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Life Of Agony (live in Frankfurt, 2017) © Leonard Kötters

Statt auf ihr neues Album "A Place Where There’s No More Pain" konzentrieren sich Life Of Agony bei ihrem Auftritt in der Batschkapp lieber auf ihr legendäres Debüt "River Runs Red" und versetzen das Frankfurter Publikum damit in Verzückung.

Life Of Agony haben eine wahrhaft bewegte Bandhistorie hinter sich. Auflösung der Gruppe, Wiedervereinigung, erneute Trennung und eine zweite Reunion – die vier New Yorker haben wenig ausgelassen. In die gleiche Kerbe schlägt wohl auch die Geschichte, wie aus dem kleinen, quirligen und in äußerst problematischen Verhältnissen aufgewachsenen Frontmann Keith Caputo schließlich die transsexuelle Sängerin Mina wurde. Beim Quartett aus dem Big Apple wird es eben nie langweilig.

Genauso spannend ist es, dass Life Of Agony mit "A Place Where There’s No More Pain", ihrem ersten neuen Album in einem Dutzend Jahren, im Gepäck wieder einmal den Weg in unsere Gefilde gefunden haben. Zum Auftakt ihrer kurzen Europatour in diesem Frühjahr beehren die einst in einem Atemzug mit Type O Negative genannten US-amerikanischen Kultmetaller die Frankfurter Batschkapp mit ihrer Anwesenheit, die sich – trotz eines verkleinerten Innenraums – im Laufe des Abends gut füllt.

Eingeschworene Gemeinschaft

Für die aktuellen Konzerte haben sich Life Of Agony gleich doppelte Unterstützung aus der Schweiz mitgebracht. Den Anfang machen Blood Runs Deep. Das doomige, teilweise recht sperrige Quartett aus St. Gallen gibt sich in der halben Stunde, die ihnen in der Mainmetropole zur Verfügung stehen, weitgehend instrumental, schwerfällig und schwermütig.

Dass allerdings das Klischee der trägen Eidgenossen nicht unbedingt viel mit der Wahrheit zu tun haben muss, beweist das Trio Second Function. In guter Form und zu Scherzen aufgelegt, rocken sie sich mit viel Energie durch ihr etwas mehr als halbstündiges Alternative-Set. Das Publikum nimmt ihre tatkräftige Performance wohlwollend zur Kenntnis.

Man(n) sieht rot

Langsam, aber stetig bewegt sich der Abend auf das zu, worauf die mittlerweile gut eingestimmten Fans gewartet haben. Plötzlich ertönen bedeutungsschwangere Orgel- und Klavierklänge mit ebenso mystischen Chorgesängen aus den Boxen. Dazu erscheint ein überlebensgroßes, rot schimmerndes Auge als Transparent hinter dem Drumkit.

Dass sich etwas anbahnt, dürfte in dieser Sekunde selbst dem unbedarftesten Konzertbesucher klar sein. Denn schon stehen Life Of Agony auf der Bühne und arbeiten sich nicht etwa, wie man wohl erwartet hätte, durch ihr brandneues Album, sondern durch ihr Kultdebüt "River Runs Red". Den Anfang macht dabei der brachiale Titelsong der allerersten Platte.

Altbekanntes in neuem Gewand

Stolze sieben Nummern ihres mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert alten Erstlings haben die New Yorker an diesem Abend mitgebracht, die von den Zuschauern auch mit großer Begeisterung angenommen werden. Hinter Klassikern wie "This Time", "Through & Through" und "Underground" müssen sich die übrigen Scheiben ganz weit hinten anstellen.

Sänger(in) Caputo ist dafür an vorderster Front umso präsenter. Agil und voller Tatendrang scheint sie geradezu über die Bühne zu schweben. Immer wieder begibt sie sich dabei in die Nähe des Publikums und interagiert mit den überschwänglichen Fans in den ersten Reihen. Man spürt, wie wohl sich Mina – wie sie sich inzwischen nennt – in ihrer "neuen Haut" fühlen muss.

Schweigen im (Rieder-)Walde

Die gute Laune, die sie verbreitet, steht dabei in einem krassen Gegensatz zu der Thematik der Songs gerade des Debüts, handeln die Stücke doch u.a. von Suizid, Missbrauch und Alkoholismus. Dennoch gelingt der Spagat, und auch wenn sich Life Of Agony auf "River Runs Red" fokussieren, bedeutet das noch längst nicht, dass bei den momentanen Shows nicht auch ihre anderen Werke zum Zuge kämen.

Neben mehreren Liedern von ihrer zweiten Platte "Ugly" haben die vier New Yorker für ein paar der neueren Nummern nämlich ebenso Platz im Set geschaffen. Einer dieser frischen Songs ist dann als Anschluss an den vielleicht emotionalsten Moment des gesamten Abends auch wie geschaffen: "Dead Speak Kindly" folgt auf eine Schweigeminute für den jüngst verstorbenen Chris Cornell.

Aus den Fugen geratene Welt

Trauriger, aber passender hätte die Art und Weise, wie die Soundgarden-Legende aus dem Leben abtrat, an diesem Abend auch kaum sein können. Wo immer er auch nun sein mag, dürfte er zumindest jetzt wohl zumindest seinen finalen Ruheort gefunden haben, dem aktuellen Albumtitel von Life Of Agony nach "A Place Where There’s No More Pain".

Ein weiterer Titel mit völlig eigener Bewandtnis im Hier und Jetzt ist die neueste Single, “World Gone Mad“, die beim Publikum ähnlich gut ankommt wie die älteren Stücke. Man muss in der heutigen Zeit nicht unbedingt prophetisch veranlagt sein, um trotz des etwas weniger düsteren Gesangs die Intention des Stückes zu erkennen.

Mut zur schmerzlos fließenden Hässlichkeit

Es ist eine sehr emotional aufgeladene und dennoch seltsam wohlige Atmosphäre, die Life Of Agony mit ihrem brachialen wie erdrückenden Alternative Metal erzeugen. Es liegt eben auch Schönheit im Hässlichen à la "I Regret", das Caputo und ihre Mitstreiter Alan Robert am Bass, Joey Z. an der Gitarre und Sal Abruscato an den Trommeln in Frankfurt zum Besten geben.

Als sie sich nach etwa 80 Minuten Spielzeit mit "Underground" von ihren über weite Strecken restlos begeisterten Zuschauern verabschieden, ist ihnen der Dank der Fans gewiss. Rufe nach mehr hallen durch die Batschkapp. Wenn es seitens des Publikums etwas am Auftritt zu bemängeln gab, dann wohl nur die Länge ihrer Show, die in den Augen einiger wohl etwas länger hätte ausfallen dürfen.

Setlist

River Runs Red / This Time / Other Side Of The River / Love To Let You Down / Lost At 22 / Weeds / A Place Where There’s No More Pain / My Eyes / Bad Seed / Dead Speak Kindly / World Gone Mad / I Regret / Method Of Groove / Through & Through / Underground

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