Holy Ghost!

Holy Ghost! © dfa Records

Die New Yorker Alex Frankel und Nick Millhiser sind zusammen das DJ-Duo Holy Ghost!. Mit Remixes für Bands wie LCD Soundystem und MGMT machten sie sich einen Namen, Ende April haben sie mit dem selbstbetitelten Debütalbum ihre erste eigene Platte veröffentlicht - für die sich sich satte vier Jahre Zeit ließen. Unser Redakteur Daniel Voigt traf Nick Millhiser in Berlin und sprach mit ihm über das Album, Remixes und New York.

{image}regioactive.de: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Nick Millhiser: Alex und ich gingen zur selben Schule und lernten uns kennen, als wir ca. sieben Jahre alt waren. In der Teenagerzeit fingen wir dann gemeinsam mit dem Musikmachen an.
Wie kam es zu eurem Bandnamen Holy Ghost!?
Nick: Der Name stammt von einem Song der Band The Bar-Kays und ist einer meiner Lieblingstitel. Die Namensfindung verlief eigentlich recht schnell. Unser Plattenlabel rief uns eines Tages plötzlich an und meinte, dass sie jetzt gerne unseren Song Hold On veröffentlichen wollten, sie brauchten von uns nur noch den Namen der Band. Also mussten wir schnell handeln. Und da ich zu der Zeit gerade die Lyrics vom Song der Bar-Kays studierte und es da gleich zu Beginn "Your love, it's got the Holy Ghost" heißt, haben wir uns einfach Holy Ghost! genannt. Dieser Name hat uns einfach sehr gut gefallen.

{image}Eure Musik wird meist als elektronische Tanzmusik eingeordnet. Aber wie würdest du euren Sound in eigenen Worten beschreiben?

Nick: Ich würde einfach "Popmusik" sagen, wobei unsere Musik definitiv auch von Dance beeinflusst ist. Genauer meine ich damit die ganzen Diskoplatten und aus England stammenden elektronischen Popgruppen aus den Achtzigern wie zum Beispiel Depeche Mode.

Habt ihr gemeinsame muskalische Einflüsse?

Nick: Wir wurden vor allem von der Musik beeinflusst, mit der wir aufgewachsen sind. Ich würde jetzt an Michael Jackson oder Talking Heads denken. All die Sachen, die unsere Eltern oder wir selbst im Radio hörten. Dazu interessierten wir uns in der Kindheit für HipHop, Diskoplatten und Samples. Und dann trafen wir James Murphy und Tim Goldsworthy vom Label dfa, die uns dann den künftigen Weg ebneten.

Spielte das Großstadt- und Musikszene-Ambiente New Yorks eine Rolle für die Entwicklung eures Stil?

Nick: Schwer zu sagen. Natürlich leben wir da, aber wie uns die Stadt als Kids beeinflusst hat? Ich denke New York spielt eine enorme Rolle, wenn es darum geht, wie man sich als Musiker entwickelt. Es gibt so viele Venues, in denen du spielen kannst, wenn du ein Teenager bist und sogar auch, wenn du noch nicht volljährig bist. Man darf schon mit 14 oder 15 Jahren in einem richtigen Club spielen. Das empfinde ich als ein sehr frühes Alter für sowas. Vor allem, weil das in New York normal ist. New York gab uns in unseren jungen Jahren sehr viel Liebe. Ich würde sagen, New York ist einfach New York. Es ist für mich der beste Ort auf der Welt. Er ist geprägt von toller Musik, von fantastischen Musikern und Leuten. Außerdem leben dort natürlich auch meine engsten Freunde. Es ist meine Heim- und Zufluchtsstätte.

Wie verliefen die Aufnahmen zu eurem Album: Habt ihr viel experimentiert oder hattet ihr einen fertigen Plan, wie am Ende alles klingen soll?

Nick: Wir hatten keinen Plan. Deswegen hat der Aufnahmeprozess auch so lange gedauert. Gewöhnlich startet eine Band damit, dass sie Songs schreibt, die dann aufnimmt, Songs für Singles auswählt und dann ein Album veröffentlicht. Wir dagegen schrieben erst ein Song, brachten diesen gleich raus und starteten erst dann mit den Albumaufnahmen und gleichzeitig dem Erstellen von Remixen, bevor wir schließlich als Djs auflegten und eine Liveband zusammenstellten. Als wir Holy Ghost! gründeten gab es keine klare Idee, was wir machen wollen. Wir verbrachten viel Zeit für die Suche nach dem richtigen Sound. Wobei das eigentlich eine falsche Formulierung ist. Denn wir haben am Album nicht vier Jahre durchgängig gearbeitet, sondern wir haben nebenbei auch noch ein paar Remixe erstellt, sind auf Tour gegangen und erst dann wieder an die Arbeit für das Album zurückgekehrt. Auf der Tour haben wir viele Inspirationen für das Album erhalten und viele Dinge über das Aufnehmen gelernt. Ich weiß zumindest darüber jetzt viel mehr, als ich dies noch vor vier Jahren tat und auch beim Schreiben von Texten sind wir dadurch viel sicherer geworden.

Einige Songs auf der Platte waren von der Basis her eigentlich schon ein paar Jahre zuvor fertig, aber dann wurden wir uns unsicher, als wir sie uns nach ein paar Jahren noch einmal anhörten. Ich weiß nicht, ob sie jetzt gut klingen, aber es gab einen Zeitpunkt, wo zumindest wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden waren. Wir haben festgestellt, dass man nicht über alle Dinge zu viel nachdenken sollte. Besonders, wenn man zurückschaut und sich Songs wie Hold On oder unsere frühen Remixe anhört. Wir haben sie einfach so veröffentlicht. Die Songs entwickelten sich sehr natürlich und kamen mit einem großen Grad an Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit daher. Vier Jahre später haben wir nun das Album rausgebracht. Das Schöne an Holy Ghost! ist, dass wir einfach alles nur aus Spaß tun. Wann auch immer die Leute mich fragen, was mein größtes Ziel sei, dann antworte ich darauf, dass ich meine Freunde nicht in Verlegenheit bringen will. Ich will Dinge mixen, die meine Freunde mögen und damit sie darauf tanzen können. Wenn andere auch die Musik mögen, dann ist das toll. Aber wichtig ist, dass der Stoff vor allem mich und meine Freunde glücklich macht.

{image}Wie groß ist für euch der Unterschied zwischen dem Erstellen eines Remixes für einen anderen Künstler und den Arbeiten am eigenen Album?

Nick: Beide Dinge sind in vielen Sachen sehr ähnlich. Der Aufnahmeprozess ist zum Beispiel bei beiden genau der gleiche. Wir verbringen zwar viel Zeit mit remixen, aber wir geben den Remixes ebenso viel Aufmerksamkeit wie unseren eigenen Songs. Der größte Unterschied ist einfach nur, dass man bei seinen eigenen Songs die Lyrics selbst schreiben und die Musik selbst erschaffen muss. Wenn man dagegen an einem Remix arbeitet, ist der Song schon geschrieben. Du hast einen Rahmen und kannst um diesen herum etwas Neues erschaffen. Das kann allerdings manchmal eine sehr große Herausforderung sein. Denn da gibt es Dinge, die du nicht entfernen darfst, aber auch Sachen, die du für deinen Remix verändern willst. Aber es gibt bei diesen Dingen keine richtige Regel. Manchmal mixt man sehr schnell und es fällt einem leicht, manchmal dauert es ewig. Aber das ist ähnlich wie mit eigenen Songs. Bei manchen fällt das Schreiben ganz leicht und bei anderen nicht. Die schlimmsten Remixes entstehen meistens dann, wenn man sich zu viel Zeit nimmt. Aber das variiert wiederum auch von Remix zu Remix. Eigene Songs zu schreiben bedeutet natürlich eine größere Gratwanderung, aber es gibt auch beim Erschaffen von Remixen einen großen Druck, gerade weil es nicht deine eigenen Sachen sind. Aber es macht Spaß daran zu arbeiten – sogar im Urlaub, denn wir wollen mit unseren Remixen merkwürdige Dinge tun und kreativ sein.

Ein Song heißt Jam For Jerry. Wem ist er gewidmet?

Nick: Mit Jerry ist Jerry Fuchs gemeint. Ein Drummer, der nicht nur bei uns das Schlagzeug betätigte, sondern auch noch in vielen anderen Bands. Er spielte teilweise u.a. auch bei LCD Soundsystem, Maserati oder !!!(Chk Chk Chk). Er war ein sehr guter Freund von uns. Leider starb er im November 2009. Das war in der Zeit, als wir begannen an unserer Platte zu arbeiten. Als wir im Studio gerade versuchten einen neuen Song zu schreiben und er nur einen Tag Zeit hatte, bevor er wieder mit einer anderen Band auf Tour ging, half er uns bei der Entwicklung einer neuen Songidee. Als er dann unglücklicherweise starb, schrieben wir die Lyrics über und für ihn. Denn er war nicht nur ein wirklich sehr guter Freund und der Drummer der Band. Er war einfach einer der herausragendsten, witzigsten und besten Drummer der ganzen Welt.

Wo wollt ihr vor allem gehört werden: Im Club oder Zuhause?

Nick: Ich denke das hängt von verschiedenen Dingen ab. Das Album haben wir mehr für das heimische Hören gemacht. Ich bin zwar DJ und mag tanzbare Musik, aber ich selbst höre nicht gerade vie Clubmusik. Für das Album versuchten wir kürzere Songs zu schreiben, die ein gutes Gefühl auslösen und gut zu hören sind. Wenn wir dagegen Remixes machen, dann stellen wir uns vor, dass wir gleich in einem Club auflegen müssen und erschaffen so dementsprechende Sounds. Remixes müssen im Club funktionieren. Unsere eigenen Songs tun das zwar manchmal auch – zum Beispiel kann Hold On die Leute in Ekstase versetzen – aber viele Songs auf der Platte könntest du so nie im Club spielen. Sie sind entweder zu sanft, zu kurz oder zu sehr auf unsere Texte ausgerichtet.

Vielen Dank für dieses Interview!