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Max Giesinger (live in Worms, 2023) © Rudolf Uhrig

Jazz & Joy 2023 lockt mit einem ausgezeichneten Line-up eine große Besucherschar in die Wormser Innenstadt. Diese erlebt ein gelungenes dreitägiges Festival voller hochklassiger Musik und guter Laune.

Über fehlende Zuschauer kann sich Jazz & Joy an allen drei Tagen nicht beschweren: Schon am Freitagabend sind die Plätze gut gefüllt. Und der Freitag erfüllt sogleich alle Hoffnungen auf ein gutes, unbeschwertes Festival.

Mit dem Omer Klein Trio erleben die Zuschauer auf dem Schlossplatz ein leidenschaftliches Klaviertrio, das einer sehr klassischen Besetzung neue spannende Aspekte entlockt. Viel Applaus sind der Lohn für einen kreativen Auftritt des Trios, das in den letzten Jahren sich bei seinen Live-Auftritten deutlich weiterentwickelt hat.

Deutsch-türkische Begegnung

Die junge Band Engin von der Mannheimer Popakademie bildet währenddessen den Aufttakt einer Reihe ganz ausgezeichneter Auftritte vor der Jugendherberge. Engin verbinden deutsche und türkische Musik auf eine Weise, die das Publikum direkt für sich einnimmt. 

Mit einer Mischung aus selbst geschriebenen deutschsprachigen Songs und (vornehmlich) Coverversionen von türkischen Liedern wechselt die Band leichtfüßig und elegant zwischen den Kulturen. Sänger Engin Devekiran punktet darüber hinaus mit einer sympathischen Bühnenpräsenz und genau der richtigen Mischung aus Reflektion und Leidenschaft.

Deutscher Schmuse-Pop

Währenddessen geht es andernorts weniger tiefgründig zu: Hinter dem weißen Tuch der verhüllten Hauptbühne am Marktplatz ertönt pünktlich um 21 Uhr die Stimme von Max Giesinger. Das Publikum auf dem gut gefüllten Platz geht schon mit, als endlich das Tuch fällt. Schon zu "Legenden" klatschen die Zuschauer den Rhythmus mit und sind entzückt, wie nah sie an Max Giesinger dran sind.

Er sucht den Kontakt, schreibt Autogramme und macht Fotos, geht schließlich sogar direkt ins Publikum und singt mit seinen Fans. Mit ansteigender Spannung in der Melodie untermalen die Musiker bei "Der letzte Tag" das Drama mit rockigem Gitarrensound.

Max Giesinger lässt das Publikum den bekannten Hit "Wenn sie tanzt" euphorisch mitsingen und auf eine kleine Einlage a la Scatman John springen sie leidenschaftlich auf und ab.

Die zweite Bühne

Plötzlich taucht Max Giesinger vor dem Turm in der Mitte des Platzes auf. Dort singt er zuerst die Ballade "4.000 Wochen". Ein echtes Highlight ist das akustisch gespielte "More To This Life", welches er im Original mit Michael Schulte aufgenommen hat.

Zurück auf der Hauptbühne setzt er mit der Mitsinghymne "Auf das was da noch kommt" ein zweites gefeiertes Highlight. Das Publikum singt, springt und feiert. Beim Random Karaoke mit zufällig ausgewählten Songs gelingt wenigstens das Cover von "Highway To Hell" noch einigermaßen, während "Girls Just Wanna Have Fun" so gar nicht funktionieren will.

Am Ende ist es ein Song, auf den alle warten. Wieder von der zweiten Bühne aus startet Max Giesinger mit den ersten Tönen von "80 Millionen". Der Song wird vom tendenziell eher weiblichen Publikum laut mitgesungen und abgefeiert.

Zuverlässig gut

Parallel zum Sonderkonzert heizt die Nils Landgren Funk Unit dem Publikum am Weckerlingplatz ein. Die sechs Musiker jammen und grooven zuverlässig gut. Zu ihren Standards zählen Klassiker wie "Get Down On The Funk", bei dem Nils Landgren an der Posaune und sein Saxofonist ordentlich Druck geben.

In der Zugabe holen sie einen Jungen namens Arthur auf die Bühne, der mit seiner Posaune mitgrooven darf zum Song "Ain't Nobody". Das Publikum feiert das ganze Set mit großem Applaus ab.

Ein unerwartetes Highlight

Ein echtes Highlight am Freitag liefert vor der Jugendherberge das französische Duo Turfu. Mit Schlagzeug, Akkordeon und elektronischen Elementen, bringen sie das Publikum vor der Bühne mit hypnotischem Trance-Sound zum Tanzen.

Die Instrumente setzen in den Sound hinein explosive Spitzen, durch die das Publikum permanent angeheizt wird. So endet der Freitag um 0 Uhr mit ausgelassenem Tanz und riesigem Applaus.

Spiritueller African-Soul

Am Samstag ist das erste Highlight das Konzert von Marema auf dem Schlossplatz. Trotz kurzer Regenphasen herrscht ausgelassene Stimmung. Die ausdrucksstarke Sängerin aus dem Senegal beeindruckt mit ihrer klaren, kraftvollen Soulstimme.

Die Mischung aus treibenden Afro-Beats und teils spirituell anmutendem Soul, gepaart mit leidenschaftlichen Tanzeinlagen, macht einfach nur gute Laune.

Wie ein Wirbelsturm

Eine echte Entdeckung ist das israelische Kollektiv Hoodna Orchestra. Die neun Musiker jagen das Publikum mit ihrem wilden, elektrisierenden Sound von einer Euphoriewelle zur nächsten.

Das Publikum klatscht die schnellen Rhythmen voll Enthusiasmus mit, während vor allem die drei Bläser mit gewaltigem Druck ordentlich Gas geben und die Gitarristen immer wieder ihre Riffs dazwischen feuern. Das Publikum ist kaum zu stoppen, tanzt ausgelassen und rastet total aus.

Nach dem ersten Eindruck weniger eingängig, aber mit unbändigem Willen ist die südafrikanische Band Bantu Continua Uhuru Consciousness (BCUC) ausgestattet. Es dauerte eine Weile bis die sehr wilde, perkussive Musik der Band das Publikum mitreißt, aber zum Ende feiern sie die Zuschauer auf dem Schlossplatz ausgelassen.

Pure Lebensfreude

Nicht ganz so wild, aber ebenso laut gefeiert wird die Pariser Band Les Yeux D'La Tete. Die begeisternde Mischung aus Balkan-Klängen und französischem Chanson ist äußerst charmant.

Mit dem weiter ausufernden Gypsy-Pop zünden sie eine weitere Stufe und tanzen sich selbst zum Groove ihrer Musik in beste Stimmung. Das Publikum auf dem gut gefüllten Marktplatz macht jeden Spaß mit, auch die leicht chaotische, aber sehr unterhaltsame Tanzchoreographie.  

Währenddessen gibt es mit dem locker-flockigen Indie-Pop von The Planetoids und dem unkategorisierbaren Jazz-Punk von Boticelli Baby gute Alternativen für diejenigen, die nach Abwechslung gieren. Auch Paul Gerlinger macht mit seinem melancholischen Singer-Songwriter-Pop als Ersatz für Novaa seine Sache gut.

Jazz und Techno

Die auffällig häufige Kombination aus Jazz und elektronischer Musik findet ihren Höhepunkt im Konzert der Jazzrausch Bigband am Weckerlingplatz. Die rund 15 Musiker und Musikerinnen vereinen diese zwei sehr ungleichen Stilrichtungen zu einer explosiven Darbietung.

Die bestens gelaunten Musiker reißen gekonnt jede Grenze der Stilarten ein, vertonen sogar alte Gedichte. Dabei unterlegen sie die gesungenen Texte mit einem gewaltigen Feuerwerk aus treibenden Techno-Beats und druckvollem Bläsersound.

Modernster Pop-Sound

Parallel beschließt Pop-Star Alice Merton mit ihrer Show den Samstag auf dem Marktplatz. Sie eröffnet das Konzert mit dem hypnotischen Song "Vertigo". Der topmoderne Popsound von "Hit The Ground Running" entfacht die wilde Seite von Alice Merton, bei der sie ohne Qualitätsverlust im Gesang ausgeflippt über die Bühne tanzt.

Ihre stimmlichen Fähigkeiten geben auch "Learn To Live" den besonderen Kick hinein in den treibenden Sound. Anschließend lässt sich das Publikum zum Mitsingen des Refrains "I Just Can't" des Songs "Same Team" antreiben.

Hits zum Mitsingen

Auch "Loveback" mit seinem opulenten Opening und dem pulsierenden Sound samt der druckvollen Halleffekte ist mitreißend. Das dynamische "Jealousy" heizt das Publikum weiter an und beeindruckt ebenso wie das wutentbrannte "Mania" mit seinen knallharten Beats.

Am Ende singt das Publikum ausgelassen die bekannten Hits mit. Das weltweit gefeierte "No Roots" wird ebenso leidenschaftlich mitgesungen wie das lebensbejahende "Why So Serious". Die Zugabe "The Other Side" setzt den Schlusspunkt unter einen großartigen Festivalsamstag. 

Große Vielfalt

Am Sonntag setzt sich das vielfältige und hochklassige Programm nahtlos fort. So überzeugen die Votingsieger Titanic Swim Team mit schnörkellosem Indie-Pop und tanzbaren Melodien.

Gringo Mayer hat sich mit Indie-Rock auf Kurpfälzisch binnen zweier Jahre eine große Fangemeinde in der Rhein-Neckar-Region und darüber hinaus erspielt. Mit Songs, die man inzwischen fast schon als Klassiker bezeichnen kann und neuen Liedern sorgt er für Bombenstimmung vor der Jugendherberge.

Jazz gibt es natürlich auch: Der fast 80-jährige Saxophonist und Klarinettist Gianluigi Trovesi ist vielleicht nicht mehr so ausdauernd wie in früheren Zeiten, aber sein wunderbarer Ton ist nach wie vor intakt. Das beweist er bei seinem neunzigminüten Auftritt voller Eleganz und zurückhaltender Schönheit.

Genesis-Klassiker und mehr

Parallel zu Gringo Mayer lässt Ray Wilson den Markplatz mit einer wahren Hitsalve erbeben. Als kurzzeitiger, ehemaliger Sänger von Genesis spielt er zahlreiche Hits aus diesem Umfeld. Das Genesis-Cover "That's All" ist ein kantiger Rock-Song mit kraftvollen Gitarrenriffs. Dazu passt die dunkle, markant durchdringende Gesangsstimme von Ray Wilson.

Zu den gefeierten Klassikern zählen "Sledgehammer" von Peter Gabriel und der Genesishit "The Carpet Crawlers" mit seiner wunderschön melancholischen Melodie. Perfekt dazu passen die eigenen Hits. Die kraftvolle Rock-Ballade "Change" mit dem herausstechenden Solo der Violinistin sowie das sehnsuchtsvolle "Symptomatic". 

Hit-Feuerwerk

Laut und leidenschaftlich singt das Publikum die Phil Collins Solohits "Another Day In Paradise" und "In The Air Tonight". Ebenfalls frenetisch gefeiert werden das Stiltskin-Cover "American Beauty", ein Up-Tempo Rocksong mit gewaltigem Gitarrensound, sowie der Peter Gabriel Hit "Solsbury Hill", bei dem melodisch die Flöte und die Violine hervorstechen.

Dem kleinen Klassiker-Medley mit Hits wie "Blowin' In The Wind" und "Knockin' On Heaven's Door" folgt als gefeiertes Finale der Welthit "Land Of Confusion" von Genesis. Das zahlreich erschienene Publikum ist durchweg begeistert.

Riesen-Ansturm für Reggae-Star

Der gar nicht heimliche Star von Jazz & Joy 2023 ist aber Gentleman. Auf dem dicht gepackten Marktplatz zeigt der Reggae-Musiker sich von seiner besten Seite. Charmant bringt er die Zuschauer auf seine Seite, feiert mit den Fans in der ersten Reihe, lässt Kinder ihre Textsicherheit unter Beweis stellen und punktet insgesamt mit jeder Menge Leidenschaft.

Dank des charakteristischen Wechsels zwischen deutschen, englischen und jamaikanischen Songs extrem kurzweilig. So geht das elektrisierende "Rumours" dabei genauso gut ab wie "Time Out" aus seinem deutschsprachigen Album "Blaue Stunde", bei dem alles viel zu schnell geht.

Das neu gesampelte "Mad World" in seiner eigenen Version wird ebenso enthusiastisch abgefeiert wie sein Hit "To The Top", in den er "Sweet Dreams" von den Eurythmics einbaut.

Einer geht noch

Zum Running Gag des Abends wird ein Hinweisschild. Die ursprünglich angesetzten 90 Minuten sind fast um, da bekommt Gentleman das Schild gezeigt: "Einer geht noch". Aus einem Song werden deutlich mehr. Die Zuschauer toben, als Gentleman ins Publikum hinabsteigt, einmal kreuz und quer durch alle Zonen läuft und die Emotionen ans Limit treibt.

Das gigantisch gefeierte "Superior" ist ein absoluter Höhepunkt, aber das Publikum hat noch immer nicht genug. Als die Show schon fast 2 Stunden dauert, holt Gentleman rund 30 Kinder auf die Bühne, um mit ihnen gemeinsam die Musik von Bob Marley zu feiern.

So endet Jazz & Joy mit einem euphorischen Moment, der aber keineswegs untypisch für das Jahr ist. Die Begeisterung der Zuschauer über alle drei Tage hinweg verdeutlicht nämlich ein weiteres Mal, wie stark das diesjährige Line-up von Jazz & Joy war.