Blackmail
Foto: Jan Windszus

Blackmail Foto: Jan Windszus © City Slang

Blackmail fanden sich Ende 1993. Sie entwickelten sich dank zahlreicher guter Alben und hervorragenden Konzerten zu einem der Geheimtipps deutscher Rockmusik. Heute zählen die Koblenzer zu den bekanntesten und erfolgreichsten Independent-Bands Deutschlands. Kürzlich haben sie ihr neues Album "Tempo, Tempo" veröffentlicht. Mit diesem Longplayer sind sie nun auf großer Tour und machten dabei auch in Berlin Station. Das Konzert entwickelte sich zu einem großen Festival – einem besonderen Festival.

{image}Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 veröffentlichten Blackmail zahlreiche Alben, vertonten dabei das Album Science Fiction auch noch elektronisch ins Remix-Album Do Robots Dream of Electric Sheep um und waren mit dem Soundtrack zum Film "Kammerflimmern" auch im Filmbusiness nicht untätig. Zusätzlich sind die Bandmitglieder auch immer wieder in Nebenprojekten aktiv gewesen, wie es z.B. Gitarrist Kurt Ebelhäuser in der experimentierfreudigen Band Scumbucket bis heute tut oder wie es Sänger Aydo Abay und Schlagzeuger Mario Matthias zeitweilig mit der Band Dazerdoreal taten. Musikalisch kann man ihre Musik als wuchtigen Indie-Rock mit viel Melodie beschreiben, wobei sie sich gelegentlich auch auf poppigere Strukturen einlassen, wie ihr Album Bliss, Please bewies. Diesen wuchtigen Indie-Rock kann man nun auch wieder auf ihrem neuen Album bestaunen. Doch dies war auch genau der Grund, warum einige Kritiker ihr neues Album als zu gewöhnlich, zu routinemäßig und zu ähnlich im Vergleich zu früheren Alben ansahen. Der Sound reißt nach fast fünfzehnjähriger Bandgeschichte dennoch immer noch mit, besonders live.

Dies bewies auch dieser Abend im Postbahnhof in Berlin aufs Neue. Und Routine wird man der Band nach dem Konzertbesuch größtenteils auch nicht mehr vorwerfen können, besonders dem Sänger Aydo Abay nicht.

{image}Denn wer kann ahnen, dass der gut gelaunte Abay im Laufe dieses Konzerts plötzlich den Entschluss fassen wird, sein Mikro zu nehmen, sich rückwärts auf die Hände des Publikums zu legen und sich in einer großen Runde von der einen Seite der Bühne zur anderen Ecke tragen zu lassen und währenddessen auch noch einen Gesang anstimmt. Am wenigsten die Fans. Denn die haben sowas bei Abay sicherlich noch nicht erlebt – zumindest wenn man den Wörtern Abays Glauben schenken will, dass diese Aktion für ihn eine Premiere ist. Aber andererseits ist diese Aktion auch kein Wunder, wenn man die Szenen betrachtet, die sich vor diesem Ereignis abgespielt hatten und danach noch abspielen würden. Der Titel dieser Szenenbeschreibung könnte auch lauten: "Willkommen beim inoffiziellen Crowdsurfing-Festival!" Denn das Konzert hat gerade erst begonnen, da surft schon die erste Welle über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Bald werden sich die Surfer kreuzen, auch mal verhaken, später versuchen sich zwei Fans dann auch noch im Synchron-Sprung-Crowdsurfing. Alles natürlich unter freudigen Augen der Band. Und Sänger Aydo trägt mit seinen Tipps zur Technik des Crowdsurfings ("An alle Frauen: auf dem Rücken ist es einfacher zu surfen") sein Übrigens zu diesem anstrengenden, aber glückselig machenden Treiben bei. Wasser an die verschwitzen Fans auszuschenken, gehört dabei natürlich zur Aufgabe der Band.

{image}Musik wird aber auch noch gespielt, größtenteils die neuen Songs vom Album Tempo, Tempo sowie noch einige Klassiker. Und natürlich mit allem, was dazu gehört: Melodien, wuchtige Rhythmen und Gitarrenriffs. Dazu gibt es eine ausgefallene Lightshow mit farbenprächtigen Lichtern, wie in Mosaik angeordnete, farbenverändernde Lichtsäulen im Hintergrund sowie ein ausgeprägtes System aus weißem Flimmerlicht. Diese Lichter sind dabei so angeordnet, dass die Band während der Musik immer wieder im dunklen Hintergrund erscheint. Kunstnebel perfektioniert dies noch an manchen Stellen. Das Ziel: Die Kraft der Musik soll neben dem ganzen Crowdsurfing nicht zu kurz kommen.

Nach gut einer Stunde verlassen Blackmail mit einer kurzen Dankensrede dann schließlich zum ersten Mal die Bühne. Doch mit lautem Jubel und Begeisterungsrufen der Zuschauer, unter denen sich mit Bernd Kurtzke von den Beatsteaks und – angeblich – dem Tomte-Sänger Thees Uhlmann auch zwei prominente Musiker befinden, kommen Blackmail dann noch einmal für mehrere Zugaben auf die Bühne zurück und kehren damit gleichermaßen zum Schluss auch wieder zu ihrer wohlgeübten Routine zurück: Dem Ritual von langen, virtuos gespielten Instrumentalstücken. Hier ist Gitarrist Kurt Ebelhäuser dank seiner Experimentierfreudigkeit natürlich in seinem Element und zieht es deswegen genußvoll in epochale Längen. Und hier bemerkte man dann auch besonders: Solcherlei Routine kann etwas Schönes sein.

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