Verbesserte Sicht: Klares Bild durchs Smartphone trotz verschwommener Realität

Verbesserte Sicht: Klares Bild durchs Smartphone trotz verschwommener Realität © Rudi Brand

Wir haben euch gefragt, welches Verhalten anderer Konzertbesucher euch am meisten auf die Palme bringt. Wir wollen mit den Missverständnissen aufräumen und zu einem harmonischeren Miteinander beitragen.

Manch ein Konzertbesucher beleidigt durch unbeholfen wirkendes Tanzen das ästhetische Empfinden der anderen Fans. Andere wagen es gar, beim Klatschen nicht den Takt halten zu können. Frechheit! Die Ergebnisse unserer Umfrage jedoch offenbaren Schockierendes: Am nervigsten findet ihr Verhaltensweisen, die in höchstem Maße lobenswert sind, jedoch gundlegend verkannt werden. Wir leisten Aufklärungsarbeit.

1. Ständiges Filmen und Fotografieren mit dem Handy

Über ein Drittel von euch scheint aus schleierhaften Gründen nicht zu befürworten, wenn eine Vielzahl von Besuchern ununterbrochen die Show mit ihren Smartphones filmt oder fotografiert. Grundsätzlich ist ja bekannt, dass insbesondere Fotografien der Bühne mit dem Handy aus Reihe 40 eine herausragende Qualität aufweisen – mit ein wenig Fantasie kann man sich sogar anschließend einbilden, bei einem der kleinen Fleckchen auf dem Bild, die man gerade noch so als humanoid identifizieren kann, handele es sich um Elvis. Oder Batman.

Doch auch für die Mitmenschen erweisen sich bei Konzerten so oft wie möglich gezückte Handys auf verschiedenste Art als äußerst hilfreich. Wenn der Lieblingsact die Bühne betritt, kann man ihn heutzutage gänzlich unbehindert betrachten – dank erstklassiger Sicht durch die Handys der Vordermänner und -frauen.

Von den durch kleine Displays stark verbesserten Sichtverhältnissen einmal ganz abgesehen sorgen beim Filmen vollständig erstarrte Besucher und das allgegenwärtige blaue Licht bekanntermaßen für nahezu magische Stimmung. Auch Künstler sind übrigens zuweilen zu Tränen der Dankbarkeit gerührt, wenn unautorisierte Video-Aufnahmen von besonders unangenehmen Ausrutschern veröffentlicht werden und sie gemeinsam mit YouTube-Trollen herzhaft über sich lachen können.

2. Lautes Quatschen

Fast gleichauf auf der Nervskala ist für euch andauerndes lautes Reden während eines Konzerts. Auch hier wird unserer Meinung nach vorschnell geurteilt. Wann kann man sonst derart ungeniert intime Details aus dem Alltag anderer erlauschen, die in besonders hoher Lautstärke verkündet werden müssen, um das Geplärre von der Bühne zu übertönen? Die 100 Euro, die man für das Ticket hingelegt hat, bieten dabei das perfekte Alibi.

Insbesondere jüngere Supportacts sowie Künstler in kleineren Venues freuen sich zudem, wenn ihre Shows für angeregte, laute Gespräche genutzt werden. So stehen sie nicht ganz so unangenehm im Fokus der Aufmerksamkeit und können unbemerkt und in Ruhe vor sich hindudeln.

In eine ähnliche Kategorie fällt ununterbrochenes extrem lautes Mitsingen. Nicht selten sorgt die imposante Demonstration an Textsicherheit und die dadurch höhere Verständlichkeit zurecht für anerkennendes Nicken der umstehenden Personen. Die Qualität der Töne darf hierbei – wie es in der Regel auch geschieht – guten Gewissens vernachlässigt werden.

3. Aggressives Durchdrängen

Häufig von euch kritisiert wurde zudem die Rücksichtslosigkeit von Besuchern, die sich gewaltsam nach vorne drängen. Zugegeben, für vereinzelte Individuen kann solch ein Verhalten durchaus lästig sein, für Unmengen von schüchternen Frotteuren stellt es jedoch eine echte Chance dar. Auch das Bier, das sich der unvorbereitete Besucher bei den Rempelattacken gelegentlich selbst übergießt, ist häufig eine willkommene erfrischende Abkühlung.

Besonders herzerwärmend mitanzusehen ist es, wenn sich bei solchen Gelegenheiten zuweilen besonders große Besucher gezielt vor besonders kleinen positionieren, um sie davor zu beschützen, von gefährlichen Wurfgeschossen wie etwa Drumsticks und Plektren erschlagen zu werden. Diese werden insbesondere gegen Ende einer Show von zunehmend feindseligen Musikern auf das wehrlose Publikum abgefeuert.

Daher betrachten kleinere Zuschauer häufig regelrecht verliebt die ganze Show über Rücken und Hinterkopf des Vordermannes. Noch stärkere Zuneigung gilt in der Regel Besuchern, die unentwegt sogar Partner oder Kinder als Schutzschilde nach oben halten.

Eine Geschichte von Missverständnissen

Daneben gibt es weitere bewundernswerte Verhaltensweisen, die jedoch häufig missverstanden werden. So finden sich zuweilen auch Konzertbesucher, die im Vorfeld lange auf Körperhygiene verzichten, um die Atmosphäre einer schweißtreibenden Show auch durch die Nase erlebbar zu machen. Für den zusätzlichen haptischen Genuss wird dabei gelegentlich sogar selbstlos auf ein T-Shirt verzichtet.

So sollte man als Konzertbesucher häufiger innehalten und sich fragen, ob sich hinter einem Stein des Anstoßes in Wahrheit nicht ein Akt reiner Nächstenliebe verbirgt – und für das übergegossene Bier oder das Handy vor der Nase einfach mal Danke sagen und ein Lächeln schenken.

Alles zum Thema:

konzertbesuche