Revolverheld (live in Gießen 2020) Fotostrecke starten

Revolverheld (live in Gießen 2020) © Torsten Reitz

In Corona-Zeiten bieten Autokino-Konzerte die einzige Möglichkeit einen größeren Act live zu erleben, zum Beispiel Revolverheld bei ihrem Auftritt im Autokino Gießen. Doch wie viel der gewohnten Live-Atmosphäre bietet das Konzert?

Nachdem der Festivalsommer 2020 in seiner Gänze der Coronavirus-Pandemie zum Opfer gefallen ist, sind Autokino-Konzerte hierzulande aktuell der letzte Schrei, um zumindest doch auf irgendeine Art und Weise zu einem Live-Erlebnis zu kommen.

Keine Normalität

Auch der Gießener Kultursommer musste mit seinem für die zweite Augusthälfte geplanten regulären Programm die Segel streichen. Die Konzerte sollen 2021 nachgeholt werden.

Als Ersatz hat das Team auf die Schnelle ein Autokino inklusive einer Handvoll Konzerten auf dem Messegelände nahe der Hessenhalle auf die Beine gestellt – wofür den Beteiligten höchster Respekt gebührt.

Den Anfang dieses Reigens machen Revolverheld, deren zwei Shows in Gießen binnen Minuten ausverkauft waren. Doch wieviel Charakter eines "normalen" Konzerts besitzt die Autokino-Variante?

Alles anders

Ein etwas bizarres Erlebnis ist eine solche Veranstaltung schon. Die Bewegungsfreiheit ist auf das Innere des eigenen Wagens beschränkt – und auf dem Gelände selbst ist, abgesehen von den Klängen des Schlagzeugs, wenig bis nichts davon zu spüren, dass dort gerade ein Konzert stattfindet.

Das liegt daran, dass der Ton, der die Musik macht, per zuvor bekanntgegebener UKW-Frequenz übertragen wird, auf die man das eigene Autoradio einstellen muss. Wer hätte gedacht, dass die Analogtechnik anno 2020 auf diese Weise wiederaufleben würde?

Auch die Resonanz seitens des Publikums ist auf Lichtsignale beschränkt, die Revolverheld immer wieder einfordern. Vor Beginn der Veranstaltung werden die Anwesenden darum gebeten, Hupen doch bitte zu unterlassen, da ein Anwohner das Event sonst via Anruf bei der Polizei sprengen könnte.

Social Distancing in Reinform

Insgesamt besitzt einer Autokino-Veranstaltung wie das Gießener Revolverheld-Konzert leider nur wenig der gewohnten Live-Atmosphäre, wegen der die Fans sonst in die Hallen und auf die Festivals strömen. Der zwischenmenschliche Kontakt – abgesehen vom Fahrer bzw. Beifahrer, mit dem man sein Gefährt teilt – beschränkt sich im Wesentlichen darauf, mit dem entsprechenden Abstand in der Schlange zu stehen, sofern man sich erleichtern muss.

Für die Künstler ist dies eine ebenso schwierige Situation. Sie hören sich über das In-Ear-Monitoring zwar selbst, bekommen aber (bis auf die gelegentlichen Lichthupen) nur wenig von ihrem Publikum mit. Das Ganze erinnert eher an einen vollen Parkplatz, an dessen Ende eine Leinwand und eine volksfestartige Bühne aufgebaut sind.

Den Umständen geschuldet

So bleibt zu guter Letzt nur festzuhalten, dass Autokino-Konzerte ein ambitionierter Versuch sind, einen aus Künstler-, Veranstalter- und Zuschauersicht desaströsen Sommer zu retten, der aber lediglich bedingt gelingt.

Autokino-Konzerte sind auf jeden Fall eine ganz spezielle Art von Event, die womöglich sogar ihre Liebhaber haben könnten, aber für den "normalen" Konzertgänger nur wenig von dem Flair erreichen, den man sich sonst von Live-Shows erhofft. Allerdings gibt es im Augenblick schlichtweg keine Alternativen.

Die Organisation seitens des Gießener Kultursommers muss man aber ausdrücklich loben, denn der Abend auf dem Messegelände der mittelhessischen Universitätsstadt läuft so reibungslos ab, wie es unter diesen Umständen möglich ist.

Alles zum Thema:

revolverheld