Guns N' Roses

Guns N' Roses © Universal Music

Im Sommer 1991 befinden sich Guns N' Roses gerade auf der "Get in the Ring, Motherfucker" Tour, deren lieblicher Name gut zum Image als "gefährlichste Band der Welt" passt. Die Band befindet sich in ihrer Hochphase, doch ihr Konzert in Mannheim droht abermals in gefährlichen Ausschreitungen zu enden.

Wir schreiben den 24. August 1991. Drei Wochen soll es noch dauern, bis Guns N' Roses zum Doppelschlag "Use Your Illusion" ausholen, der sie endgültig auch in Europa gefühlt zu jedermanns Lieblingsband werden lässt. Derweil herrscht glühende Hitze auf dem Mannheimer Maimarktgelände. In kürzester Zeit hat die "gefährlichste Band der Welt" über 38.000 Tickets verkauft, wird Biograf Mick Wall später berichten. Preis: 45,00 DM.

Teure Sonderkategorien wie "Front of Stage" wird es noch lange Zeit nicht geben – Wer ganz nach vorne möchte, muss früh anreisen und rennen, was das Zeug hält, als sich die Tore öffnen. Wer Glück hat, wird von der Security vorne hinter eine Art Notfall-Absperrung gelassen und hat dort ausreichend Platz direkt vor der Bühne.

Die Anziehungskraft des Unberrechenbaren

Wie der Auftritt ablaufen wird, das kann bei Guns N' Roses niemand vorhersagen; erst ein Monat ist vergangen, seit es im Riverport Theatre zu historischen Ausschreitungen kam. Ein Fan wollte während "Rocket Queen" nicht aufhören zu fotografieren.

Da sich die Security nicht in der Lage zeigte, daran etwas zu ändern, sprang Axl Rose kurzerhand selbst ins Publikum und nahm dem Fan unter reichlichem Körpereinsatz die Kamera ab. Anschließend verkündete er: "Thanks to the lame-ass security, I'm going home", bevor er das Mikro auf den Bühnenboden donnerte und verschwand. Für die anschließenden Ausschreitungen wird sich Axl Rose ein Jahr später vor Gericht verantworten müssen.

Was soll dieser Krach?

In Mannheim betritt zunächst eine junge, noch nicht ganz so berühmte Band die Bühne. Axl Rose ist zwar bekennender Fan von Nine Inch Nails und trägt live sogar häufiger eines ihrer Shirts; seine Fans wiederum haben überhaupt kein Verständnis für Trent Reznors Industrial Rock der Marke "Head Like A Hole". Sie buhen die Band regelrecht von der Bühne und rufen nach dem Hauptact, während sie ihre Tickets in die Höhe strecken.

Schon leichter hat es da beim Mannheimer Publikum die nächste Band: Skid Row haben gerade ihren äußerst erfolgreichen Zweitling "Slave to the Grind" auf den Markt geworfen. Nachdem die Hard Rocker aus New Jersey um den schlacksigen Blondschopf und Mädchenschwarm Sebastian Bach die Bühne verlassen haben und der Umbau abgeschlossen ist, passiert auf der Bühne erst einmal das zu Erwartende: nichts.

Das Warten hat ein Ende. Vorerst.

Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, bevor schließlich Ennio Morricones Score zu "Spiel mir das Lied vom Tod" als Intro vom Band läuft und die rauhe Stimme von Duff McKagans Techniker McBob lauthals verkündet: "Mannheim! You wanted the best, well they didn't fucking make it. So here's what you get: From Hollywood – Guns N' Roses". Slashs berühmtes Intro, dann ein langgezogener Schrei wie ein Orkan und los geht es endlich mit "Welcome to the Jungle".

Axl Rose presst sich in mittlerweile gewohnter, etwas kurzatmig klingender Manier live Töne aus dem Leib, die teilweise fast schon zu aggressiv und verzerrt sind, um noch wirklich als solche bezeichnet zu werden. Gesund klingt das nicht mehr, was der Mann da macht. Nach Rock'n'Roll aber allemal. Alles im grünen Bereich also, so scheint es.

Warum nicht einfach gehen, wenn es keinen Spaß macht?

Doch bereits am Ende des fünften Songs im Set, "Live And Let Die" ist es schließlich soweit: "Thanks a lot", sagt Axl, bevor er sein Mikrofon in die Luft wirft und von der Bühne marschiert. Zunächst werden technische Probleme von der Bühne gemeldet. Eine gefühlte Ewigkeit später kehren Guns N' Roses schließlich zurück. Im Folgenden servieren sie den Fans ein insgesamt über zweistündiges, überzeugendes Set, das zahlreiche Songs des kommenden Doppelalbums beinhaltet und natürlich gebührend mit Paradise City beschlossen wird – Ende gut, alles gut.

Dass der Abend jedoch auch ganz anders hätte ausgehen können, erfahren Fans erst später. In seiner Autobiografie erinnert sich Slash, dass Axl aus ihm unbekannten Gründen die Show nicht fortsetzen wollte. Als Axl die Bühne verlässt, läuft er schnurstracks zu dem Van, der dafür gedacht ist, die Bandmitglieder zur Garderobe zu transportieren, die über einen Kilometer von der Bühne entfernt ist.

Am Rande des Abgrunds

Doch der Veranstalter Marek Lieberberg bekommt Wind von den Problemen und lässt in weiser Voraussicht die Ausfahrten des Backstage-Bereichs mit LKW versperren. Als Axl feststellt, dass er keine Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen, kehrt er schließlich auf die Bühne zurück. Ansonsten, so ist sich Slash sicher, wäre es erneut zu gefährlichen Ausschreitungen gekommen; Polizei in entsprechender Kampfausrüstung befindet sich bereits auf dem Areal. "All I could remember thinking as I walked offstage after the encore was: 'Fuck, that was close'", wird er später berichten. 

Rhythmus-Gitarrist Izzy Stradlin hat schließlich endgültig genug: Einen Tag nach dem Auftritt lässt er durch den Manager Alan Niven dem Rest der Band mitteilen, dass er nach der laufenden Tour-Etappe die Band verlassen wird. Gilby Clarke wird ihn bekanntermaßen später für den Rest der Tour ersetzen.

27 Jahre später

Nun kehren Guns N' Roses nach Mannheim zurück. Wird sich die Show mit der von 1991 vergleichen lassen? Sicherlich nur schwerlich. Izzy Stradlin konnte sich abgesehen von ein paar Gastauftritten nach wie vor nicht zu einer Rückkehr zu den nun teilweise wiedervereinten Gunners bewegen, da die Gage nicht gleichmäßig verteilt werden sollte, wie er 2016 über Twitter berichtete.

Der damalige Schlagzeuger, Matt Sorum (der Steven Adler ersetzte) ist genauso wenig Teil der Reunion. Ihre gefährliche Ausstrahlung hat die Band zudem mit dem Älterwerden weitestgehend verloren. Auch der Substanzmissbrauch scheint längst der Vergangenheit anzugehören. Teure Ticketpreise und Wiederauflagen alten Materials sowie der Mangel an neuen Songs wecken zuweilen eher unangenehme Assoziationen mit einer gigantischen Geldmaschinerie anstatt einer Band, die den Rock'n'Roll lebt.

Der nette Axl

Der Axl Rose, den wir heutzutage erleben, scheint ein anderer zu sein. Der aggressive Gesang wurde zu großen Teilen ersetzt durch reine Kopfstimme, die teilweise beinahe nach Falsett klingt. Zudem ist er zuverlässig und ja, irgendwie auch richtig liebenswürdig geworden, beinahe handzahm.

In Hannover bedankt sich Axl 2017 höflich bei seinen Fans, dass sie trotz Unwetterpause so lange ausgeharrt haben. Die Konzerte von Guns N' Roses beginnen heutzutage pünktlich, die Gefahr eines Abbruchs scheint nicht zu bestehen.

Bei ihrem Konzert in Mannheim 1991 befanden sich Guns N' Roses in ihrer absoluten Hochphase, obwohl bereits deutlich Zerfallserscheinungen sichtbar waren. Die Band, die wir 2018 in Mannheim sehen werden, ist nicht mehr dieselbe und lebt sicher zu nicht unbeträchtlichen Teilen von der nostalgischen Erinnerung an damals. Und dennoch: Es sind immer noch Guns N' Fuckin' Roses.

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