Roger Waters (live in Mannheim 2018)

Roger Waters (live in Mannheim 2018) © Rudi Brand

In den jahrzehntelangen Streit zwischen Roger Waters und David Gilmour hat sich nun auch Gilmours Ehefrau Polly Samson eingeschaltet. Die Schriftstellerin wirft Roger Waters Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit vor. Ihr Ehemann David Gilmour bekräftigt die Vorwürfe gegen seinen Ex-Bandkollegen ausdrücklich.

Roger Waters sei ein "Putin-Apologet" und ein "lügender, stehlender, heuchlerischer, steuervermeidender, lippensynchronisierender, frauenfeindlicher, größenwahnsinniger Neidhammel", erklärt Polly Samson in ihrem Tweet. 

Kurz darauf reagierte Roger Waters in einem Statement auf die Anschuldigungen von Polly Samson. Waters Nachricht wurde in der dritten Person verfasst und auf seinem Twitter-Account veröffentlicht. 

Darin bestreitet der 79-Jährige die "aufrührerischen" und "völlig unzutreffenden Kommentare", die er alle "vollständig zurückweist". 

Protestsong stößt Waters übel auf 

Auslöser für den Zorn von Polly Samson ist vermutlich ein am 3. Februar erschienenes Interview von Roger Waters mit der Berliner Zeitung, das ebenfalls (in englischer Übersetzung) auf seiner Website zu finden ist

In besagtem Interview äußert Waters seine "Traurigkeit" darüber, dass seine ehemaligen Bandkollegen David Gilmour und Nick Mason gemeinsam mit dem ukrainischen Musiker Andrij Chlywnjuk einen Song der gegen den Einmarsch Russlands in die Ukraine protestiert aufnahmen. 

Diese "Aktion", also die Zusammenarbeit der Musiker und der daraus entstandene Song, empfindet Waters als "unmenschlich", weil sie zur "Fortsetzung des Krieges ermutigt". 

Da Pink Floyd ein Name ist, mit dem er früher in Verbindung gebracht wurde, mache es ihn "traurig", dass dieser Name nun wiederum mit so etwas wie einem "Stellvertreterkrieg" in Verbindung gebracht werde. 

Und dann der Antisemitismus

Neben dem Angriffskrieg der Russen und Wladimir Putin äußerte sich Waters auch über Israel. Waters hat sich in der Vergangenheit als extremer Verfechter der BDS-Bewegung (dt. Boycott, Divestment and Sanctions) positioniert, die aufgrund der Besetzung palästinesischer Gebiete zu Boykotten, Sanktionen und Unterlassung von Investitionen in Israel aufführt.

Die BDS-Bewegung ist nicht durchgängig, aber zumindest teilweise antisemitisch. Seine Aussagen werfen die Frage auf, inwiefern das auch für Waters gilt. Mehr zu diesem Thema findet ihr hier.

Sprachlich und inhaltlich schlägt er jedenfalls in dem Interview wie gewohnt über die Stränge und wirft Israel "Völkermord" vor, was jenseits aller Realität ist und im Zusammenhang mit dem ebenfalls erhobenen Vorwurfs des Faschismus gerade im deutschen Kontext unerträglich wirkt.

Waters weist allerdings den Vorwurf des Antisemitismus zurück und sieht eine aktivistische Israel-Lobby am Werk, die versuche, die Absage seiner Konzerte durchzusetzen. 

Kaum Handhabe für Absage

Angesichts dieser und vieler weiterer Äußerungen steht die Absage von Roger Waters Deutschlandkonzerten im Raum. Der Konzertveranstalter FKP Scorpio erklärt dazu, eine Absage der Tour sei nicht geplant. Roger Waters sei aktuell weder verurteilt noch liefe ein Strafverfahren gegen ihn. Eine Absage der Konzerte werde Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.

Roger Waters und der Veranstalter werden die Deutschlandkonzerte sicher nicht freiwillig absagen. Die Spielstätten in Hamburg, Berlin und Köln befinden sich im Besitz privater Unternehmen und werden vermutlich die Konzerte wie geplant stattfinden lassen. 

Die Festhalle in Frankfurt und die Olympiahalle in München befinden im Gegensatz dazu in öffentlicher Hand, was eine Konzertabsage wesentlich wahrscheinlicher macht, allerdings die Betreiber der Hallen wiederum zu Schadensersatzzahlungen verpflichten könnte.

Sondersituation in München und Frankfurt

In München zeigte sich OB Dieter Reiter bereits im vergangenen Jahr "irritiert" und kündigte an, dass die Olympiapark GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Stadt, die Absage des Konzertes prüfen werde. Neue Entwicklungen sind seitdem aber nicht bekanntgeworden.

Am wahrscheinlichsten erscheint aktuell eine Konzertabsage in Frankfurt. Die Festhalle befindet sich im Besitz der Messe Frankfurt, die zu 60% der Stadt Frankfurt und zu 40% dem Land Hessen gehört. Wie die FAZ berichtet, bereitet der Magistrat einen Antrag vor, den Vertrag mit dem Konzertveranstalter zu lösen. Am 10. Fe­bruar soll dieser Antrag von der Stadtregierung beschlossen und dann in den Aufsichtsrat der Messe eingebracht werden.

Ob diese Pläne Erfolg haben, wird sich zeigen. Grünen-Politikerin Manuele Rottmann unterstreicht energisch die Forderung nach einer Absage des Konzerts

"In der Festhalle Frankfurt wurden während der Novemberpogrome 1938 hunderte jüdische Männer zusammengetrieben, um in Konzentrationslager deportiert zu werden. Sie ist der Ausgangspunkt der systematischen Deportation der jüdischen Bevölkerung Frankfurts in die Konzentrationslager. (…) Roger Waters bedient regelmäßig antisemitische Narrative, außerhalb seiner Konzerte, aber auch auf seinen Konzerten. Die Geschichte unseres Landes, die Geschichte auch der Festhalle, verpflichtet uns [zur] Entschlossenheit gegen jeden Antisemitismus".

Ein Wiederholungstäter

Roger Waters ist ein streitbarer Zeitgenosse, aber er gibt sich in den letzten Jahren zunehmend verbitterter, aggressiver und unleidlicher. Viele seiner Äußerungen über Israel könnten als legitime Meinungsäußerungen durchgehen, aber die Aussage bezüglich des "Völkermords" ist nicht entschuldbar, vor allem nicht in Hinblick auf die Tatsache, dass die europäischen Juden tatsächlich Opfer eines Völkermords wurden. Was auch immer in Israel geschieht: Die Politik Israels gegenüber den Palästinensern ist damit nicht im Ansatz vergleichbar.

Roger Waters Rolle als Putinversteher, die in Deutschland von ganz linken bis ganz rechten politischen Kreisen vertreten wird, ist sicherlich fehlgeleitet, aber keineswegs außergewöhnlich. Wie bei den meisten geht Russlandfreundlichkeit oder Russlandhörigkeit mit einem deftigen Anti-US-Amerikanismus einher. 

Zudem offenbaren die Äußerungen fast komplette Ahnungslosigkeit über die ukrainische Geschichte. Die diesbezüglichen Informationen hat er offensichtlich ausschließlich aus regierungsnahen russischen Quellen.

Die Konzerte abzusagen, sofern sich nicht Waters oder der Veranstalter dazu entschließt, ist dennoch keine Kleinigkeit. Ob es dazu kommt, wird sich zeigen. Es wird allerdings vermutlich das letzte Mal sein, dass Waters auf Tour geht. Aus der öffentlichen Debatte wird er sich aber sicher nicht verabschieden, solange er kann.

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