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Guns N' Roses (live in München, 2017) © Dominic Pencz

Wenn man Guns N' Roses spielen sieht, könnte man meinen, sie hätten sich nie getrennt. Als perfekte Einheit präsentieren sie im Münchner Olympiastadion eine gewaltige Powershow, die großartige Highlights bietet, der aber zur Weltklasse eine Kleinigkeit fehlt.

Schon der ganze Tag in und rund um München steht im Zeichen des mit riesigen Erwartungen erfüllten Konzerts von Guns N' Roses. Die Züge nach München werden zu Partyzügen umfunktioniert.

In der Innenstadt sieht man alle paar Meter Menschen mit auffälligen Outfits und das Geschäft von Wormland wird für diesen einen Tag zum besonderen Anziehungspunkt für Hardcorefans. Denn drinnen werden besondere Fanartikel verkauft und zahlreiche Originalstücke wie die Gitarren von Slash sind aus nächster Nähe zu bestaunen.

Der Boden erzittert

Als die Show von Guns N' Roses im mit 67.500 Besuchern gefüllten Olympiastadion losgeht, wackeln buchstäblich die Wände. Das Opening von "It's So Easy" und "Mr. Brownstone" ist ein einziges Gitarrengewitter, getragen von peitschenden Speedriffs.

Zahlreiche Explosionen heizen das Publikum weiter an und so ist es kein Wunder, dass bei "Welcome To The Jungle" durch das Toben der Massen die weltberühmte Dachkonstruktion im Olympiastadion derart vibriert, als würde sie gleich aus der Verankerung gerissen.

Wie ein Wirbelsturm

Imposant ist neben dem aufgeladenen Gesang von Axl Rose vor allem das grandiose Fingerspiel von Slash. Die überdimensionale Leinwand zeigt den legendären Rockgitarristen in Großaufnahme. Seine Finger jagen bei "Double Talkin' Jive" mit einer faszinierenden Geschwindigkeit über die Saiten und lassen das Stadion ausrasten. Der brachial peitschende Gitarrensound heizt das Publikum mit dem energetischen "Better" und dem etwas melodischeren "Estranged" richtig auf.

Diese Energie entlädt sich bei "Live And Let Die". Die Gun feuert auf der Leinwand während des Songs mehrere Schüsse ab und der komplette Innenraum wirft dazu bei jedem Schuss den Arm nach vorne. Die bekannte Melodie des James Bond Klassikers wird getoppt durch Slash, der seine Gitarre kreischend hochjagt und den Song so unglaublich energetisch akzentuiert. Ein absolutes Highlight des Konzerts.

Mann gegen Mann

Für "Rocket Queen" erscheint Axl Rose nun mit Hut und schwarzer Sonnenbrille. Er heizt an, überlässt die Show dann aber Richard Fortus, der seine goldene Rhythmusgitarre hochjagt. Slash kommt hinzu und schließlich stehen sie sich direkt gegenüber wie in einem Duell und powern sich gegenseitig mit ihren Riffs hoch. Das Stadion flippt schließlich aus, als Slash mit einem eingesprungenen Jumper in das letzte Riff den Song beendet. Aber auch Axl Rose kann das Stadion anpeitschen. Bei "You Could Be Mine" drückt er derart aufs Gas, dass es die ganze Haupttribüne aus den Sitzen reißt und gemeinsam mit dem Innenraum rockt das ganze Stadion.

Den Gesang von "New Rose" übernimmt Bassist Duff McKagan, auch er ist endlich wieder da. Der ganze Innenraum geht mit. Kurz wird es mit "This I Love" etwas gedämpfter. Die Stimme von Axl Rose bekommt mehr Gefühl, trotzdem bleibt es knallharter Rock. Slash ist bei "Civil War" mit seiner Doppelhalsgitarre am Start und rockt das Stadion, während Axl Rose wie angestochen über die Bühne jagt. Die ganze Tribüne feiert Guns N' Roses mit Standing Ovations.

Alle warten auf ...

Ein weiterer großer Auftritt ist das Gitarrensolo von Slash, als er Chuck Berry's "Johnny B. Goode" spielt. Wieder einmal jagen seine Finger über die Saiten und sorgen für große Begeisterung. Als aber die ersten Klänge von "Sweet Child O' Mine" ertönen, scheint das Stadion förmlich zu explodieren. Darauf haben alle wohl sehnsüchtig gewartet. Die Tribüne steht komplett, der Innenraum kocht, als Slash wieder ansetzt und Axl Rose wie von Sinnen presst. Dieser Moment ist pure Gänsehaut, jedes Haar auf der Haut scheint zu stehen. Die Energie im Stadion ist greifbar, der Lärm ohrenbetäubend. Der beste Song des Konzerts.

Episch, fast dramatisch wirkt anschließend "Wish You Were Here". Slash und Richard Fortus lassen ihre Gitarren sprechen. Dieser Song ist so anders als alles bis hierhin. Kein Wunder, stammt das Original auch nicht von Guns N' Roses, sondern von Pink Floyd. Sie adaptieren das Cover brilliant und bekommen Megaapplaus.

Die große Gefühlsshow erreicht ihren Höhepunkt mit "November Rain". Axl Rose sitzt vorne an der Bühne am Piano. Die Lichter der Smartphones illuminieren das Stadion. Axl Rose singt mit so viel Gefühl wie bei keinem anderen Song und auch das Publikum singt mit. Eine der größten Rockballaden der Musikgeschichte wird zelebriert, wieder stehen alle Haare am Körper wie elektrisiert. Am Ende feiert, pfeift, tobt und schreit das gesamte Publikum. 

Die fehlende Kleinigkeit

Was fehlt diesem Konzert zur absoluten Weltklasse? Ganz einfach, das durchgängige Zusammenspiel zwischen Band und Publikum. Was da noch möglich gewesen wäre, zeigt "Knockin' On Heavens Door". Angetrieben von Richard Fortus springt Axl Rose zur Vorbühne und lässt das Publikum auf seinen Gesang antworten.

Die dabei spürbare Intensität, diese emotional starke Verbindung, ist so präsent wie bei keinem anderen Song. Andersherum zeigt es aber auch, dass diese Intensität an manch anderem Punkt im Konzert eben nicht spürbar ist. An selber Stelle hat Bruce Springsteen 2016 an gleichem Ort gezeigt, wie man diese Verbindung über ein komplettes Konzert aufrecht erhält. Da haben Guns N' Roses noch Luft nach oben.

Den Hauptblock schließen sie mit "Nightrain" ab. Von elektrisierendem Powerrock angetrieben jagt Axl Rose wieder einmal quer über die Bühne. Vorne stehen Slash und Duff McKagan und jagen ihre Gitarren gnadenlos hoch. Direkt weiter in die Zugabe feuern sie zuerst "Black Hole Sun" ab und landen über die dramatischen Klänge von "Don't Cry" schließlich bei den Speed-Riffs von "The Seeker". Richard Fortus springt dabei förmlich in seine Riffs hinein, während Axl Rose offenbar überall gleichzeitig sein will, so angestochen wie er über die Bühne flitzt.

Das große Finale

Der letzte Song ist "Paradise City". Das Stadion feiert eine Riesenparty. Ein letztes brachiales Gitarrengewitter bricht los, im Nebel der Bühne jagen Flammen und kleine Feuerwerke hoch. Die Scheinwerfer wirbeln. Tribüne und Innenraum springen und klatschen. Axl Rose gibt ein letztes Mal Gas ohne Ende. Das ist rock at its best. Ein würdiges Finale für eine gigantische Show.

Klar gibt es auch diesmal im Münchner Olympiastadion Verzerrungen, die sich unter der Dachkonstruktion auf der Haupttribüne sammeln. Das ist in diesem Stadion kaum zu verhindern. Aber die wichtige Erkenntnis ist: Guns N' Roses sind wieder da. Sie zeigen, dass sie immer noch zu den besten Live-Acts der Rockmusik zählen. Energetisch, dramatisch und immer noch mit Wahnsinnspower. Ein Highlight des Konzertjahres 2017.

Setlist

It's So Easy / Mr. Brownstone / Chinese Democracy / Welcome To The Jungle / Double Talkin' Jive / Better / Estranged / Live And Let Die / Rocket Queen / You Could Be Mine / New Rose / This I Love / Civil War / Yesterdays / Coma / Johnny B. Goode / Speak Softly Love / Sweet Child O' Mine / Out Ta Get Me / Wish You Were Here / November Rain / Knockin' On Heavens Door / Nightrain // Black Hole Sun / Don't Cry / The Seeker / Paradise City

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