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Bill Callahan (live in Frankfurt, 2011) © Daniel Nagel

Der exzentrische amerikanische Musiker war unter dem Namen "(Smog)" stets für seine düsteren, minimalistischen Lieder bekannt, die er mit seinem monotonen, meist unemotionalen Bariton gern noch weiter Richtung dunkel trieb. Ab 2007 ließ er das Pseudonym fallen und veröffentlichte unter eigenem Namen. Nun war Bill Callahan zurück in Frankfurt und hat eine Menge neuer Fans mitgebracht. Die wollen vor allem Lieder der letzten beiden Alben hören - hat das Teenage Spaceship endgültig die Erde verlassen?

Was für ein Unterschied! Vor fast genau drei Jahren war Bill Callahan schon einmal in der Frankfurter Brotfabrik zu Gast – damals hielten die Zuschauer ehrfürchtig Abstand, während sie sich diesmal dicht vor der Bühne drängen. Die Zahl der Zuschauer hat sich – grob geschätzt – mehr als verdoppelt. Man kann es fast nicht glauben, aber der unnahbare Amerikaner wird "im Alter" noch zum Publikumsstar. "Wenn mir jemand in den 1990ern gesagt hätte, dass es ein Smog/Bill Callahan-Album in die Charts schafft, hätte ich ihm das nicht geglaubt", sagt ein Freund. Aber so ist es: Sein neues Album Apocalypse knüpft offensichtlich nahtlos an die Popularität von Sometimes I Wish We Were An Eagle An: Gerade die neuen Lieder werden von den neuen Callahan-Fans begeistert begrüßt, während die alten Smog-Fans Stücke grundsätzlich nur wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Bill Callahan reagiert auf seine neugewonnene Popularität, mit einigen steifen Ansagen, die so gekünstelt und unnatürlich wirken, dass man ihm raten würde, einfach gar nichts zu sagen und nur seine Musik sprechen zu lassen. Die hält einige exquisite Höhepunkt bereit, so die Lieder des neuen Albums, die Callahan mit Ausnahme von One Fine Morning alle spielt. Die tiefsinnigen, intimen Meditationen über Amerika in Liedern wie Drover, America! und Free's besitzen eine eingängige rhythmische Dramaturgie, die bei aller rätselfhaften Verschrobenheit Callahans direkten Eindruck auf das Publikum macht.

Nur von elektrischer Gitarre (Matt Kinsey) und Schlagzeug begleitet (Neal Morgan), erhebt Callahan das eindrückliche Mantra von Drover in fast sphärische Höhen: "One thing about this wild, wild country/It takes a strong, strong, it breaks a strong, strong mind/And anything less, anything less makes me feel like I'm wasting my time". Morgans und Kinseys musikalische Aufgabe besteht nicht etwa darin, die Rhythmik vorzugeben, das macht Callahan schon selbst, sondern seine Musik zu kolorieren sowie Tempo und Dramatik zu erzeugen.

Der Blick zurück auf Bill Callahans Smog-Zeiten erfolgt durch Klassiker wie Our Anniversary und River Guard, die sich nahtlos in das aktuelle Set einfügen, aber auch durch nicht live-taugliche Songs wie Say Valley Maker und dem offensichtlich unvermeidlichen Let Me See The Colts, aus dem nie ein gutes Lied werden wird, egal wie oft Bill Callahan es im Konzert auch spielen wird. Das letzte Smog-Album, A River Ain't Too Much To Love, bedeutet ihm aber offensichtlich so viel, dass er selbst die schwächeren Lieder immer wieder spielt – im Gegensatz zu seinem ersten Album unter seinem eigenen Namen, Woke On A Whaleheart, das er gänzlich ignoriert.

Anders als auf dem letztjährigen Doppel-Live-Album Rough Travel For A Rare Thing (Vinyl und Download only) spielt er auch Lieder von dem Werk, das die Grundlage seines aktuellen Erfolgs gelegt hat. Während die Version von Jim Cain zum Abschluss des regulären Sets enttäuschend blutleer ist, verlieren Too Many Birds und Rococo Zephyr nichts von ihrer wunderbar arrangierten Melodik. Wie andere Indie-Künstler erlebt Bill Callahan augenblicklich einen Karrierehöhepunkt, vergleichbar mit Bonnie "Prince" Billy zur Zeit von I See A Darkness. Einerseits ist Callahan in seinem stoischen, unnahbaren Auftreten immer noch unverkennbar er selbst, andererseits lässt er mehr Einblick in sein Inneres zu, was sich dank seiner faszinierenden Persönlichkeit als Glücksfall erweist. Das Publikum dankt es ihm mit begeistertem Applaus.

Setlist

Riding For The Feeling - Baby's Breath - Too Many Birds - Free's - America! - Our Anniversary - Drover - Universal Applicant - Eid Ma Clack Shaw - Say Valley Maker - The Well - Let Me See The Colts - Jim Cain

Zugabe: Rococo Zephyr - River Guard

Vielen Dank an Stipe für die stets anregenden Einsichten in das Werk und Wirken Bill Callahans!

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