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Philipp Eisele © 2012, Kosmodrom

Vor kurzem berichteten wir darüber, dass in Heidelbergs Kreativszene wachsender Unmut herrscht: Mehrere Kulturstätten sind zur Zeit vom Wohlwollen des Gemeinderates abhängig. Betroffen ist auch das Kosmodrom, das schon seit einer Weile im Exil überlebt. Wir fragten bei Philipp und Daniel vom Spielraum e.V., der das Projekt Kosmodrom initiierte, nochmal genauer nach.

regioactive.de: Hallo Daniel und Philipp! Danke, dass ihr in dieser turbulenten Phase Zeit für uns gefunden habt. Es ist ja zur Zeit einiges zu lesen über euren Verein. Zuletzt berichteten wir über den generellen Status Quo in Heidelberg. Was ist denn aktuell der Stand der Dinge bei euch?

Daniel Gallimore: Im Herbst letzten Jahres mussten wir das Kosmodrom in der Siemensstr. 40 schließen, wegen Sicherheitsbedenken aufgrund unserer unmittelbaren Nähe zu einem Chemiewerk. Von städtischer Seite wurde uns damals aber direkt signalisiert, dass man uns bei der Suche nach einer neuen Bleibe für den Verein unterstützen würde.

Kurz darauf hat der Gemeinderat positiv über den Kauf der Liegenschaft in der Dischinger Straße 5 abgestimmt, mit der Absicht, dort ein Zentrum für Kreative zu errichten – und zwar vornehmlich unter Berücksichtigung der Interessen des Vereins für kulturellen Freiraum e.V., der ja schon seit vielen Jahren Räume von der Stadt zugesagt bekommen hatte, aber auch des Spielraum e.V., der ja plötzlich unverschuldet obdachlos geworden war. Beide Vereine haben seitdem in enger Zusammenarbeit mit den Ämtern ein Gesamtnutzungskonzept für die Liegenschaft entwickelt.

Die Umsetzung dieses Konzepts erfordert bauliche Veränderungen sowie massive Instandsetzungen des Gebäudes. Daraus entstehen natürlich erhebliche Kosten. Am 18.12. entscheidet der Gemeinderat darüber, ob die Stadt die Kosten für diese notwendige Investition übernimmt.

"Geschockt durch die Kostenschätzung"

regioactive.de: Wir haben gehört, dass diese Kosten für "das neue Kosmodrom" sehr hoch sind. Was sagt ihr dazu?

Philipp Eisele: Ehrlich gesagt, waren wir geschockt, als wir die erste Kostenschätzung vorgelegt bekommen haben. Und dann wurde uns sofort klar, dass wir jetzt zwei große Probleme haben.

Zum einen war es offensichtlich, dass wir die Botschafter der schlechten Nachricht sein werden. Dass unser Projekt Kosten in einer solchen Höhe auslösen würde, war von uns nicht ansatzweise beabsichtigt. Wir sehen uns zwar nur indirekt als Auslöser der Kosten, werden diese aber kommunizieren und erklären müssen.

regioactive.de: Aber die Stadt Heidelberg hatte euch aus eigenem Antrieb angeboten, das Konzept in der Dischingerstraße 5 fortzuführen?

Philipp Eisele: Anscheinend war man sich auch auf deren Seite nicht über die finanzielle Folgen bewußt. Nur weil wir massiv und mit Nachdruck die Entwicklung vorangetrieben haben und dafür gesorgt haben, dass durch die trägen Verwaltungsabläufe das Projekt nicht versandet, gab es überhaupt "so schnell" diese erste Kostenschätzung.

regioactive.de: Und das zweite Problem?

Philipp Eisele: Uns ist klar, dass wir darauf angewiesen sind, dass die Stadt Heidelberg ihre Immobilie selbst in den ensprechenden Zustand bringt, damit wir unser Konzept darin verwirklichen können. Sie muss also die notwendigen Baumaßnahmen und Instandsetzungen finanzieren. Das dabei niemand in in der Stadtverwaltung in Freudengeschrei ausbricht, kann man sich denken.

"Wir haben unsere persönlichen Ressourcen invesiert"

regioactive.de: Trotzdem seht ihr jetzt die Stadt in der Pflicht?

Philipp Eisele: Wir haben ein ganzes Jahr lang für die Stadt kosten-neutral das Konzept entwickelt, Vorarbeiten geleistet, Prozesse in Gang gesetzt und hartnäckig am Laufen gehalten und die Planung mit allen anderen Projektpartnern abgestimmt. Das sieht bei oberflächlicher Betrachtung überschaubar aus, ist aber bis zum diesem Punkt schon eine Herkulesaufgabe gewesen. Wir haben unsere gesamten freien, persönlichen Ressourcen in die Projektplanung für die Dischingerstraße 5 investiert.

Das Ganze haben wir mit dem Wissen getan, dass uns keinerlei schriftliche Zusagen in irgendeiner Form vorliegen. Dafür muss man schon eine Menge Optimismus mitbringen und den Glauben an die eigene Stadt hoch halten.

regioactive.de: Habt ihr Bedenken, dass jetzt zu große Abhängigkeiten entstehen?

Philipp Eisele: Unser eigentlicher Betrieb hat immer ohne Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln gearbeitet. Wir konnten vollkommen unabhängig das tun, was wir als Verein für sinnvoll gehalten haben. Das soll auch so bleiben.

regioactive.de: In der Siemenstraße habt ihr ja bereits tolle Arbeit geleistet. Für alle, die es noch nicht kennen: Wie sieht denn das Konzept des Spielraum e.V. konkret aus?

Philipp Eisele: Das Konzept unseres Vereins und unserer Veranstaltungshalle Kosmodrom basiert seit Beginn auf drei grundlegenden Prämissen:

Wir waren und bleiben nicht-kommerziell. Das bedeutet, unser gemeinnütziger Verein arbeitet ohne Gewinnerzielungsabsicht. Ein weiterer zentraler Grundpfeiler ist der Aspekt der Inklusion. Inklusion bedeutet, dass Menschen nicht in Gruppen eingeteilt werden. Niemand wird auf Grund von bestimmten Merkmalen – wie Behinderung, Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund – ausgeschlossen. Und drittens wollen wir für die Stadt und die Region Räumen schaffen, die auch kreativen Experimenten eine Plattform bietet. Diese Experimente wären häufig kommerziellen Überlegungen kaum gewachsen und würden somit keinen Weg in die Öffentlichkeit finden.

weiterlesen: Was passiert, wenn es mit der Dischinger Straße nicht klappt?

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"Wir kommunizieren jetzt mit Nachdruck"

regioactive.de: Sind diese wesentlichen Punkte eures Konzepts allen Entscheidern klar?

Philipp Eisele: Zugegeben, wir haben früher einige dieser zentralen Aspekte nicht in die Öffentlichkeit getragen. Aber wir haben sie immer schon für selbstverständlich gehalten und danach gehandelt. Wir kommunizieren diese Ideen jetzt mit Nachdruck nach außen, um unsere grundlegenden Prinzipien noch zentraler in die allgemeine Aufmerksamkeit zu rücken. Das ist die direkte Folge der politischen Verquickungen in unserer aktuellen Situation. Wir würden uns sehr viel lieber mit anderen Dingen beschäftigen.

regioactive.de: Zum Beispiel mit konkreten Planungen für die Dischinger Straße 5, nehme ich an? Wie sehen da eure Vorstellungen aus?

Daniel Gallimore: Anhand der Merkmale, die Philipp genannt hat, kann man ja erkennen, dass das Konzept für die Dischinger Straße 5 einzigartig für Heidelberg ist. Tatsächlich bietet es nämlich viel mehr als nur einen Club. Das Kosmodrom ist ja nur ein Teil des Ganzen.

Mit dem offenen Jugendtreff des Vereins für kulturellen Freiraum sowie den im Gesamtkonzept enthaltenen Kreativ-Cluster mit Ateliers, Proberäumen, Werkstätten und so weiter, wollen wir ein offene Basis für Experimente schaffen.

"Ein Ort, an dem Kreativität gelebt wird"

Daniel Gallimore: Aus der Erfahrung, die wir auf dem ehemaligen Schmitthelm-Gelände gesammelt haben, wissen wir wie wichtig Synergie-Effekte für kreative Ideen sind. Das alte Kosmodrom ist ja auch so entstanden. Da waren ein paar Musiker, Betreiber eines Tonstudios, Leute, die vorher mal Radiosendungen gemacht haben, handwerklich Begabte – die Liste ist nahezu endlos.

Es geht hier also um einen Ort, an dem Kreativität viel mehr gelebt als nur konsumiert wird und wir sind sozusagen der lebende Beweis dafür, dass dieses Konzept stimmig ist.

"Wird die Finanzierung abgelehnt, sind wir raus"

regioactive.de: Ist es wahr, dass ihr aus dem Projekt "Dischinger Straße 5" aussteigen wollt, wenn in diesem Jahr keine Entscheidung fällt?

Philipp Eisele: Ja. Wir können und wollen uns selbst, den Künstlern, Fans und Unterstützern eine noch längere Wartezeit nicht mehr als Verhandlungsphase verkaufen. Wird die Finanzierung abgelehnt, sind wir raus.

regioactive.de: Also ist der "Tag der Entscheidung" definitiv Mitte Dezember?

Philipp Eisele: Wenn der Doppelhaushalt für 2013/2014 ohne eine Zusage verabschiedet wird, dann sehen wir realistischerweise keine Chance auf eine zeitnahe Finanzierung. Eine Verschiebung auf Unbestimmt machen wir nicht mit. Wir tun jetzt aber alles dafür, dass es klappt, da wir das Gesamtprojekt als wirklich großartige Chance für den Kreativstandort Heidelberg sehen.

Um fair zu sein: Bis jetzt haben alle involvierten Personen von Seiten der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat sehr gut mit uns zusammengearbeitet und unterstützen als Einzelpersonen eigentlich alle dieses Projekt. Das sind wirklich sehr motivierte und interessierte Menschen! Eigentlich wundern wir uns darüber, dass das Gesamtsystem dann nicht flinker und vorausschauender agiert.

"Es wird groß und laut"

regioactive.de: Welche Gründe gibt es dafür? Immerhin hat euch die Stadt doch bei der Beschaffung der Immobilie stark unter die Arme gegriffen?

Philipp Eisele: Auf die Beschaffung der Immobilien hatten wir keinen Einfluss. Die Stadt Heidelberg hat die Immobilien primär für die Zwecke des Verein für kulturellen Freiraum und deren geplantes Jugendzentrums auf eigene Inititiative gekauft. Wir waren nicht in diesen Prozess eingebunden.

regioactive.de: Dann heißt es jetzt wohl, den Gemeinderat weiterhin auf euch aufmerksam zu machen. Was habt ihr da vor?

Philipp Eisele: Dazu verraten wir im Moment noch nicht viel, außer: Es wird groß und laut. Wir haben außerdem unter www.dischingerstrasse5.de ein Info-Portal für alle Interessierten eingerichtet.

regioactive.de: Wo seht ihr euch in der Zukunft bzw. seht ihr eine Zukunft für den Spielraum e.V. und das Kosmodrom? Wo wollt ihr hin?

Philipp Eisele: In fünf Jahren wird Heidelberg stolz darauf sein, dass das Kulturzentrum in der Dischingerstraße 5 existiert und sich die damaligen Querelen im Vorlauf nicht mehr erklären können.

regioactive.de: Danke euch für das Gespräch!

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