Thomas Kraus ist seit Mai 2011 Leiter des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar.

Thomas Kraus ist seit Mai 2011 Leiter des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar. © MRN GmbH

Das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar besteht seit zwei Jahren und hat in dieser Zeit die Vernetzung zwischen den kulturellen Institutionen der Region vorangetrieben. Wir sprachen mit Leiter Thomas Kraus über die Wichtigkeit regionaler Netzwerke, die Bedeutung von Festivals für das kulturelle Leben und die Rolle der Metropolregion im Rahmen der Bewerbung Mannheims als Europäische Kulturhauptstadt 2020.

regioactive.de: Herr Kraus, was ist Ihre Aufgabe als Leiter des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar?

Thomas Kraus: Die Aufgabe des Kulturbüros besteht darin, Kultur im regionalen Kontext zu betrachten und zu fördern. Konkret heißt das, wir betreiben seit der Gründung des Kulturbüros im Mai 2011 Netzwerkarbeit, bringen die Kulturschaffenden der Region zusammen, arbeiten die Stärken der Region heraus und versuchen, eventuelle Schwächen durch Projekte, die wir selbst entwickeln, auszugleichen. Wir sind weder Veranstalter noch Geldgeber, sondern wirken überall dort mit, wo ein gemeinschaftliches Vorgehen sinnvoll ist. Grundsätzlich ist Kulturförderung eine Aufgabe der Kommunen, daran wird sich auch nichts ändern.

Außendarstellung als zentrale Aufgabe

regioactive.de: Sie betrachten die Region als Gesamtes und repräsentieren sie auch nach außen?

Thomas Kraus: Richtig. Die Außendarstellung der Rhein-Neckar-Region als starke und vielfältige Kulturregion ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit.

regioactive.de: Wie finanziert sich das Kulturbüro?

Thomas Kraus: Wir sind ein Teil der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, die durch eine Verbandsumlage, durch die Industrie- und Handelskammern und durch Beiträge der Wirtschaft finanziert wird. Das Kulturbüro selbst wurde durch die Initiative einzelner Kommunen ins Leben gerufen, die auch einen finanziellen Beitrag leisten. Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, Schwetzingen, Worms, Weinheim sowie der Rhein-Neckar- und der Rhein-Pfalz-Kreis sind die augenblicklich beteiligten Kommunen bzw. Körperschaften.

Die Festivalregion – ein besonderes Netzwerk

regioactive.de: Auf welche Weise versucht das Kulturbüro, dauerhafte Strukturen in der Region zu etablieren?

Thomas Kraus: Ein wichtiger Aspekt besteht in der gegenseitigen Vernetzung, im gegenseitigen Austausch und in der Schaffung von Arbeitsgruppen, die sich vornehmen, eine Agenda umzusetzen. Als erfolgreiches Projekt existiert schon seit mehreren Jahren die "Festivalregion Rhein-Neckar".

regioactive.de: Was ist das Besondere an diesem Netzwerk?

Thomas Kraus: In der Festivalregion sind die 15 wichtigsten Festivals durch ihre künstlerischen Leiter vertreten. Über die Festivalregion arbeiten wir auch eng mit den an den Festivals beteiligten großen Kulturinstitutionen und Kulturämtern zusammen. Es gibt in Deutschland nur wenige vergleichbare Kooperationen. Als gemeinsames Marketinginstrument erscheint seit dem Bestehen der Festivalregion zweimal im Jahr das Festivalmagazin, das deutschlandweit in hoher Auflage vertrieben wird. Natürlich ist es schwer, einzelne Faktoren für den Erfolg herauszugreifen, aber seitdem es diese Zusammenarbeit gibt, sind alle beteiligten Festivals gewachsen.

Mit Festivals neues Publikum gewinnen

regioactive.de: Wenn man sich die Publikumsstruktur der Festivals ansieht, dann dominieren bildungsbürgerliche Schichten. Wie kann man sich darüber hinaus neue Besuchergruppen erschließen?

Thomas Kraus: Die Entwicklung des Publikums wird unter dem Stichwort "audience development" eines der großen Themen der nächsten Jahre im Kulturbereich sein. Festivals eignen sich besonders gut dazu, neue Besucher zu gewinnen. Es gibt natürlich Veranstaltungsreihen, die stark von bildungsbürgerlichem Publikum geprägt sind. Festivals wie beispielsweise "Wunder der Prärie" (vom zeitraumexit e.V.; Anm.d.Red.) erreichen aber ein ganz eigenes, junges Publikum, das mit dem Begriff "Bildungsbürgertum" nur unzureichend beschrieben wäre. Gleiches gilt für die Theater: Die Internationalen Schillertage finden an vielen Spielorten in der ganzen Stadt statt, und das Nationaltheater Mannheim hat sich zum Beispiel in Form der Bürgerbühne längst breiteren Schichten geöffnet.

regioactive.de: Festivals eignen sich also dazu, Strukturen aufzubrechen?

Thomas Kraus: Genau. Festivals sind Feste der jeweiligen Kunstform, aber im Ausnahmezustand eines Festivals kann man viel Neues ausprobieren. Die meisten Festivals machen das auch. Es ist wichtig, sozial relevante Themen innerhalb eines Festivals widerzuspiegeln, dann findet man auch bei einem breiten Publikum Gehör.

Festivals als Plattform für sozial relevante Themen

regioactive.de: Was sind sozial relevante Themen?

Thomas Kraus: Es sind die Themen, die unsere Gesellschaft augenblicklich bewegen, prägen und für die wir nach Lösungen suchen. Die Frage ist, wie man diese Themen mit Hilfe von Kunst und Kultur abbilden kann – das ist der schwierigere Teil.

regioactive.de: Eine andere Möglichkeit, Besucher für ein Festival zu gewinnen, ist natürlich, mit prominenten Namen zu arbeiten.

Thomas Kraus: Ja. Aber es kommt immer auf die Mischung von Inhalten, Ästhetik und VIP-Faktor an. Wenn ich nur auf Prominenz setze, kann ich damit möglicherweise meine Vorstellungen füllen, aber weder eine Kunstform voranbringen noch einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Die Festivals der Region sind keine Veranstaltungsansammlungen, es geht immer um Inhalte.

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Mannheim 2020 – auch ein regionales Projekt

regioactive.de: Welche Projekte liegen Ihnen im Moment besonders am Herzen?

Thomas Kraus: Im Augenblick konzentrieren wir uns natürlich besonders auf das nächste Denkfest, das am 18. und 19. Juni in Worms stattfinden wird. Dieser Kulturkongress will Kulturschaffende, Kulturmanager, Vertreter der Wirtschaft, Medien und Kommunen zusammenbringen, um gemeinsam über unsere diesjährigen Schwerpunktthemen Kulturjournalismus und Kulturmarketing zu diskutieren.

Parallel entwickeln wir Konzepte, die dafür sorgen sollen, dass Rhein-Neckar künftig kulturjournalistisch noch stärker wahrgenommen wird. Gegenüber Städten wie Hamburg und Berlin haben wir klare Standortnachteile, was aber nicht an der Qualität des kulturellen Angebots liegt, sondern an der geringen Dichte und Reichweite der Berichterstattung.

Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Arbeit ist die Entwicklung einer Vision im Zusammenhang mit der Bewerbung Mannheims gemeinsam mit der gesamten Region um den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" nach 2020 (Infos unter www.mannheim2020.de; Anm.d.Red.).

regioactive.de: Wie planen Sie, die Bewerbung Mannheims in der gesamten Region zu verankern?

Thomas Kraus: Die Stadt Mannheim hat anderen Kommunen sehr früh angeboten, sich an der Bewerbung zu beteiligen. An dieser Stelle kommt das Kulturbüro ins Spiel. Nach den neuesten Richtlinien kann sich nur eine Stadt bewerben, aber eine Stadt hört eben heute nicht mehr an der Stadtgrenze auf. Für eine erfolgreiche Bewerbung, aber auch für eine erfolgreiche Umsetzung ist es daher notwendig, die kulturelle Vernetzung voranzutreiben und einfließen zu lassen.

Einbindung ausländischer Mitbürger

regioactive.de: Wird sich die Internationalität der Metropolregion in dem Bewerbungskonzept widerspiegeln? Wie vermittelt man zum Beispiel dem italienischen oder türkischen Mitbürger, dass er ein Teil des Konzepts sein soll?

Thomas Kraus: Da sind die Kulturinstitutionen natürlich selbst gefordert, sich zu öffnen. Das kann über ein Thema erfolgen oder durch die direkte Einbeziehung der jeweiligen Minderheit. In Mannheim gab es ja kürzlich das große "WIR!"-Projekt, das verschiedene kulturelle Einflüsse auf einer Bühne erfolgreich zusammengeführt hat. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, und das ist genau der Boden, den wir beackern müssen. Entscheidend ist, dass es uns und unseren Partnern gelingt, möglichst viele Menschen in der Metropolregion für das kulturelle Leben hier zu begeistern.

regioactive.de: Vielen Dank für das Gespräch!

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