David Gilmour (live in Wiesbaden, 2016)

David Gilmour (live in Wiesbaden, 2016) © Peter H. Bauer

Keyboarder Jon Carin ist nicht jedermann ein Begriff, aber für die Entstehung der späten Pink Floyd-Alben spielte er eine wichtige Rolle. Daher lassen seine auf Facebook getroffenen Aussagen aufhorchen.

Jüngst haben David Gilmour und Nick Mason eine umfangreiche Box mit Studio- und Livematerial von Pink Floyd aus den Jahren 1987-2019 mit dem Titel "The Later Years" veröffentlicht. Neben einem neuen Remix von "A Momentary Lapse of Reason" enthält die Box erstmals den Konzertfilm "Delicate Sounds of Thunder" auf BluRay.

In dieser Zeit war Jon Carin immer als Keyboarder auf Tour mit der Band unterwegs und spielte auch auf den Studioalben. In den späteren Jahren tourte er mit David Gilmour und Roger Waters. Man kann ihn daher durchaus als Insider bezeichnen. Mit Erscheinen der "The Later Years" Box hat Carin nun einige Äußerungen fallen lassen, die durchaus Zündstoff beinhalten.

Spannende Bemerkungen

Jon Carin postete vor einigen Tagen ein Foto des letzten Auftritts von Pink Floyd mit Richard Wright beim Tribute-Konzert für den 2006 verstorbenen Bandgründer Syd Barrett. Darunter fragten ihn Fans, wie er denn den neuen Mix von "A Momentary Lapse of Reason" finde.

Darauf antwortete Carin, dass er überrascht sei, dass der Remix nach wie vor alle 80er-Synthesizer und Drums enthalte. Es hätte ihm Spaß gemacht, dem Album einen mehr zeitlosen Sound zu verleihen. 

Noch mehr Zündstoff bilden die Antworten auf die Frage, was Carin denn auf dem folgenden Album "The Division Bell" gespielt habe. Carin erklärte, er habe mit Einverständnis von Phil Taylor (Gitarrentechniker von David Gilmour) im Lager nach den alten Synthies gesucht und sie auch eingesetzt.

Er fährt fort, dass große Teile der Songs von ihm eingespielt worden seien und fast alle Keyboard-Parts auf dem "The Division Bell" von ihm stammen. In der offiziellen Leseart hieß es, dass Rick Wright bei dem 1994er Album wieder stärker eingebunden gewesen wäre. Laut Carin sei Wright auf Songs wie "High Hopes" oder "Marooned" hingegen gar nicht zu hören.

Streit der Produzenten

Weiterhin schreibt er in einem weiteren Kommentar, dass "Pulse"-Produzent James Guthrie bereits vor einigen Jahren einen 5.1. von "Animals" angefertigt habe, das Management aber aus unerfindlichen Gründen diesen zurückhalte.

"Pink Floyd sollte nur von James (Guthrie) gemixt werden, nicht von irgendjemand anderes." Dieser irgendjemand ist Andy Jackson, der aktuelle Haus und Hof-Produzent von David Gilmour bzw. Pink Floyd.

Warum jetzt?

Es stellt sich die Frage, warum Jon Carin, nach 25 Jahren mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit geht. Selbstverständlich muss man sich im Klaren sein, dass es im Musikgeschäft regelmäßig vorkommt, dass Sessionmusiker Parts der Hauptmitglieder übernehmen.

Carin spielt auf der "Later Years"-Box musikalisch fraglos eine wichtige Rolle. Fühlt er seine Leistung nicht ausreichend gewürdigt? Geht es ihm um fehlende Credits (und damit auch um fehlende Tantiemen)? Ist er gekränkt weil ihm die offizielle Pink Floyd Fanpage nicht zum Geburtstag gratuliert hat – was er mehrfach auf Facebook betonte?

Konflikte um neue Abmischungen

Fakt ist, hinter den Kulissen muss es in der jüngeren Vergangenheit mächtig gekracht haben. Bereits als die "The Early Years" Box Ende 2016 erschien, gab es offenbar Streitigkeiten über diverse neue Mixe. So flogen von Andy Jackson angefertigte 5.1. Mixe von "Obscured By Clouds" und "Meddle" kurzerhand raus, weil Roger Waters offenbar nicht damit einverstanden war. "Meddle" ist allerdings als Gimmick auf einer der DVDs in der Box enthalten.

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende: Die "The Later Years"-Box sollte auch das Livealbum "P.U.L.S.E" in einer neuen Abmischung enthalten. Doch der originale Produzent James Guthrie verweigerte seine Zustimmung. Es ist gut möglich, dass es deshalb zu Spannungen kam, in denen sich Carin jetzt eindeutig auf die Seite von Guthrie schlägt – und damit gegen David Gilmour stellt.

Wer sind eigentlich Pink Floyd?

Nick Mason schreibt in seinem 2004 erschienenen Buch "Inside Out", dass viele der Stücke auf "The Division Bell" in Jamsessions der drei Musiker entstanden seien. Wright wird u.a. bei "Keep Talking" und "What do you want from me" als Mitkomponist genannt. 

Das mag sogar stimmen, aber wenn Carins Aussagen stimmen, dann haben Gastmusiker wie er eine weitaus wichtigere Rolle auf den späten Pink Floyd-Alben gespielt, als viele Fans bis heute wahrhaben wollen.

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