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Bilderbuch (live beim Heimspiel Knyphausen in Eltville am Rhein 2022) © Torsten Reitz

Das Heimspiel Knyphausen bietet bei seiner Rückkehr in gewohnter Form ein entspanntes Festivalerlebnis in Kombination mit hochklassiger Musik, wobei Bilderbuch, Friedberg und Algiers für die Highlights sorgen.

"Ihr seht so wunderschön im Regen aus", erklärt David Julian Kirchner, als der einzige Gewitterschauer des Wochenendes auf das Heimspiel Knyphausen 2022 niedergeht und die Besucher aus der sommerlichen Gemütlichkeit reißt.

Es sollte die einzige Störung an einem ebenso entspannten wie anregenden Festival-Wochenende bleiben. Wie immer bot das Festival vielseitige kulinarische Genüsse, den hervorragenden Wein des Weinguts Baron Knyphausen, angenehme Temperaturen und die herrliche Stimmung im sommerlichen Rheingau. 

Das Heimspiel Knyphausen ist fraglos ein Wohlfühlfestival, aber eines mit musikalischem Niveau, das seine Zuschauer nicht nur umgarnt, sondern auch fordert. Die Acts des Jahres 2022 lösten diesen Anspruch mühelos ein.

Gelungener Auftakt

David Julian Kirchner klingt mit seiner Band anders als noch als Kirchner Hochtief. Der bisweilen verzerrte Gesang hat klaren, gut zu vernehmenden Vocals Platz gemacht. Davon profitieren die originellen Texte von Songs wie "Frau Trümmer".

Auch die früher etwas unnötig sperrige Musik klingt jetzt geradliniger. Anders als bei anderen Bands gibt es keinen Grund der früheren Rohheit nachzutrauern, denn Kirchner ist als Person durch seine Texte immer noch sperrig genug.

Rampensäue

Beim Auftritt der Band Husten steht dann Gastgeber Gisbert zu Knyphausen mit seinen Mitstreitern Moses Schneider und Tobias Friedrich sowie Gastmusikern auf der Bühne. Bei aller Kreativität, die immer wieder durchscheint, merkt man, dass Husten ursprünglich als reines Studio-Projekt geplant war.

Das ist bei Bilderbuch ganz anders. Vom ersten Ton an hat Leadsänger Maurice Ernst das Publikum in der Hand. Die Mischung aus österreichischer Lässigkeit, an Prince erinnernden Funk-Rhythmen und tanzbaren Elektro-Beats reißt das Publikum sofort mit.

Klasse Live-Act

Zahlreiche Songs stammen vom neuen, teilweise sehr ruhigen Album "Gelb ist das Feld". Im Live-Kontext klingen die Songs aber weitaus energetischer und dringlicher als auf den Studioaufnanhmen. Das erlaubt auch Gitarrist Michael Krammer, seine Klasse und Kreativität wiederholt unter Beweis zu stellen.

Bei "Spliff" gibt es einen echten Mitsingmoment nicht ohne ironischen Verweis auf die wieder zahlreich anwesenden Kinder ("Alle Kinder singen Spliff"). Den größten Applaus gibt es naturgemäß für den Klassiker "Bungalow" und als Bilderbuch mit "Maschin" das reguläre Set beenden, ist der Jubel ebenfalls groß.

Starke Frauen

Für eines der Highlights am Samstag sorgen dann Friedberg. Die Band stammt nicht aus der nahegelegenen hessischen Stadt, sondern (natürlich!) aus Österreich und dem UK.

Leadsängerin Anna F(riedberg) hat eine super-tighte Combo aus vier Frauen um sich geschart, die nicht nur mit jeder Menge Rhythmus, sondern hevorragend harmonierenden Stimmen und tollen, eingängigen Songs wie "Never Gonna Pay The Rent" oder "Yeah" punkten.

Zwischen Atlanta und London

Während Friedberg mehr von der österreichischen Lässigkeit versprühen, sind Algiers betont nicht lässig. Ihre eigenwillige Mischung aus Post-Punk und Gospel klingt interessanterweise ebenso englisch wie US-Amerikanisch, was vielleicht auch daran liegt, dass der ehemalige Bloc Party-Drummer Matt Tong Teil der Band ist.

Ansonsten handelt es sich bei den Bandmitgliedern um drei Jugendfreunde, die ein dermaßen unterschiedliches Auftreten haben, dass man nicht glauben mag, dass sie sich vor dem Gig jemals getroffen haben.

Während Gitarrist Lee Tesche cool und unnahbar daherkommt, tobt Bassist Ryan Mahan auf der Bühne wie ein Wildgewordener. Dass die Band unfassbare Energie versprüht und dementsprechend gefeiert wird, versteht sich fast von selbst.

Entspanntes Runterkommen

Zum Abschluss sorgen dann YIN YIN aus Maastricht in den Niederlanden für einen entspannten, instrumentalen, psychedelischen Ausklang des Samstagsabends. Nach so viel guter Musik muss man eben erst einmal wieder runterkommen – am besten mit guter Musik!

Der Sonntag zeigt wieder die Stärke des Heimspiel Kyphausens. Es bietet ein sehr entspannendes Festivalerlebnis, gleitet aber niemals in die Belanglosigkeit ab, sondern ermöglicht vielfältige musikalische Erlebnisse. Möge es noch lange so weitergehen!