was ist eigentlich klar?

Peter Baltruschat: Die Stadt Mannheim hat wohl Architekten damit beauftragt, den Saal neu und theatergerecht zu gestalten. Alle übrigen Fragen sind noch ungeklärt. Ich gehe aber fest davon aus, dass im Ergebnis nicht nur das Oststadt-Theater und das Filmfestival den Saal nutzen dürfen.

regioactive.de: Müsste es nicht auch im Interesse der Stadt Mannheim liegen, den Saal an möglichst vielen Tagen zu vermieten, um das zu erwartende Defizit möglichst gering zu halten?

Peter Baltruschat: Betriebswirtschaftlich gesehen kann ich ihnen nur zustimmen, aber sie wissen ja, dass der betriebswirtschaftliche Aspekt bei politischen Entscheidungen nicht zwingend im Vordergrund steht.

regioactive.de: Glauben Sie, dass die Verantwortlichen des Oststadt-Theaters damit unzufrieden sind, ihre Bühne möglicherweise mit anderen Institutionen zu teilen?

"Das geht so nicht!"

Peter Baltruschat: Das kann ich ihnen nicht sagen, auf mich ist bislang niemand zugekommen. Mir ist es allerdings ein Rätsel, wie das Oststadt-Theater in die Lage kam, den Kahnweiler-Saal der Kunsthalle zu 100% unter Beschlag zu nehmen. Ich kenne den Kahnweiler-Saal noch als Austragungsort vielfältiger Veranstaltungen. Ich habe dort Konzerte, aber auch Lesungen u.a. mit Günter Grass erlebt. Es ist mir bis heute nicht gelungen herauszufinden, wer festgelegt oder beschlossen hat, dass nur das Oststadt-Theater den Kahnweiler-Saal nutzen darf.

regioactive.de: Haben Sie die Befürchtung, dass das Oststadt-Theater diese günstige Situation auf den Bürgersaal in N1 übertragen will?

Peter Baltruschat: Das haben Sie schön zusammengefasst. Ich sage Ihnen ganz offen: Das geht so nicht. Wir reden hier von öffentlichen Geldern in Millionenhöhe, die investiert werden sollen. Vor der Beschlussfassung müssen die Argumente aller gehört und der Bedarf anderer Institutionen berücksichtigt werden. Auch der Mannheimer Oberbürgermeister hat in einem Schreiben an das KulturNetz seinen Wunsch geäußert, die unterschiedlichen Interessenlagen möglicher zukünftiger Nutzer des Bürgersaals in N1 zu kombinieren, um eine bestmögliche kulturelle Auslastung des Bürgersaals zu erreichen. Dem kann ich mich nur anschließen.

Herr Baltruschat, herzlichen Dank für das Gespräch.

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