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Nick Mason's Saucerful Of Secrets (live in Stuttgart 2018) © Torsten Reitz

Nick Mason's Saucerful of Secrets bieten in der Stuttgarter Liederhalle eine wunderbare Reise in die Frühzeit von Pink Floyd und beweisen, dass die Kompositionen von damals nichts von ihrer innovativen Qualität eingebüßt haben.

Es war eine der großen Überraschungen des Jahres als im Frühling die Nachricht die Runde machte, dass Pink Floyd-Schlagzeuger Nick Mason mit einer Band, die er nach dem Titeltrack des zweiten Floyd-Albums benannt hat, Konzerte geben würde.

Anstoß von außen

Konsequenterweise spielen Nick Mason's A Saucerful Of Secrets ausschließlich Songs und Kompositionen, die vor "Dark Side Of The Moon" veröffentlicht wurden. Dies schließt neben dem von Syd Barrett geprägtem Frühwerk aber auch die Phase ein, in der die Band sich in der Besetzung mit David Gilmour neu erfinden musste.

Interessanterweise ist jedoch nicht Mason der Initiator des Projektes, sondern der frühere Blockheads-Gitarrist Lee Harris, der mit Bassist Guy Pratt befreundet ist. Pratt ersetzte Roger Waters in der Pink Floyd-Besetzung der 1980er und 1990er Jahren und spielte danach in der Band von David Gilmour. Außerdem ist er der Schwiegersohn des 2008 verstorbenen Floyd-Keyboarders Rick Wright.

Der Kreis schließt sich

Pratt hatte im Verlauf der Jahren Gilmour immer wieder gefragt, ob sie nicht einmal "The Nile Song", eine hart rockende Nummer von dem Soundtrack "More", spielen könnten, konnte seinen Boss jedoch nie überzeugen. Die Idee das Floyd‘sche Frühwerk zu zelebrieren, kam dann von Harris über Pratt zu Mason, der schon lange wieder aktiv werden wollte, aber keinen Plan hatte, wie er das genau bewerkstelligen sollte – bis Pratt bei ihm vorstellig wurde.

So nahm die Band nach und nach Gestalt an: Keyboarder Dom Beken war zeitweilig Wrights Assistent und hat von diesem nicht nur viel über seine Spielweise, sondern auch über das verwendete Equipment erfahren. Das Line-up komplettiert Spandau Ballet-Gitarrist Gary Kemp – eine auf den ersten Blick überraschende Wahl, aber auch er ist Floydfan durch und durch.

Erstaunlich gut eingespielt

Das Konzert in der Liederhalle wird in bester Floyd-Manier durch ein Vorabtape mit Soundeffekten eingeleitet. Leider ist kein 360°-Soundsystem am Start, so dass der Hubschrauber nur von links nach rechts fliegen kann. Um Punkt 21 Uhr betreten die fünf Musiker die Bühne und eröffnen den Abend mit "Interstellar Overdrive", gefolgt von "Astronomy Domine".

Der Sound ist grandios, die Musik klingt energetisch, angemessen laut und doch differenziert. Nie hat man den Eindruck, hier stehe eine völlig neu zusammengestellte Band auf der Bühne, die Musiker wirken wie ein seit langem eingespieltes Team. Wenn man bedenkt, dass Mason seit Ewigkeiten nicht mehr auf Tour war, ist das doch ebenso erstaunlich wie erfreulich.

Musik der frühen Jahre

Masons Schlagzeug befindet sich weit vorne im Mix und ist in kurzen Augenblicken ein wenig zu prominent, aber die anderen Instrumente sind dennoch gut hörbar und vermitteln den Spätsechziger/Frühsiebziger-Sound, den man sich für einen solchen Abend wünscht. Die bemerkenswert vielen jungen Leute im Publikum erleben möglicherweise erstmals einen solchen Sound in voller Konzertlautstärke – und die älteren Fans schwanken zwischen euphorischem Jubel und seligem Lächeln. 

Vom eleganten Klang der späten Floyd oder der David Gilmour-Solokonzerte ist die Musik ebenso weit entfernt wie von den aggressiven Politik-Predigten der aktuellen Roger Waters-Tour. Stattdessen entwickeln Nick Mason und Mitstreiter ihre Interpretation der frühen Floyd. Deren Werk lag mit wenigen Ausnahmen in Hinblick auf die Live-Aufführung brach, denn weder Gilmour noch Waters zeigten daran – von einigen Ausnahmen abgesehen – sonderlich großes Interesse. In diese Lücke stoßen nun Nick Mason's Saucerful of Secrets.

Pink Floyd neigten in den Konzerten ihrer frühen Phase zum radikalen Experiment, was man im Jahr 2018 nicht ohne weiteres wiederholen kann. Auf den Filmaufnahmen der damaligen Zeit wirken die Musiker teilweise fanatisch, von ihrer Musik regelrecht besessen. Dieser Aspekt ist bei den wohlhabenden Musikern der Gegenwart natürlich nicht mehr präsent, was aber nicht bedeutet, dass die Kompositionen der damaligen Zeit zahnlos geworden sind.

Klassiker modern interpretiert

Nick Mason als Gründungsmitglied verfügt über die Autorität, sich des Frühwerks der Band anzunehmen, ohne es zu einem bloßen Tribute-Act verkommen zu lassen. Da er als Kurator der "The Early Years"-Box die damaligen Arrangements sehr genau kennt, vermag er die 50 Jahre alten Stücke zeitgemäß zu interpretieren, ohne sie bloß nachzuspielen. So können sich Nick Mason's Saucerful of Secrets die Freiheit nehmen, Songs aus sehr unterschiedlichen Bandphasen zusammenzustellen und gegebenenfalls neu zu strukturieren.

Die zwei Gitarren von Kemp und Harris bieten zudem mehr Möglichkeiten in Hinblick auf die Arrangements, als es Barrett bzw. Gilmour einzeln vermochten. Teilweise rekonstruieren die beiden Gitarristen die im Studio gedoppelten Parts, teilweise interpretieren sie die klassische Vorlage eigenständig. 

Songdienliche Arrangements

So leitet "If" von "Atom Heart Mother" geschickt in das Titelthema des Albums über, bevor es dann wieder zu dem von Kemp und Pratt wunderbar interpretierten Ausgangspunkt zurückkehrt. Glücklicherweise verzichtet die Band auf die Exzesse der damaligen Zeit und spielt "Atom Heart Mother" in einer abgespeckten Version – und natürlich auch ohne Chöre und Orchester, was der Komposition unheimlich zu Gute kommt.

Ausladende Tracks wie "Set The Controls For The Heart Of The Sun" oder "Saucerful Of Secrets" erhalten ebenfalls eine eigene Struktur, die zentrale Bezugspunkte wie die gewaltige Steigerung im Schlussteil bei "Saucerful" aufgreifen, aber gleichzeitig nicht in der epischen Breite inszeniert werden, wie Pink Floyd es damals teilweise taten.

Als gute Entscheidung erweist sich zudem, dass Kemp und Pratt sich die Gesangspflichten teilen, das sorgt für Vielfalt und Abwechslung in Hinblick auf die Stimmfarben.

A song for Syd

Neben diesen Kompositionen, die nach dem Ausstieg von Syd Barrett entstanden, spielt die Band auch Klassiker der Syd Barrett-Phase wie die Singles "Arnold Layne" und "See Emily Play" oder "Bike" und "Lucifer Sam" vom Debütalbum "The Piper At The Gates Of Dawn". Diese Interpretationen gelingen ausgezeichnet, auch weil Gary Kemp einen ordentlichen Job als Sänger dieser Stücke macht.  

Nick Mason nimmt sich auch Zeit, Syd Barrett und seine Genialität als Songwriter zu würdigen, was das Publikum mit großem Jubel aufnimmt. Solche Augenblicke hätten in einem Gilmour- oder Waters-Konzert keinen Platz, was den Auftritt von Nick Mason's Saucerful of Secrets umso wertvoller macht. 

Man darf tatsächlich gespannt sein, wie es mit diesem Projekt weitergeht. In Stuttgart bejubeln jedenfalls junge und alte Fans Nick Mason ausgelassen und spenden Standing Ovations. Die wenigsten hätten wohl zu Beginn des Jahres damit gerechnet, einen solchen Abend zu erleben.

Setlist 

Interstellar Overdrive / Astronomy Domine / Lucifer Sam / Fearless / Obscured by Clouds / When You're In / Arnold Layne / Vegetable Man / If->Atom Heart Mother-If / The Nile Song / Green Is the Colour / Let There Be More Light / Set the Controls for the Heart of the Sun / See Emily Play / Bike / One of These Days // A Saucerful of Secrets / Point Me At The Sky

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