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Scorpions (Live in Mannheim 2023) © Rudi Brand

Die Scorpions sparen bei ihrem Konzert in der Mannheimer SAP Arena nicht mit Rockklischees, die sie antiquierter aussehen lässt, als es nötig wäre. Nach einem schwachen Start, steigert sich der Auftritt allerdings deutlich gegen Ende.

"Was meint ihr Mannheim, seid ihr ready for the 80s?", fragt Scorpions Sänger Klaus Meine nach einem Reigen jüngerer und ganz neuer Songs, unter anderem von der verzichtbaren, neuen Platte "Rock Believer".

Er hätte auch fragen können, wie die Mannheimer/innen in der SAP Arena das Wetter finden. Die Antwort wäre stets die gleiche gewesen, in Form von verhaltenem aber wohlwollendem Jubel – weder euphorisch, noch enttäuscht.

Das Publikum singt

Die Ansagen des Frontmannes mit der umgedrehten Schiebermütze lassen sich während des ganzen Abends besser verstehen als seine Songtexte. Er steht beim Singen derart weit weg vom Mikrofon, dass Konsonanten keine Rolle spielen.

Die Refrains überlässt er bevorzugt dem Publikum, das mal mehr, mal weniger textsicher Hits wie "Gas In The Tank" und "Send Me An Angel" auffängt, wo Meine eine Atempause braucht.

Tradierte Gesten

Wenn Meine dabei den Mikrofonständer gen Publikum richtet, reiht er sich ein in eine Show, die regelrecht überbordet an tradierten Gesten. Die Rockklischees stehen in einem deutlichen Widerspruch zu den Alterserscheinungen, die gerade beim Sänger nicht zu übersehen sind.

Enge Lederhosen, ärmellose Kutten und Cowboyhüte sind das eine, die Bandmitglieder auf der Leinwand  abwechselnd in Flammen gehüllt das andere. Währendessen überfordern Stroboskop-Blitze im Halbrund hinter dem üppig ausgeleuchteten Schlagzeugpodest die Augen.

Eine Rock-Parodie?

Die animierenden Gesten der Gitarristen wirken wie eine Parodie auf überholte Outfits und vorgestrige Jugendkultur, während Klaus Meine am Bühnenrand reihenweise Drumsticks aus einer Tonne zieht und ins Publikum befördert.

Betrachte man nur das Bühnen-Setting und die Erscheinung ihrer Protagonisten, könnte man sich auch bei Boss Hoss wähnen. Und diese Assoziation ist wahrlich für beide Acts nicht schmeichelhaft.

Dass hier eine der international erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten spielt, wird gerade in der ersten Hälfte des 90-minütigen Sets von einem zu glatten Spektakel übertüncht, dass der Grandezza dieser Band nicht gerecht wird, bis schließlich "Wind Of Change" ertönt und den inszenierten Glanz in echte Gänsehautmomente dreht.

Peacemaker

Wenn die Scorpions hierfür den Text abändern und anstelle des Gorki Parks die Zeile "Now listen to my heart / It says Ukrainia" über die Leinwände flimmert, gerahmt von einem Friedenssymbol in ukrainischen Farbe, dann ist das das Gegenwärtigste des ganzen Abends, ohne dabei die große Musik historische Vergangenheit des Songs zu kippen.

Vielmehr entspricht dieser Moment jener "Peacemaker"-Band, für die sich die Scorpions nicht nur halten, sonder für die sie zurecht auf der ganzen Welt gefeiert werden.

Steigerung zum Schluss

Dass im Anschluss mit ihren größten Hits, allen voran "Big City Night" wieder breitbeinig gerockt wird, ist dann nicht nur verzeihbar, sondern stimmiger, als zu Beginn zu vermuten war. Und eines der weiteren Klischees, in Form eines beachtlichen Schlagzeug-Solos von Drummer Mikkey Dee, der neben Gitarrist Mathias Jabs zu den fittesten der Band zählt, gerät zu einer willkommen Abwechslung.

Mit den Zugaben "Still Loving You" und "Rock You Like A Hurricane" beschreiten die Hannoveraner schließlich die Kür eines Abends, der zwiespältig begann und sich zum Ende hin deutlich steigern konnte.

Setlist

Gas in the Tank / Make It Real / The Zoo / Coast to Coast / Seventh Sun / Peacemaker / Bad Boys Running Wild / Delicate Dance / Send Me an Angel / Wind of Change / Tease Me Please Me / Rock Believer / Blackout / Big City Nights // Still Loving You / Rock You Like a Hurricane

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